Verkehr soll die Verkehrswende finanzieren - die Lkw-Maut neu ordnen

Um die Verkehrswende zu ermöglichen, muss auch die Finanzierung der Infrastruktur neu gedacht werden. Der VCD fordert, dass mit den Einnahmen aus der Lkw-Maut nicht nur der Erhalt der Straßen finanziert wird, sondern der Umweltverbund aus Bahn, Bus, Fahrrad und zu Fuß Gehen unterstützt wird.

| Soziale Aspekte der Verkehrswende

Damit mehr Menschen die Bahn nutzen und Güter über die Schiene transportiert werden, braucht es neben der Ausweitung des Angebots auch einen massiven Ausbau der Infrastruktur. Am Beispiel der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung in Deutschland zeigt sich, dass bisher der Fokus hauptsächlich auf dem Aus- und Neubau von Straßen liegt. Eine autogerechte Infrastruktur ist weder klima- und umweltgerecht, noch an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet– insbesondere derer, die kein Auto haben. Um die Verkehrswende umzusetzen, müssen wir auch die Strukturen ändern, wie wir die Verkehrsinfrastruktur finanzieren.

Ein Beispiel hierfür ist die Lkw-Maut. Diese wurde 2005 zunächst auf Autobahnen für Lkw ab 12 Tonnen als zusätzliche Säule der Straßeninfrastrukturfinanzierung eingeführt und am 1. Juni 2018 auf alle Bundestraßen (rund 40.000 km) sowie auf Lkw ab 7,5 Tonnen ausgeweitet.1 Damit fließen zusätzlich etwa zwei Milliarden Euro in die Straße2.

Der damalige Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer hatte die Regelung eingeführt, dass Einnahmen aus der Lkw-Maut nach dem Prinzip „Straße finanziert Straße“ ausschließlich für die Infrastrukturfinanzierung von Bundesautobahnen und Bundesstraßen eingesetzt werden.3 Länder und Kommunen erhalten anteilig Mittel aus der Lkw-Maut für die Bereiche, wo sie Baulastträger der Bundesstraßen sind. Diese dürfen sie nicht für die Schiene oder für Radwege verwenden.4 Die Einnahmen aus der Lkw-Maut werden nicht nur genutzt, um Autobahnen und Bundesstraßen zu erhalten, sondern auch neue zu bauen. Ökologische Kriterien für den Straßenneubau gibt es bisher kaum. Damit gibt es auch keine Überlegung, ob statt Straßenausbau nicht besser der Verkehr über andere Verkehrsmittel abgewickelt werden kann.

Herausforderungen der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung 

Im Vergleich zum Lkw muss die Bahn sich einem unfairen Wettbewerb stellen: Während die Höhe der der Lkw-Maut lange Zeit gesunken ist, sind die Trassenpreise (Maut für die Schienennutzung) gestiegen.5 Mittlerweile sind die Trassenpreise für den Schienengüterverkehr halbiert worden. Bisher ist das aber keine dauerhafte Regelung.

Wer im Rahmen der Verkehrsträgeraufteilung (modal split) erreichen will, dass beispielsweise die Schiene ihren Anteil bei den Fahrgästen und Gütertransporten verdoppelt, muss entsprechend in das Schienennetz investieren.

So richtig es ist, dass mit der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) III 2020 bis 2029 8,6 Milliarden Euro jährlich in die Sanierung des Bahnnetzes investiert wird, umso größer ist die Lücke beim notwendigen Neu- und Ausbau des Schienennetzes, um Engpässe zu beseitigen und genügend Ausweichstrecken zu haben – denn dafür werden die LuFV-Mittel nicht verwendet. Daher brauchen wir in der Schiene einen Hochlauf in den Mitteln für Neu- und Ausbau der Schiene (auf mindestens 3 Milliarden Euro jährlich6). Und selbst darin sind noch nicht die Kosten der Automatisierung und Digitalisierung der Bahn enthalten (Ausbau des europäischen Zugleitsystems ETCS, Digitalisierung des Bahnbetriebes insgesamt und automatische Kuppelungen). Dafür müssen wir die Gelder in die umweltfreundlichen Verkehrsträger wie Bahn und Fahrrad umschichten.

Finanzierung des öffentlichen Verkehrs in der Schweiz

Die Schweiz macht es vor. Mit ihren Einnahmen aus der dortigen Lkw-Maut, die dort Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) heißt und die höher ist als die in Deutschland, werden folgende Ziele verfolgt:

  • das Wachstum des Straßenschwerverkehrs zu begrenzen,
  • die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene zu fördern und
  • die Umwelt zu entlasten.

Die Einnahmen fließen zu einem Drittel an die Kantone und zu zwei Dritteln an den Schweizer Bund. Die Kantone verwenden ihren Anteil vorab zum Ausgleich der von ihnen getragenen ungedeckten Kosten des Straßenverkehrs. Das ist ähnlich wie in Deutschland. Der Anteil des Schweizer Bundes wird allerdings hauptsächlich zur Finanzierung von Großprojekten des öffentlichen Verkehrs wie den Anschluss ans europäische Hochgeschwindigkeitsnetz oder die Lärmsanierung der Eisenbahnen verwendet.7

Der öffentliche Verkehr wird in der Schweiz vom Bund gesamt kofinanziert. Für Orte ab 100 Einwohner*innen können Kantone und Bund diese Mittel beantragen.8

In Deutschland können Bundesländer mit den Regionalisierungsmitteln vom Bund Zugverbindungen finanzieren und über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) können sie sich vor allem Infrastrukturen für Bahnen aller Art vom Bund kofinanzieren lassen. Um die Rad- wie die Infrastruktur von Bussen, Rufbussen, Taxi, Car- und Ride-Sharing oder anderen Arten der Anbindung vor Ort auszubauen, greifen die jetzigen Regelungen für die Regionalisierungsmittel und das GVFG zu kurz. Zudem sind die Landes- oder Bundesseite nicht verpflichtend, die Kommunen bei Bus und Bahn zu unterstützen.

In der Schweiz wird zumindest die Anbindung auch mit dem Bus vom Bund kofinanziert. Wenn wir wollen, dass es auch im ländlichen Raum einen zuverlässigen öffentlichen Verkehr oder gar eine Mobilitätsgarantie gibt, die von früh morgens bis spät abends die Anbindung gewährleistet, müssen auch hier die Mittel für die Anbindung vor Ort erhöht und verstetigt werden.

Was passiert auf Ebene der EU?

Auf EU-Ebene wird die Novelle der Eurovignettenrichtlinie verhandelt, die Regelungen zur Maut enthält. Nach Vorschlag der Europäischen Kommission sollen künftig auch Lkw ab 3,5 Tonnen eine Maut zahlen. Zusätzlich soll es möglich sein, auch den CO2-Ausstoß bei der Mauthöhe zu berücksichtigen und stärker als bisher für schädliche Wirkungen die Aspekte Lärm, Luftverschmutzung und Stau anzusetzen.9

Wir begrüßen dies als einen Schritt in die richtige Richtung, weil damit die Kosten des Verkehrs nicht mehr auf die Allgemeinheit verlagert, sondern mehr von den Verursachenden getragen werden. Die aktuelle deutsche EU-Ratspräsidentschaft10 (zweites Halbjahr 2020) hat die Chance, im Rat einen entsprechenden Kompromiss zu vermitteln und das Gesetzgebungsverfahren mit dem Europäischen Parlament abzuschließen. Da trägt die Debatte zu einer EU-weiten Pkw-Maut, die Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer anstoßen will, nicht zu einer Lösung bei. Eher droht, dass die deutsche EU-Ratspräsidentschaft dieses Verfahren nicht abschließen kann, weil sich zu einigen schwieriger wird, wenn die mögliche Kompromisslinie im Rat erneut aufgeschnürt wird. Damit wird die auf den CO2-Austoß basierte Lkw- Maut auf die lange Bank geschoben und die nötige Reform im Sinn des Klimaschutzes vertagt.

Was will der VCD?

Das Ziel des VCD ist, dass mit den Einnahmen aus der Lkw-Maut nicht nur der Erhalt der Straßen finanziert, sondern der Umweltverbund aus Bahn, Bus, Fahrrad und zu Fuß Gehen unterstützt wird. Statt „Straße finanziert Straße“ heißt es dann: Verkehr finanziert die Verkehrswende. Dafür braucht es eine neuen gesetzlichen Gesamtrahmen, um den Bund dauerhaft in den Ausbau und Erhalt des Umweltverbundes einzubinden. Mindestens muss das GFVG so aufgestellt werden, dass damit Projekte des gesamten Umweltverbundes wie z.B. Radinfrastruktur u.ä. unterstützt werden können.


[1] Vgl. https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/StV/Strassenverkehr/lkw-maut.html

[2] s. Start auf allen Bundesstraßen: Das ändert sich bei der Lkw-Maut, in: Der Spiegel,  https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/lkw-maut-das-aendert-sich-a-1215444.html, 28.06.2018

[3] vgl. „Ramsauer hat denn auch die Parole der „internen Finanzierungskreisläufe“ ausgegeben: Straße finanziert Straße, Schiene finanziert Schiene“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, „Maut: Ungeliebter Wegezoll“, https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/maut-ungeliebter-wegezoll-1622079.html, 21.04.2011

[4] s. https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/StV/Strassenverkehr/lkw-maut.html

Handelsblatt, Millionen-Einnahmen aus Lkw-Maut für Kommunen, https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/verkehrspolitik-millionen-einnahmen-aus-lkw-maut-fuer-kommunen/24403878.html?ticket=ST-5261597-piYUAaVlj9xQ6O3ixsqE-ap2, 29.05.2020

[5] Preisentwicklung der Lkw- zur Schienenmaut/Trassenpreise
https://www.allianz-pro-schiene.de/wp-content/uploads/2018/06/180615-Lkw-Maut-u.-Trassenpreis.pdf

[6] s. VCD-Forderung für ein "Nachhaltiges Konjunkturprogramm für den Verkehrsbereich": https://www.vcd.org/themen/verkehrspolitik/nach-corona-neustart-in-die-gruene-mobilitaet

[7] Vgl. https://www.are.admin.ch/are/de/home/verkehr-und-infrastruktur/grundlagen-und-daten/leistungsabhaengige-schwerverkehrsabgabe--lsva-.html

[8] s. die konkreten Regelungen https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20091715/index.html#a6
weitere Informationen: https://www.bav.admin.ch/bav/de/home/das-bav/aufgaben-des-amtes/finanzierung/finanzierung-verkehr/personenverkehr/rpv-mit-erschliessungsfunktion.html

[9] vgl. https://www.bmu.de/themen/luft-laerm-verkehr/verkehr/strassenverkehr/lkw-maut, 11.01.2018

Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie1999/62/EG über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:52017PC0275, 31.05.2017

Stand des Rechtssetzungsverfahrens: https://eur-lex.europa.eu/procedure/DE/2017_114?qid=1582295339847&rid=1#2019-11-22_DIS_byCONSIL)

[10] Was ist der EU-Ratsvorsitz? https://www.eu2020.de/eu2020-de/praesidentschaft/was-ist-der-eu-ratsvorsitz/2335390

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