Rechtsgutachten

Schulstraßen – mehr Sicherheit und selbstbestimmte Mobilität für Kinder

Schulstraßen sind Leuchttürme einer aktiven Kindermobilität und der Verkehrssicherheit für Kinder. Trotzdem gibt es in Deutschland nur sehr wenige Schulstraßen. Mit dem Gutachten des renommierte Verkehrsrechtsanwalt Dr. Olaf Dilling zeigen wir, dass es schon jetzt rechtliche Möglichkeiten zur Einrichtung von Schulstraßen für Kommunen gibt.

| für Familien Mobilitätsbildung Selbstständige Mobilität von Kindern Straße zurückerobern

Der Schulweg bietet für Kinder oft viele unnötige Gefahren und Hindernisse. Und das ausgerechnet auf den letzten Metern. Wer kennt dieses Bild nicht? Morgendliches Verkehrschaos vor den Schulen. Autos reihen sich aneinander und blockieren sämtliche Verkehrswege. Kaum jemand blickt hier noch durch. Vor allem für Kinder, die gerade noch lernen, sich im Verkehr zurechtzufinden, ist diese Situation unübersichtlich und gefährlich.

Der VCD will ein kindgerechtes Verkehrssystem, das Fehler verzeiht, Barrieren abbaut und dazu einlädt, aktiv mobil zu sein. Davon profitieren alle Menschen – ganz egal, ob jung oder alt, in der Stadt oder auf dem Land.

Ein Schritt hin zu einem solchen System können Schulstraßen sein ­– gemeinsam mit dem Deutschen Kinderhilfswerk und dem Kidical-Mass-Bündnis haben wir deshalb ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die rechtlichen Möglichkeiten von Kommunen auslotet, Schulstraßen einzurichten. Doch der Reihe nach…

Was sind Schulstraßen?

Schulstraßen sind Straßenabschnitte im Umfeld von Schulen, die zeitweise oder dauerhaft für den Autoverkehr gesperrt werden können. Meist werden sie zu Beginn des Schultages gesperrt, wenn neben dem Berufsverkehr auch das größte Anfahrts-Chaos herrscht. Außerdem kann es zum Schulschluss eine weitere Sperrung geben. Diese wird durch Fahrverbotsschilder aktiviert, oder auch durch Schranken oder Poller, die den Straßenabschnitt dichtmachen.

Warum Schulstraßen?

Schulstraßen machen den Schulweg sicherer, indem sie Autos dort fernhalten, wo es besonders gefährlich wird. Fuß- und Radverkehr können passieren, Autos werden ferngehalten, die berüchtigten Elterntaxen verteilen sich besser im weiteren Umfeld und bilden keine Pulks vor dem Schultor.

Kurz: Schulstraßen sind Leuchttürme einer aktiven Kindermobilität. Außerdem bieten sie ein enormes Potenzial für die Mobilitätswende, wie der Blick nach Wien und Paris zeigt – sie machen den Schulweg zu Fuß oder mit dem Rad attraktiver.
 

    Foto: Katja Täubert / VCD

    Schulstraßen selber umsetzen

    Sie wollen nicht länger warten, sondern selbst dafür sorgen, dass vor der Schule ihres Kindes endlich eine Schulstraße entsteht? Wir zeigen Ihnen in einer Schritt für Schritt Anleitung, was es dazu bracht.

    Hier geht's zur Anleitung. 

    Wo gibt es Schulstraßen bereits?

    Schulstraßen sind in vielen Staaten der EU bereits seit längerem etabliert. Vor allem in den großen Metropolen mit entsprechenden Verkehrsproblemen sind sie verbreitet. Eine Übersicht:

    • Österreich: bewährtes Konzept seit den 1980er Jahren in Südtirol; seit 2022 in der Straßenverkehrsordnung; Wien: 8 Schulstraßen
    • Barcelona: über 200 Schulzonen
    • Paris: über 200 Schulstraßen, 20 -zonen
    • London: über 500 Schulstraßen
    • Belgien: über 170 Schulstraßen

    In Deutschland gibt es Schulstraßen dagegen bislang nur vereinzelt im Rahmen von Verkehrsversuchen. Ihre Anzahl lässt sich mit den Fingern abzählen:

    • Köln: 2 Schulstraßen
    • Bonn: 2 Schulstraßen
    • Berlin: 2 Schulstraßen
    • Essen: 1 Schulstraße
    • Dresden: 1 Schulstraße

    Warum ein Rechtsgutachten?

    Bisher herrscht bei vielen Kommunen in Deutschland Unsicherheit, ob sie Schulstraßen einführen dürfen und welche juristischen Hürden es dabei zu überwinden gilt. Deshalb bestehen die meisten Schulstraßen hierzulande im Rahmen von zeitlich begrenzten Pilotversuchen. Das ist aufwendig, kostet Zeit und bietet keine flächendeckende Lösung. Der gute Wille ist da, doch die Rechtssicherheit fehlt – und dieses Problem wollen wir mit unserem Gutachten beheben. Vorweg: Die Ergebnisse sind vielversprechend.

    Die Ergebnisse des Gutachtens

    Das Gutachten hat der renommierte Verkehrsrechtsanwalt Dr. Olaf Dilling im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerks, des Kidical-Mass-Bündnisses und des VCDs erstellt. Es zeigt die rechtlichen Möglichkeiten auf, die Kommunen auf Basis von Straßenverkehrsrecht und Straßenrecht haben, wenn sie Schulstraßen einrichten wollen. Und es belegt: Diese Möglichkeiten sind bereits nach heutiger Gesetzeslage vorhanden – Schulstraßen können durch verkehrsrechtliche Anordnungen eingerichtet, für Autos gesperrt und für den nicht-motorisierten Verkehr freigegeben werden.

    Im Straßenverkehrsrecht kommt es darauf an, Straßensperrungen für Autos anhand der örtlichen Gegebenheiten und der Gefahrenlage gut zu begründen, da die sogenannte qualifizierte Gefahrenlage grundsätzlich der Maßstab ist. Es gibt jedoch im Umfeld von Schulen typischerweise Gefahren, die vom Verordnungsgeber und der Rechtsprechung anerkannt sind und eine solche Begründung in vielen Fällen möglich erscheinen lassen.

    Außerdem können auch ohne eine erheblich überdurchschnittliche Gefahr Sperrungen angeordnet werden – im Rahmen eines Verkehrsversuchs, zur Errichtung einer Fahrradstraße oder zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung. Für letzteres ist ein entsprechendes städtebauliches Verkehrskonzept mit einem integrierten Schulwegeplan die Voraussetzung.

    Das Straßenrecht bietet die Möglichkeit einer sogenannten Teileinziehung, die grundsätzlich auch temporär, also beschränkt auf den Schulbeginn und das Schulende möglich ist. Dazu braucht es eine zeitliche Beschränkung von Benutzungszeiten einer Straße per Widmung. In den Straßengesetzen einiger Bundesländer ist das sogar ausdrücklich vorgesehen.

    Das Gutachten beweist, dass temporäre oder dauerhafte Schulstraßen in allen Kommunen schon jetzt möglich sind. Rechtliche Hindernisse können also nicht mehr als Ausrede dienen, auf deren Einrichtung zur verzichten. Es braucht nur den politischen Willen und das konsequente Handeln der Verwaltung.

    Politische Forderungen des Bündnisses für eine StVG- und StVO-Novelle

    Auch wenn Schulstraßen schon heute möglich sind, bedarf es einer Novelle des Straßenverkehrsgesetzes und der Straßenverkehrsordnung. Sicherheit, Umweltschutz und Stadtentwicklung müssen stärker berücksichtigt werden; die derzeitige Blockade der Gesetzesnovelle im Bundesrat ist ein fatales Signal.

    Das Bündnis aus VCD, Kinderhilfswerk und Kidical Mass fordert, drei Punkte unbedingt in das Gesetz aufzunehmen:

    • Die Vision Zero – also null Verkehrstote – muss als weiteres Ziel verankert werden.
    • Tempo 30 soll als Regelgeschwindigkeit innerorts möglich sein.
    • Die Aufnahme von Schulstraßen in die StVO nach österreichischem Vorbild.

     

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    Kontakt

    Anika Meenken

    Sprecherin für Radverkehr und Mobilitätsbildung

    Fon 030/28 03 51-73

    fahrrad@vcd.org

     

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