Mit Springseil, Straßenkreide und Bobbycar die Straße zurückerobern

Temporäre Spielstraßen

Eine Temporäre Spielstraße ist ein toller Weg, eure Nachbarschaft zeitweise in ein kleines (Spiel-)Paradies zu verwandeln. Freigewordene Flächen bieten vor allem den Kleinen Raum für Seilspringen, fantastische Seifenblasen, Fangen oder Verstecken spielen. Sie bieten aber auch Raum für „Erwachsenen-Kram“ wie Kaffee trinken, Yoga und Quatschen mit den Nachbar*innen. Gerade während einer Zeit in der die Regeln der Corona-Pandemie einen Großteil unseres Lebens bestimmen, braucht es mehr Platz, um das Leben genießen zu können.

| Straße zurückerobern

Eine Anleitung, wie Sie bei sich vor ort eine temporäre Spielstraße einrichten können. Zuerst erschienen auf der VCD-Plattform strasse-zurueckerobern.de 

Materialliste

  • Unterschriftenliste
  • unendlich viele Spielsachen (Seifenblasen, Bobby Cars, Springseile etc.)
  • ein paar Campingstühle
  • Kaffee und Kuchen

Schritt für Schritt

1. Mobilisieren in der Nachbarschaft

Wenn ihr bei euch vor Ort auch eine Temporäre Spielstraße einrichten wollt, gründet zuallererst eine Initiative oder hört euch um, ob sich schon jemand für diese Thematik einsetzt. Ganz sicher ist dort jede Wo*men-Power willkommen!

Seid ihr dann einmal dabei, ist es wichtig, dass sich euch so viele „Mittäter*innen“ wie möglich anschließen. Vor allem, weil es vor Ort verschiedene Verantwortlichkeiten zu übernehmen gibt. So verlangen die Auflagen der Behörden z. B. oft, dass sich mindestens zwei Personen vor Ort befinden, die die Aufsichtsfunktion übernehmen. Auch andere Aufgaben sollten übernommen werden wie das Aufstellen von Absperrungen, der Abbau oder die Entsorgung von eventuell anfallendem Müll. Aber vor allem ist es schön diese Zeit zu nutzen, um neue Menschen aus der Nachbarschaft kennenzulernen und einen Tag nach eurem Belieben mitten auf der Straße zu gestalten. Mobilisiert also eure Nachbarschaft für eure temporäre Spielstraße und verbreitet eure Begeisterung.

2. Standort wählen

Bevor ihr damit richtig loslegen könnt, ist es wichtig zu überlegen, welche Straße sich bei euch in der Nachbarschaft für eine Spielstraße besonders eignen würde. So ist die Idee, eine temporäre Spielstraße bei euch einzurichten natürlich wunderbar, allerdings gibt es auch gewisse Vorgaben, die die Standortauswahl eingrenzen. Setzt euch also mal zusammen und lasst diese Faktoren in eure Auswahl miteinfließen:

Am besten eignen sich für temporäre Spielstraßen nur wenig befahrene Nebenstraßen, auf denen kein öffentlicher Nahverkehr unterwegs ist und sich keine wichtigen Zufahrten wie Tiefgaragen, Parkanlagen oder Gewerbehöfe befinden. Es ist auch wichtig zu beachten, dass anliegende Straßen auch während der Sperrung weiterhin funktionieren sollten. Das kann aber z. B. auch dadurch gewährleistet werden, dass ihr einen temporären Wendehammer einrichtet. Besonders wenn es in der Gegend an öffentlichen Spielflächen mangelt, könnt ihr in eurer Nachbarschaft mit einer temporären Spielstraße dafür sorgen, Platz zum Spielen zu schaffen. Behaltet auch im Kopf, dass der Raum zwischen den Absperrungen gut zu überblicken sein muss. Ordner*innen vor Ort sorgen dafür, dass auch zu Zeiten der Spielstraße Möglichkeiten zur Anlieferung und die Zufahrt für Menschen mit eingeschränkter Mobilität gewährleistet ist. Am allerwichtigsten ist aber, dass ihr vor Ort die Zustimmung der Anwohner*innen habt und sie für eure Idee gewinnt.

3. Was denken bloß die Nachbar*innen? Macht eine Befragung!

Besonders bei der Einrichtung einer temporären Spielstraße zählt, dass ihr andere Anwohner*innen von eurer Idee begeistert, sodass diese die Umsetzung unterstützen. Deshalb ist Klinken putzen angesagt! Hört sich erstmal nicht schön an, bewirkt aber viel! Teilt eure Idee so vielen Menschen aus der Nachbarschaft wie nur möglich mit und überzeugt sie davon, was eine Spielstraße in der Nachbarschaft bewirken kann – Kinder können draußen wieder Ball­spielen, Rollschuh fahren oder mit Straßenkreide malen. Mit Klappstuhl, Kaffe und Kuchen könnt ihr mal mit Nachbar*innen ins Gespräch zu kommen. So wird die Straße wieder zum Aufenthalts- und Begegnungsort für Menschen.

Um den Anklang bei den Anwohner*innen, auch für die Verwaltung festzuhalten und eure Unterstützer*innen sichtbar zu machen, könnt ihr z.B. eine Befragung durchführen oder Unterschriften sammeln. Verteilt dafür zuerst Informationen über euer Vorhaben, begeistert mit tollen Beispielen (verlinken auf Initiativen), bereitet euch auf Gegenargumente vor und geht dann von Tür zu Tür, um euch die Unterschriften abzuholen. Nur so wird deutlich, wie viele Leute hinter der Aktion stehen. Falls ihr die mögliche Veränderung erstmal in kleinen Schritten erlebbar machen wollt, um noch mehr Menschen zu überzeugen, könnt ihr auch erstmal „üben“ und für einen Tag eine Versammlung in einer potentiellen (Spiel-)Straße anmelden. Ladet Anwohner*innen dazu ein, ihre temporäre Spielstraße vor der Tür zu erleben! Dazu findet ihr weitere Informationen unter Tipps.

4. Jetzt geht’s zur Verwaltung

Wenn die Vorbereitungen durch sind, wird es ernst  Ihr könnt jetzt zur Verwaltung gehen und euren Antrag einreichen. Der Antrag kann ein formloses Schreiben sein, das folgende Punkte beinhaltet:

  • Angaben zu Straßenabschnitt und Zeitintervall
  • Begründung des Antrags
  • Warum eignet sich der gewählte Straßenabschnitt besonders
  • Auflistung aller beteiligten Personen
  • Kontaktdaten der Ansprechpartner*innen
  • Unterschriftenliste der Anwohner*innen

Die Herangehensweisen unterscheiden sich bisweilen von Ort zu Ort. In ein paar Städten gab es schon sichtbare Erfolge! So gibt es in Bremen temporäre Spielstraßen mittlerweile seit 2011, in Frankfurt am Main wurden 2008 die ersten temporären Spielstraßen eingerichtet. Dort haben sie es derweil aufgrund fehlender Förderungen jedoch nicht einfach. In Berlin erfreuen sich die temporären Spielstraßen besonders seit Corona großer Beliebtheit.

5. Gestaltet eure Spielstraße!

Eine Spielstraße bietet nicht nur Raum für Kinder, sondern kann auch für Erwachsene zum Highlight der Woche werden. Wie wäre es, wenn ihr vielleicht zur Feier des Tages noch ein kleines Rahmenprogramm gestaltet? Schon kleine Ideen machen dabei viel her. Ein bisschen Kaffee, Kuchen oder Sitzgelegenheiten wie Campingstühle laden zum Verweilen ein. Mit bereitgestellten Spielzeugen wie Bällen, Seifenblasen, Springseilen oder Straßenkreide können sich Kinder zeitweilig die Straße zurückerobern. Ladet alle Anwohner*innen per Flyer oder Aushang zum großen Nachbarschaftstreffen ein und schon kann es losgehen!

Rechtliche Fragen

Die verkehrliche Anordnung der Spielstraße geschieht meist nach Prüfung der Voraussetzungen durch das vor Ort zuständige Amt. Für einen gewissen Zeitrahmen (z. B. 1. Mittwoch des Monats, 15 – 18 Uhr), der durch ein Ergänzungsschild angegeben wird, gelten dann die Verkehrszeichen 250 (Verbot für Fahrzeuge aller Art) mit Verwendung des Zusatzzeichens 1010-10 (Spielende Kinder). Zusätzlich dazu muss der Straßenabschnitt durch das Verkehrszeichen 600 (Absperrschranke) gesperrt.

Bedingung, dass die temporäre Spielstraße überhaupt genehmigt wird, ist oft, dass die  Aufsichtsfunktion während der Spielzeiten gewährleistet werden kann. Zwei bis vier Ordner*innen stellen dann die Absperrungen auf, bauen sie wieder ab und entsorgen eventuell angefallenen Müll. Außerdem ermöglichen sie die Anlieferungen, sowie die Zufahrt für Menschen mit eingeschränkter Mobilität.

Beachte bitte, dass wir hier keine Rechtsberatung anbieten. Unsere Hinweise sollen lediglich Orientierung geben. Du solltest bei speziellen, individuellen Fragen einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin konsultieren.

Tipps & Tricks

Tipp 1: STANDORT
Damit euch auch beim Spielen im Sommer der Asphalt nicht unter den Füßen wegschmilzt, eignet sich besonders eine Straße, die im schützenden Schatten einiger Bäume gelegen ist.

Tipp 2: PROBIERT EUCH AUS!
Wenn ihr euch nicht sicher seid, ob ihr z. B. den richtigen Standort gewählt habt, probiert eure Spielstraße doch einfach mal aus! Ihr könnt z.B. ganz einfach bei den entsprechenden Behörden bei euch vor Ort mindestens 48 Stunden im Voraus eine Versammlung anmelden. Die Polizei wird die Straßen dann für euch sichern und ihr könnt für ein paar Stunden eure Spielstraße austesten. Wichtig dabei ist, dass hinter eurer Veranstaltung eine politische Forderung steht und ihr sie somit als Demonstration rechtfertigen könnt.

Tipp 3: UNTERSTÜTZUNG VOM VCD IN DEINER NÄHE
Frag auch gerne beim VCD in deiner Stadt nach Unterstützung. Wenn eine gemeinnützige Organisation wie der VCD als Veranstalter auftritt, kann dieser außerdem in manchen Fällen von Teilen der Gebühren befreit werden, die bei der Beantragung der Straßensperrung anfallen.

Tipp 4: SCHLIEßT EUCH AN!
Schaut euch bei euch in der Nähe um, ob es schon irgendwo temporäre Spielstraßen gibt. Hier wird oft noch Unterstützung benötigt, um alles am Laufen zu halten. In Berlin werden derzeit z. B. "Kiezlots*innen" gesucht, die die Betreuung der Spielstraße für ein paar Stunden in der Woche übernehmen. Wenn ihr Interesse habt, meldet euch gerne unter info@spielstrassen.de.

Kyra Hertel

...ist Trainee im VCD-Projekt “Straßen für Menschen”
kyra.hertel@vcd.org

zurück

Cookie-Einstellungen ändern