„Darf man hier parken?“, fragt ein junger Mann und lehnt sich fragend aus dem Fenster seines dunkelblauen VW Polo. „Nein, das ist ein Gehweg“, erklärt der Abteilungsleiter Ordnungswidrigkeiten und kommunaler Ordnungsdienst der Stadt Bonn, Sascha Hessenbruch, bestimmt, aber freundlich. Der Autofahrer fährt weiter, dreht am Ende der Straße und hält auf der anderen Seite am rechten Fahrbahnrand. Dort darf er stehen, denn dort parkt er nicht illegal auf dem Gehweg und behindert womöglich andere.
Gegen das unerlaubte Parken auf Gehwegen sind Hessenbruch und seine Kolleg*innen wiederkehrend im Einsatz. In der Wohn- und Durchfahrtsstraße „Auf der Schleide“ im Bonner Stadtteil Beuel trennen kleine Beete mit Bäumen den Gehweg von der Straße. Alle paar Meter unterbrechen Pflasterungen die Beete, sogenannte Ausweichflächen. Sie bieten allen Fußgänger*innen genügend Platz und ermöglichen das uneingeschränkte Vorbeikommen von Menschen mit Kinderwagen oder Rollator. Zumindest, wenn sie frei von Autos bleiben. Laut Straßenverkehrsordnung (StVO) ist das Parken auf Gehwegen nur dann zulässig, wenn es explizit erlaubt wird: zum Beispiel durch Parkflächenmarkierungen auf Bordsteinen oder das entsprechende Verkehrsschild. Eine solche Erlaubnis fehlt in der Beuler Straße – und trotzdem steht auf dem Gehweg Auto an Auto.
Ein älterer Mann in einem elektrischen Rollstuhl nähert sich und passt gerade so an den stehenden Pkw vorbei. „Das zeigt sehr schön, dass Gehwegparken aus gutem Grund in der Regel verboten ist“, beschreibt Hessenbruch die Situation. Gegen solche Behinderungen schreitet das Ordnungsamt ein – doch das geschieht nicht immer allen konsequent genug. Hessenbruch und seine Kolleg*innen hören täglich Vorwürfe wie „Ihre Leute tun nichts“ und gleichzeitig Argumente der Gegenseite: „Da haben wir doch immer schon so geparkt.“
Das Thema Parken ist umstritten. Es berührt zum Teil widersprüchliche Bedürfnisse. Denn Parkplätze sind schwer zu finden, besonders dann, wenn Autos immer größer werden. Menschen möchten ihre Autos sorgenfrei abstellen können. Vor allem dort, wo sie es aus Gewohnheit schon jahrelang ohne negative Folgen getan haben. Die Empörung ist groß, wenn Falschparker*innen auf einmal ein Verwarngeld zahlen sollen. Gleichzeitig bestehen Anwohner*innen auf dem freien Platz vor ihren Grundstücken; und Fußgänger*innen auf sicheren Gehwegen.
Ein neues Urteil zum Gehwegparken könnte helfen, die verschiedenen Interessen zu regeln. Am 06. Juni hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) beschlossen, dass Kommunen bei Beschwerden durch Anwohner*innen gegen das Gehwegparken vorgehen müssen. Die Straßenverkehrsbehörde muss also einschreiten, wenn Anwohnende durch illegal parkende Autos behindert werden. Das gilt von der eigenen Haustür bis zur nächsten Querstraße.
Die Bundesvorsitzende des VCD Kerstin Haarmann begrüßte das Urteil: „Auch wenn es vielen wie ihr Gewohnheitsrecht erscheint: Unerlaubt parkende Autos haben auf Gehwegen nichts verloren, Kommunen müssen dagegen vorgehen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht nun letztinstanzlich bestätigt. Wir fordern die Kommunen auf, die StVO ab sofort konsequent durchzusetzen.“
Ein längst fälliges Urteil
Geklagt hatte eine Gruppe von Anwohner*innen aus Bremen. „Mit dem Urteil wurde Rechtsgeschichte geschrieben, auch in unserem Sinne“, bemerkt VCD-Mitglied Wolfgang Köhler-Naumann aus Bremen. Er gehört der Gruppe der Kläger*innen an und sieht in dem Urteil einen Erfolg, denn so können sich Kommunen nicht mehr wegducken und illegales Gehwegparken dulden. Dass die neue Regelung jedoch nur bis zur nächsten Querstraße gilt, sei enttäuschend. „Was macht ein Rollstuhlfahrer, der dann an der nächsten Ecke wieder nicht durchkommt, weil ein Auto im Weg steht, er hier aber nicht das Recht auf Einschreiten hat?“, fragt Köhler-Naumann.
Das Urteil des BVerwG stellt zwar klar, dass Kommunen bei Beschwerden und Behinderungen von Anwohner*innen gegen unerlaubtes Gehwegparken vorgehen müssen. Zulässig ist aber auch, dass die Kommune erst mal ein Parkraumkonzept ausarbeitet und mit besonders betroffenen Straßen beginnt. „Das erlaubt es Kommunen wie Bremen, die auf Zeit spielen wollen, sich dahinter zu verstecken“, so Köhler-Naumann, „dann zieht sich die Konzeptausarbeitung in die Länge, und es sind zu wenig Leute da.“ In Bremen habe sich durch das Urteil bisher noch nichts geändert. „Wir halten jetzt erst mal die Füße still und warten, bis das Urteil in Schriftform vorliegt“, ergänzt er.
In Bonn dagegen haben die lokalen Medien zuletzt über eine „Knöllchen-Welle“ in Bonner Stadtteilen berichtet. Sascha Hessenbruch glaubt aber nicht, dass das mit dem Urteil zu tun hat. Das Ordnungsamt Bonn hat innerhalb des letzten Jahres mehr Personal eingestellt und „je mehr Leute da sind, desto größer wird der Radius und desto mehr Beschwerden können wir nachgehen“, erklärt er. Das Urteil sieht er für die Kontrolltätigkeit des Verkehrsaußendienstes als nicht besonders bahnbrechend, seiner Meinung nach hat das Bundesverwaltungsgericht nur das Selbstverständliche festgestellt. Auswirkungen auf die Verkehrsüberwachung habe das Urteil nicht; es bestätige nur, was das Ordnungsamt in Bonn schon immer tue.
Ordnungsamt: Kompromisse finden und Regeln durchsetzen
Für Kommunen wie Bonn, die gegen das Gehwegparken vorgehen wollen, sieht Kläger Köhler-Naumann das Urteil positiv: „Die haben aus unserer Sicht einen zusätzlichen Hebel zur Umgestaltung illegal genutzter Gehwegbereiche in der Hand.“ Ein solches Durchgreifen wünscht er sich auch von der Stadt Bremen. Zwar habe sich die Senatorin für Bau, Mobilität und Stadtentwicklung Özlem Ünsal mit Hinweis auf ein bereits angelaufenes Konzept positiv zum Gerichtsurteil geäußert. Doch leider sei kein Konzept, das illegales Gehwegparken abbaut oder unterbindet, in der Öffentlichkeit bekannt.
Auf der Schleide in Beuel nähert sich eine Frau verhalten ihrem geparkten Auto. Sie schaut unsicher zu den Ordnungsbeamten. „Mit meinem Auto ist jetzt aber nichts, oder?“, fragt sie. „Noch nicht“, kommt die Antwort, denn noch findet sie keine 55-Euro-Verwarnung hinter die Scheibenwischer ihrer Windschutzscheibe geklemmt. „Dann fahre ich schnell weg“ – und schon sitzt sie hinter ihrem Lenkrad. Hessenbruch erklärt, es gehe oft darum, gleichzeitig Regeln durchzusetzen und Kompromisse zu finden. Mit einer 55-Euro-Verwarnung sei man noch gut bedient, denn nach einer Stunde sähe es schon ganz anders aus: Dann drohen 70 Euro und ein Punkt in Flensburg. „Aufgrund der vielen Kontrollstellen sind gezielte Nachkontrollen nach einer Stunde für uns schwer plan- und daher nicht immer umsetzbar. Aber wir ahnden durchaus auch mit höheren Bußgeldern, wenn die Einsatzlage es zulässt“, so Hessenbruch. Schließlich gibt es viele Straßen wie diese, in denen das Ordnungsamt unterwegs ist und Verstößen nachgeht.
Hier ist Parken auf Gehwegen erlaubt:
- Weiße Bordsteinmarkierungen der Parkfläche
- Verkehrszeichen 315 (gilt nur bei Gesamtgewicht bis zu 2,8 t)
Wo Gehwegparken erlaubt ist, entscheidet die Stadtverwaltung.
Autorin
Maren Otto unterstützt die fairkehr-Redaktion als Volontärin und schreibt begeistert über neue Entwicklungen im Bereich der nachhaltigen Mobilität. Sie arbeitet bei der fairkehr Agentur in Bonn.