Der Straßenverkehr stört von allen Lärmquellen die meisten Menschen. Mehr als die Hälfte der Deutschen fühlt sich regelmäßig von ihm belästigt, so das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Umweltbundesamtes.
Straßenlärm stört nicht nur, sondern macht auch krank: die Folgen sind Schlafstörungen, Hörschäden oder Herz-Kreislauferkrankungen. Nach aktuellen Schätzungen sind etwa 160 Mio. Menschen in Europa regelmäßig einem Straßenverkehrslärm von mehr als 55 dB(A) ausgesetzt. Dies ist die Grenze, ab der die Weltgesundheitsorganisation WHO von einem ernsten Risiko für die Gesundheit spricht. In Deutschland müssen laut Umweltbundesamt rund 13 Mio. Menschen bei diesem bzw. noch höheren Lärmpegeln arbeiten oder wohnen. Eine niederländische Studie hat ergeben, dass rund 240.000 Menschen in Europa als Folge zu lauten Verkehrs Herz-Kreislauferkrankungen erleiden, etwa 50.000 sterben vorzeitig. Nach der Luftverschmutzung stellt Lärm hinsichtlich der Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung die zweitgrößte Gefahr dar. Die Reduzierung des Straßenverkehrslärms ist somit Voraussetzung für eine zukunftsfähige Verkehrspolitik. Dabei müssen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene alle Schritte unternommen werden, um die negativen Auswirkungen zu reduzieren.
Mit dem Ziel, den Straßenverkehrslärm insgesamt leiser zu machen, wurden 1970 erstmals Lärmgrenzwerte für Kraftfahrzeuge eingeführt. Seitdem wurden diese nur unregelmäßig verschärft, zuletzt 1996. Dabei ist diese Maßnahme wesentlich billiger als nachträgliche Baumaßnahmen wie Schallschutzwände oder Gebäudeisolationen. Die Kosten für diese Maßnahmen liegen pro geschützter Person im Durchschnitt 8 bis 120-mal höher verglichen mit leiseren Fahrzeugen.
Um die Lärmbelastung durch Pkw und Lkw zu senken hatte die Europäische Kommission 2011 neue Grenzwerte vorgeschlagen. Demnach sollten Pkw um vier Dezibel und Lkw um drei Dezibel schrittweise innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten der neuen Verordnung leiser werden. Zudem wurde ein neues Messverfahren vorgeschlagen, dass die Lärmemissionen der Fahrzeuge realistischer abbilden soll.
Der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments hat diesen Vorschlag in weiten Teilen unterstützt. Jedoch haben das Europäische Parlament und der Europäische Rat nach langwierigen Verhandlungen im April 2014 weitreichende Ausnahmen beschlossen und den ursprünglichen Vorschlag stark verwässert. Demnach dürfen Sportwagen im Vergleich zukünftig teilweise sogar noch lauter werden als bisher. Schwere Lkw, die zwar nur einen geringen Anteil an allen Fahrzeugen ausmachen, jedoch für einen großen Teil des Straßenverkehrslärms verantwortlich sind, müssen ebenfalls nicht leiser werden. Zudem beschloss das Parlament die Einführung der neuen Grenzwerte gegenüber dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag hinauszuzögern. So wird die dritte und somit letzte Phase der Grenzwertreduzierung erst 12 Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung, also ab dem 1.1.2026 greifen. Bei rund 15 Jahren, die der Austausch der europäischen Fahrzeugflotte dauert, werden somit erst in 25-30 Jahren alle Fahrzeuge die neuen Grenzwerte einhalten.
Von der ursprünglichen Idee, mittels strengerer Lärmgrenzwerte für Fahrzeuge die Belastungen durch den Straßenverkehr zu reduzieren ist nicht viel übrig geblieben. Aus Sicht des VCD wurde eine wichtige Chance vertan, den Straßenverkehrslärm wirksam zu senken und somit die Belastung von Millionen Menschen zu reduzieren. Das zögerliche und industriefreundliche Ergebnis kann am Ende den Effekt haben, der auch bei den vergangenen Grenzwertherabsetzungen zu beobachten war: Durch eine weitere Zunahme des Kfz-Bestands in Europa laufen die neuesten Bemühungen ins Leere und der Straßenverkehr wird insgesamt lauter anstatt leiser.
Februar 2013 (pdf, 84 KB)
English, Dezember 2012 (pdf, 131 KB)