Kirsten Lühmann (SPD) im Interview

„Verkehrspolitik muss umfassend und mit langem Atem gestaltet werden“

Im Vorfeld der Bundestagswahl haben wir Expert*innen der fünf großen Parteien zum Thema Verkehrspolitik befragt: Wie sieht für sie die Mobilität der Zukunft aus? Was würden sie tun, wenn sie Verkehrsminister*in wären? Und wie stehen sie zum Bundesmobilitätsgesetz? Heute im Kurzinterview: Kirsten Lühmann von der SPD

| VCD Kernforderungen für die Verkehrswende Bundestagswahl 2021

Wenn Sie Verkehrsministerin wären – was bringen Sie direkt an Ihrem ersten Arbeitstag auf den Weg?

Kirsten Lühmann: Wir müssen in der Verkehrspolitik Klimaschutz, Sicherheit und Nachhaltigkeit viel stärker zusammendenken als bislang. Prominent für genau diese Verbindung steht Tempo 130 auf Autobahnen – es wird massiv CO2 eingespart, viele Tote und Schwerverletzte weniger im Jahr wären zu beklagen und der Verkehrsfluss und damit die Effizienz würde deutlich besser werden. Deshalb würde ich hier am ersten Tag den Prozess mit den Bundesländern anschieben, damit wir hier schnell den deutschen Sonderweg beenden können.

Und wenn wir auf die ersten 100 Tage einer neuen Regierung schauen: Der VCD fordert unter anderem eine nationale Fußverkehrsstrategie, eine europaweite Kerosinbesteuerung und eine umlagefinanzierte ÖPNV-Abgabe zu Gunsten von Infrastrukturen und Mobilitätsangeboten in den Kommunen. Welche drei Maßnahmen sind Ihrer Meinung nach verkehrspolitisch die wichtigsten?

Kirsten Lühmann: Verkehrspolitik muss umfassend und mit langem Atem gestaltet werden. Viele Entwicklungen können zwar in kurzer Zeit angeschoben werden, bis sie aber tatsächlich Wirkung entfalten, vergehen teilweise Jahre. Es geht nicht darum, was nach 20, 50 oder 100 Tagen passiert ist, sondern welcher konkrete Plan verfolgt wird.

Wir werden deshalb einen Mobilitätsplan 2030 auf den Weg bringen, der den öffentlichen Personennahverkehr und den Schienenverkehr auf ein neues Niveau bringt. Dazu gehören Austauschprogramme für Busse und Bahnen zur klimaschonenden Modernisierung der Flotte. Wir werden neue Finanzierungsmöglichkeiten für den ÖPNV erschließen. Denkbar ist dabei zum Beispiel die Abkehr von geschlossenen Finanzierungskreisläufen der einzelnen Verkehrsträger oder die Schaffung einer zweiten Säule der Regionalisierungsmittel.

Im Zentrum unserer Strategie für die Mobilitätswende steht die Stärkung des Schienenverkehrs. Wir wollen rasch einen Deutschlandtakt umsetzen und einen Europatakt aufbauen. Dazu werden wir in den Aus- und Neubau des Schienennetzes, in den Lärmschutz und den Ausbau und die Attraktivitätssteigerung von Bahnhöfen investieren.

Ein wichtiger Baustein für klimaneutralen Verkehr ist außerdem die Stärkung der elektrischen Antriebe. Die deutsche Automobilindustrie und die dazugehörigen Zulieferer müssen sich darauf einstellen, um weiterhin leitend zu bleiben. 2030 sollen mindestens 15 Millionen Pkw in Deutschland voll elektrisch fahren.

Was halten Sie vom Bundesmobilitätsgesetz, das der VCD vorgeschlagen hat? Warum setzen Sie sich dafür ein bzw. warum nicht?

Kirsten Lühmann: Die Verkehrspolitik ist im Kern noch immer auf das Auto fokussiert. Dabei sollten die entsprechenden Gesetze ganz selbstverständlich die Bedürfnisse und vor allem die Sicherheit von allen Verkehrsteilnehmenden in den Blick nehmen und nicht nur von einigen wenigen. In den vergangenen Jahren haben wir im Umgang mit dem Bundesverkehrsministerium gemerkt, wie viel Überzeugungsarbeit hier noch zu leisten ist. Viele bestehende Rechtsrahmen werden in ihrer Absolutheit als in Stein gemeißelt angesehen. Ich teile die im Konzept des VCD skizzierten Ziele wie Klima- und Umweltschutz, „Vision Zero“ und sichere und bezahlbare Mobilität für alle Menschen. Das vorgeschlagene Bundesmobilitätsgesetz kann dabei eine gute Möglichkeit sein, ein umfassendes neues Verständnis von Verkehrspolitik zu erreichen.

Stichwort Generationengerechtigkeit beim Thema Klima: Wenn Sie Ihre Verkehrspolitik umsetzen können, was werden Menschen im Jahr 2050 sagen, wenn sie über unser Jahrzehnt sprechen?

Kirsten Lühmann: Prognosen über so lange Zeit sind immer sehr gewagt. Aber ich hoffe, dass man unsere Zeit als die des Umbruchs und der Modernisierung sehen wird. Als die Zeit, in der die Mobilitätswende Fahrt aufgenommen hat und der technische Fortschritt für eine klimafreundliche und faire Mobilität für alle genutzt wurde. Ich hoffe auch, dass es als Beginn eines neuen Zeitalters der Bahn, des öffentlichen Verkehrs und auch des Fahrrads gesehen wird. Denn nur so wird es uns gelingen, unsere Klimaschutzziele einzuhalten.

Sind Sie schon klimafreundlich unterwegs, fahren Sie Dienstrad oder -wagen? Voran hapert es?

Kirsten Lühmann: Ich nutze in Berlin ganzjährig das Fahrrad, selten den ÖPNV und auf Entfernungsstrecken innerhalb Deutschlands immer die Bahn. Im Wahlkreis ist das nicht immer möglich. Da bin ich bei Terminen abseits der Bahnstrecken auf meinen Pkw angewiesen, den ich aber oft mit Erdgas betanke.

Wie beschreiben Sie die Mobilität der Zukunft? In drei Worten!

Kirsten Lühmann: bezahlbar - klimafreundlich - sicher

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