In Deutschland ist das Auto das am höchsten subventionierteste Verkehrsmittel.

Subventionen im Verkehr: Förderziel Ungerechtigkeit

Welche Verkehrsträger der Staat subventioniert, ist eine Frage der Gerechtigkeit. Debatten um staatliche Zuwendungen kranken aber oft an fehlender Kostenwahrheit.

Zur Europäischen Mobilitätswoche im September ließ eine Pressemeldung des Statistischen Bundesamtes aufhorchen: Die Preise für Anschaffung und Unterhalt eines Autos seien seit dem Jahr 2000 um 36 Prozent gestiegen. Die Preise für den öffentlichen Personennahverkehr im gleichen Zeitraum aber um 79 Prozent. Es ist offensichtlich: Als Gesellschaft setzen wir im Bereich der Mobilität die falschen Prioritäten.

Denn eine Verkehrswende, die den Bürger*innen eine attraktive und ökologisch nachhaltige Mobilität bietet, ist mit dieser Preisentwicklung kaum zu machen. In einer ADAC-Umfrage nannten 73 Prozent der Befragten, die den ÖPNV nie oder nur selten nutzen, die hohen Preise als das höchste Hindernis. Zum Vergleich: Nur 41 Prozent sagten, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit seien das größte Problem.

Die ökologische Frage ist zugleich eine der Gerechtigkeit: Gerade junge, alte und sozial benachteiligte Menschen nutzen das öffentliche Angebot – also die gesellschaftlichen Gruppen, die am wenigsten Geld zur Verfügung haben. Und für alle ÖV-Fahrgäste gilt: Der gesellschaftliche Beitrag, den sie durch die Nutzung ökologisch verträglicher Verkehrsmittel leisten, wird nicht honoriert, sondern bestraft. „Je klimaschädlicher ein Verkehrsmittel ist, desto teurer muss dessen Nutzung sein“, fordert Philipp Kosok, Referent für Verkehrspolitik und ÖPNV des VCD. „Und je klimaschonender sich Menschen fortbewegen, desto günstiger sollten sie dies tun können.“

System auf dem Prüfstand

Die Realität sieht anders aus: Die Teuerungsrate bei den Autos entspricht ziemlich genau der Steigerung der Bruttolöhne seit der Jahrtausendwende. Das heißt: Für die*den Durchschnittsverdiener*in ist das Auto heute genauso teuer wie vor zwanzig Jahren. Für ÖV-Nutzer*innen gilt das nicht. Sie müssen einen größeren Teil ihres Budgets für Mobilität ausgeben als früher. Die öffentliche Hand kommt dem Anspruch, für sozial gerechte Tarife zu sorgen, nicht nach.

Die Gründe für den eklatanten Unterschied in der Preisentwicklung sind vielfältig. Wo schafft der Gesetzgeber Anreize und wie viel Steuergeld fließt in welche Form der Mobilität?

Beispiel Kraftstoff: Diesel wird mit gut 18 Cent pro Liter weniger besteuert als Benzin. Zwar sind Diesel-Pkw bei der KfZ-Versicherung teurer, aber je mehr Kilometer der Wagen zurücklegt, umso mehr lohnt er sich im Vergleich zum Benziner. Das heißt: Der Staat belohnt mit der günstigeren Besteuerung Vielfahrer*innen wie Pendler*innen und Dienstwagenbesitzer*innen mit Tankkarte und hält sie davon ab, umweltfreundlichere Mobilitätsangebote zu wählen. Im Grunde ist das Dieselprivileg eine Subvention der deutschen Autoindustrie, die in diesem Marktsegment besonders stark ist.

Laut der Präsidentin des Umweltbundesamtes kostet das Steuerprivileg den Staat bei den Pkw jährlich dreieinhalb Milliarden Euro. Selbst wenn man die Mehreinnahmen bei der Kfz-Steuer abziehe, blieben noch rund eineinhalb Milliarden, die in der Staatskasse fehlten, so Maria Krautzberger. Dieses Geld könnte man in den Umweltverbund investieren.

Die Politik steht vor der Aufgabe, das ganze System umweltschädlicher Subventionen auf den Prüfstand zu stellen und den Bürger*innen attraktive Angebote für ein nachhaltiges Mobilitätsverhalten zu machen. Eine Herausforderung, die Weitsicht und politische Klugheit erfordert, damit die Öffentlichkeit eine Umschichtung der Subventionen nicht einfach als Steuererhöhung wahrnimmt.

Gekommen, um zu bleiben

Mit Subventionen ist es wie mit Steuern. Einmal eingeführt, verschwinden sie so schnell nicht wieder. Das Dieselprivileg wurde bereits in den 1950er Jahren eingeführt, um Nutzfahrzeugen und Lkw der heimischen Autoindustrie einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.

Die von Helmut Kohl geführten Regierungen bauten den Steuervorteil zwischen 1986 und 1999 aus. In einer Richtlinie des Europäischen Rates zur Energiebesteuerung von 2003 hieß es, die Mitgliedstaaten müssten „gegebenenfalls zwischen gewerblich und nicht gewerblich genutztem Dieselkraftstoff differenzieren können“. Doch eine solche Unterscheidung hat der deutsche Gesetzgeber nie gemacht. Mit der Folge, dass der Markt für private Diesel-Pkw explodierte – auch angeheizt durch eine weitere Subvention, das Dienstwagenprivileg. Denn für Unternehmen lohnt sich die Anschaffung von umweltschädlichen Dieselfahrzeugen, die dann den Gebrauchtwagenmarkt überschwemmen.

Eine weitere umweltschädliche Sub­vention hält sich seit Jahrzehnten, obwohl sie mit der heutigen Weltlage nichts mehr zu tun hat: die Steuerbefreiung des Kerosins. Diese geht auf eine internationale Vereinbarung von 1944 zurück. In der Präambel des sogenannten Chicagoer Abkommens formulierten die teilnehmenden Staaten damals die Hoffnung, „dass die künftige Entwicklung der internationalen Zivilluftfahrt in hohem Maße dazu beitragen kann, Freundschaft und Verständnis zwischen den Staaten und Völkern der Welt zu schaffen und zu erhalten“. Mitten im Zweiten Weltkrieg hoffte man, dass die Flugzeuge in Zukunft Geschäftsreisende und Tourist*innen statt Bomben transportieren würden. Die Bundesrepublik trat dem Abkommen 1956 bei.

Ob es sich nur um blumige Rhetorik oder eine aufrichtige Hoffnung handelte, ist nicht entscheidend. Aus heutiger Sicht ist wichtiger: Vom Klimawandel war damals noch keine Rede, und Billigflüge zum Taschengeldpreis waren auch nicht denkbar. Die Problemlagen haben sich fundamental verändert, die Subvention blieb.

Über siebzig Jahre später erscheint den Marktakteur*innen die künstliche Verbilligung von Flugtickets wie eine natürliche Rahmenbedingung des Flugverkehrs. Ein Großteil der Bevölkerung hat längst erkannt, dass die Subvention der Jets nicht mehr zeitgemäß ist. Bei einer vom VCD gemeinsam mit dem Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft in Auftrag gegebenen Umfrage gaben 78 Prozent der Befragten an, die Steuerbefreiung von Kerosin sei falsch. Eine nationale Besteuerung des Flugbenzins, wie sie die Niederlande eingeführt haben, ist in Deutschland aber derzeit nicht in Sicht.

Zurück zu unserem Ausgangsbeispiel: Auch der ÖPNV ist subventioniert. Allerdings liegt der mittlere Kostendeckungsgrad laut dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen bei respektablen 76 Prozent – zumal der ÖPNV keine bis ins Letzte durchrationalisierbare Dienstleistung, sondern Teil der Daseinsvorsorge der öffentlichen Hand ist.

Dazu kommt: Berechnungen zum Kostendeckungsgrad sind nur eine Seite der Medaille. Denn im Vergleich der Verkehrsträger werden versteckte und externe Kosten nicht mitgerechnet. Gerade der Autoverkehr verursacht eine ganze Reihe verborgener Kosten für die Kommunen. Die höchsten Ausgaben entfallen dabei auf den Unterhalt und den Bau von Parkplätzen sowie auf Straßenreinigung, Straßenbeleuchtung und Straßenentwässerung. Eine vom VCD durchgeführte Analyse kommunaler Haushaltspläne ergab bereits 2005, dass je nach Kommune nur 15 bis 45 Prozent dieser Ausgaben durch Einnahmen gedeckt sind. Für den Autoverkehr zahlen Kommunen also kräftig drauf.

Kostenwahrheit muss her

Diese Ergebnisse haben Verkehrswissenschaftler der Universität Kassel mit Nachdruck bestätigt. Sie entwickelten ein Rechenmodell, das die Kosten unterschiedlicher Verkehrs­träger abbildet. Dabei preisen sie nicht nur die Aufwendungen für Bau und Unterhalt ein, wie sie in kommunalen Haushalten auftauchen, sondern auch die Kosten für externe Effekte wie Luftverschmutzung, Klimaschäden, Unfälle und Lärm.

Das Modell stellen die Wissenschaftler kommunalen Verkehrsplaner*innen zur Verfügung: „Wir geben den Entscheidern in der Politik das Instrument an die Hand, sich faktenbasiert für oder gegen ein Projekt zu entscheiden“, so der Leiter des Forschungsprojekts Prof. Carsten Sommer gegenüber dem Magazin „Internationales Verkehrswesen“. „Nach unseren Ergebnissen, die wir am Beispiel der Städte Bremen, Kassel und Kiel ermittelt haben, ist die Kostendeckung des Pkw-Verkehrs für Kommunen deutlich geringer als die des ÖPNV.“

Für Klimagerechtigkeit sorgen

Die Kasseler Studie macht deutlich: Während in der Diskussion um die Finanzierung des ÖPNV die finanzielle Belastung für die Kommunen betont wird, werden versteckte und externe Kosten für den Autoverkehr stillschweigend vergemeinschaftet. Dasselbe gilt für den Flugverkehr. Dessen Klimaeffekte betreffen die ganze Menschheit. Aber global gesehen nutzt nur eine kleine, reiche Minderheit diesen Verkehrsträger regelmäßig. Die dringend nötige ganzheitliche ökonomische Betrachtung der Mobilität kommt aber oft nicht zustande, weil entweder der politische Wille fehlt oder keine ausreichende Datenbasis vorhanden ist.

Der Gesetzgeber begnügt sich mit kleinsten Schritten: Anfang November beschloss der Bundestag, Jobtickets und Dienstfahrräder künftig nicht mehr zu besteuern. Gleichzeitig soll die Bereitstellung eines Betriebsfahrrads steuerfrei gestellt und Elektroautos und Hy­bridfahrzeuge bei der Dienstwagen-Besteuerung begünstigt werden.

Die dringend notwendige Reform des umweltschädlichen Subventionssystems ist aber nicht in Sicht. Philipp Kosok, VCD-Referent für Verkehrspolitik: „Wir brauchen eine ökologische Steuerreform, die Kostengerechtigkeit im Verkehr herstellt. Schluss mit Dieselsteuer-Rabatten, Dienstwagenprivilegien und steuerfreiem Flugzeugtreibstoff. Abgaben müssen sich in Zukunft am CO2-Ausstoß pro zurückgelegtem Kilometer ausrichten.“ Das ist nicht nur ökologisch notwendig, sondern auch sozial gerecht. Denn wer mehr Geld hat, hat im Schnitt auch einen größeren CO2-Fuß­abdruck.

Tim Albrecht

schreibt seit 2018 für das fairkehr-Magazin über Mobilitäts- und Umweltthemen. Er ist ein optimistischer Europäer mit transatlantischem Einschlag und liebt Fahrräder, Literatur und Basketball.

Tim.Albrecht@fairkehr.de

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