E10-Benzin

Mehr Bio im Benzin?

»Mehr Bio im Benzin«: so wirbt das Bundesumweltministerium für den Kraftstoff E10. Der sogenannte »Biokraftstoff« oder »Biosprit« hat einen höheren Anteil Ethanol, welches  aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen wird. Ziel soll ein klimafreundlicherer Verkehr sein.

Doch so chaotisch die Informationspolitik von Politik, Automobilkonzernen und Ölindustrie lief, so gering ist auch die Akzeptanz bei den Verbrauchern: Der Griff zur E10-Zapfsäule bleibt weitestgehend aus. Es stellen sich eine Menge Fragen, z.B. »Was ist E10 überhaupt? Wie klimafreundlich ist es wirklich? Welche Autos vertragen E10?«

Was ist E10 überhaupt?

Das »E« steht für Ethanol. Die Zahl »10« gibt den Anteil des Ethanols an, der dem aus Erdöl gewonnenen Benzin beigemischt wird. Bisher war eine Beimischung von bis zu fünf Prozent Ethanol erlaubt (E5). Nun soll der Anteil auf maximal zehn Prozent steigen.

Da nicht alle Pkw den neuen Agrosprit vertragen, musste EU-weit bis 2013 parallel dazu E5 angeboten werden. Die deutsche Regelung geht weiter. Doch auch über 2013 hinaus soll es in Deutschland E5 geben. Doch die Bundesregierung hat sich bei dieser Vereinbarung von der Ölindustrie über den Tisch ziehen lassen. Nach aktuellen Informationen, wird es auf lange Sicht zwar weiterhin E5-Sprit geben, allerdings nur die sehr teure Super-Plus-Variante.

Ändert sich durch E10 der Verbrauch?

Ethanol und Benzin haben eine unterschiedliche Dichte und einen unterschiedlichen Heizwert. Gerechnet auf einen Liter hat reines Ethanol nur 65,6 Prozent des Heizwertes von Benzin. Also steigt zwangsläufig der Verbrauch, wenn zum herkömmlichen Benzin Ethanol beigemischt wird. Bei einer Beimischung von 10 Prozent erhöht sich der Verbrauch um ca. 3,4 Prozent gegenüber ethanolfreiem Benzin. Weil seit Jahren nur E5-Sprit verkauft wird, erhöht sich der Verbrauch real aber nur um 1,7 Prozent. Somit verbraucht ein Auto, das bisher 6 Liter pro 100 km verbraucht hat, zukünftig 0,1 Liter mehr pro 100 km.

Weshalb ist E10 günstiger als E5?

E10 wird an deutschen Zapfsäulen günstiger angeboten als das in der Produktion etwas billigere E5. Das hat folgenden Grund: Im Laufe des Jahres 2011 müssen 6,25 Prozent des in Deutschland verkauften Sprits Agrokraftstoffe sein - ansonsten drohen den Unternehmen Strafzahlungen. Die Tankstellenkonzerne haben also ein Interesse daran, möglichst viel E10 zu verkaufen. Das funktioniert nur, wenn es entweder billiger ist oder deshalb getankt wird, weil die Autofahrer von einer positiven Umweltwirkung des E10-Benzins überzeugt sind.

Was kostet E5 und E10 die Autofahrer?

Wirklich nachhaltig erzeugtes Ethanol ist etwas teurer als Agrosprit aus großen Monokulturen. Aber nur nachhaltig erzeugter Sprit aus Biomasse ist vertretbar. Eine genaue Abschätzung der Mehrkosten lässt sich zurzeit noch nicht vornehmen.
Heutiges Bioethanol hat eine zweifelhafte Ökobilanz. Bei dem Marktpreis für beimischungsfähiges Ethanol im Januar 2010 müsste der Preis für E10 rechnerisch um einen Cent teuer sein als für Benzin ohne Ethanol und 0,5 Cent teuer als für das bisher getankte E5. Dazu kommt der höhere Kraftstoffverbrauch von E10, der bei einem bisherigen Verbrauch von 6 Litern Mehrkosten in Höhe von ca. 15 Cent pro 100 Kilometer bedeutet. In der Summe entstehen also nachvollziehbare Mehrkosten von nicht einmal 20 Cent pro 100 km. Die Mineralölkonzerne werden aber voraussichtlich vor allem von Autofahrern, die weiter E5 tanken, deutlich mehr kassieren.

Sollte ich E10 tanken?

Etwa 90 Prozent der in Deutschland zugelassenen Benzin-Pkw vertragen den Agrokraftstoff E10. Eine Liste aller für die Verwendung von E10 geeigneten Fahrzeuge hat die Deutsche Automobil Treuhand GmbH im Internet zum Download bereit gestellt. Probleme können vor allem bei mehr als zehn Jahre alten Pkw auftreten sowie bei der ersten Generation, der mit Benzindirekteinspritzer ausgestatteten Autos. Im Zweifelsfall gilt: Beim Hersteller, Händler oder der Vertragswerkstatt nachfragen!

Dass ein Auto nur durch das Tanken von E10 direkt liegen bleibt, ist äußerst unwahrscheinlich. Es wird jedoch gewarnt, dass auch die einmalige Befüllung zu erhöhtem Verschleiß und zur Zerstörung von Bauteilen führen kann. Insbesondere Kunststoffe und Gummiteile - etwa bei Dichtungen, Ventilen, Schläuchen und Leitungen - können so angegriffen werden, außerdem kann das Ethanol zu Korrosion an Aluminiumteilen in der Einspritzpumpe führen. Wurden nur wenige Liter getankt, dann kann der Ethanolgehalt sofort durch Nachtanken von E5-Kraftstoff gesenkt werden.

Der VCD empfiehlt, sich beim Tanken an den Angaben der DAT und der Hersteller zu orientieren: Ist ihr Wagen als E10-tauglich gekennzeichnet, sollte auch zum neuen Agrosprit gegriffen werden. Denn die Verantwortung, für ökologisch und sozial nachhaltig produziertes Ethanol zu sorgen, liegt bei der Politik und der Industrie. Sie kann nicht auf den Verbraucher abgewälzt werden.

Ist E10 wirklich klimafreundlich?

Hinter der Pflicht zur Markteinführung von E10 steckt das Ziel der EU, Europas Abhängigkeit von importierten fossilen Brennstoffen zu verringern und gleichzeitig das Klima zu schonen. Die Grundidee klingt plausibel: Da Ethanol aus nachwachsenden Rohstoffen wie Getreide, Mais oder Zuckerrüben gewonnen wird, geben Pflanzen bei ihrer Verbrennung nur das zuvor aufgenommene CO2 wieder ab - ein für sich genommen CO2-neutraler Vorgang. Und doch ist E10 nicht per se umweltfreundlich. Die Bezeichnung »Biosprit« ist daher sogar irreführend.

Diese Rechnung geht nur dann auf, wenn für den Anbau der Energiepflanzen keine sensiblen Bereiche wie Wälder und andere natürlichen Ökosysteme in zusätzliches Ackerland verwandelt werden. Dieser ökologisch gefährliche Verdrängungsprozess ist in der Realität häufig zu beobachten.

Die damit verbundenen negativen Klimaeffekte belegt eine Studie des »Institute for European Environmental Policy« (IEEP) im Auftrag eines breiten Bündnisses von europäischen Umwelt- und Entwicklungsorganisationen (darunter der europäische Dachverband des VCD Transport & Environment). Sie bilanziert bei Agrokraftstoffen unter dem Strich eine schlechtere Klimabilanz als bei konventionellem Treibstoff. Unter Einbeziehung aller Komponenten wären Agrokraftstoffe um 81 bis 167 Prozent klimaschädlicher als der herkömmliche fossile Sprit. Ihr Anbau zerstört indirekt Lebensräume, konkurriert mit der weltweiten Nahrungsmittelproduktion und verschlingt massenhaft Dünger. Deswegen fordert der VCD ein sofortiges Umdenken bei der Bewertung von Agrokraftstoffen, die aus Energiepflanzen stammen. Es ist dringend notwendig, ein weltweit nachvollziehbares Zertifizierungsverfahren für Agrosprit zu installieren, das auch die klimaschädlichen Folgen indirekter Landnutzungsänderungen mit einbezieht.

Was brachte der »Benzingipfel«?

An der Einführung von E10 wird auch nach dem »Benzingipfel« festgehalten ? der unklaren Klimabilanz, des mangelnden Absatzes und Zweifeln an der Verträglichkeit zum Trotz. Die einzigen Neuerungen sind mehr als dürftig: An allen Tankstellen sollen in Zukunft rechtsverbindliche Listen ausliegen, die über die Verträglichkeit der Modelle Auskunft geben. Sollte ein Pkw den Agrokraftstoff trotzdem nicht vertragen, wollen die deutschen Autohersteller dafür haften. Dies hatten sie Ende März in einer gemeinsamen, über den Verband der Automobilindustrie verbreiteten Erklärung garantiert. Außerdem sollen Werkstätten zur besseren Information verpflichtet werden. Die ebenfalls diskutierten Möglichkeiten eines E10-Moratoriums sowie eines Anschreiben an alle Autofahrer durch das Kraftfahrtbundesamt wurden abgelehnt.

Die mutlosen Ergebnisse des Gipfels kamen indes kaum überraschend. So hatten auf diesem lediglich Politik, Mineralöl-, Biomasse- und Automobillobby diskutiert. Umweltwissenschaftler, internationale Agrarexperten und Umweltverbände wie der VCD, aber auch der BUND, die DUH oder der NABU blieben außen vor. Die wirklich wichtigen Fragen zur ökologischen und sozialen Verträglichkeit von Ethanolbeimischungen wurden daher offensichtlich nicht gestellt.

Michael Müller-Görnert

Verkehrspolitischer Sprecher
Fon 030/28 03 51-19
michael.mueller-goernert@vcd.org

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