Carsharing in Bürgerhand

Der 28-jährige Philipp Veit ist Vorstand der UrStrom Bürgerenergiegenossenschaft Mainz eG. Im Interview mit dem VCD-Projekt »Wohnen leitet Mobilität« erzählt er, wie sie mit UrStromMobil E-Carsharing in Wohnquartiere bringen und so die Verkehrswende vorantreiben.

Wie ist die Idee von UrStromMobil entstanden? Wie groß war der Unterstützer*innenkreis am Anfang?

Den Anstoß dazu gaben Mieter*innen des Wohnprojektes „Vis à Vis“ sowie des generationenübergreifenden Wohnprojektes „Am Cavalier Holstein“ im Stadtteil Hartenberg in Mainz. Nachdem die UrStrom Bürgerenergiegenossenschaft Mainz eG zu verschiedenen Wohnquartieren Kontakt aufgenommen und dort Infoveranstaltungen durchgeführt hatte, meldeten sich Anfang 2017 sieben Interessierte verbindlich für das E-Carsharing an.

Welche Ziele verfolgt UrStromMobil und wie wollen sie diese erreichen?

Das große Ziel der Verkehrswende liegt am Horizont. Dabei geht es nicht darum einfach alle vorhandenen Autos durch E-Autos zu ersetzen, sondern die Anzahl der Autos insgesamt stark zu reduzieren. Dadurch, dass die Nutzer kein eigenes Auto mehr haben, das laufende Kosten verursacht, können sie bei jedem Mobilitätsbedürfnis frei wählen, ob sie laufen wollen, mit dem Fahrrad fahren, mit dem ÖPNV oder doch mit dem E-Auto. Zurzeit haben wir über 30 Nutzer*innen, die sich zwei Autos teilen und die durchschnittliche Kilometerzahl, die ein Nutzer pro Jahr mit einem Auto zurück legt, hat sich auf etwa ein Drittel reduziert. Sechs Nutzer haben ihr privates Auto sogar schon komplett abgeschafft.

Welche Herausforderungen gab es auf dem Weg zur Umsetzung des E-Carsharings und wie haben Sie diese gelöst?

Das Hauptproblem bei einem E-Carsharing ist die Stellplatzsuche, da sich nur bei einem langen Mietvertrag die hohen Investitionen für den Bau der Ladesäule lohnen. Auf den ausdrücklichen Wunsch der Anwohner*innen, die das Carsharing bei sich haben wollten, hat die Wohnbau Mainz GmbH die Parkplatz-Zuordnungen neu geordnet, um Platz für die E-Carsharing-Station mit ihren beiden Elektro-Autos inklusive der Ladesäule zu machen. Die Ladesäule wird mit 100 Prozent UrStromPur der Genossenschaft betrieben.

Welche einzelnen Schritte im Umsetzungsprozess haben Sie durchlaufen?

Zunächst wurden Interessent*innen gewonnen, ein Pachtvertrag für die Stellplätze abgeschlossen, für den Stromanschluss und Bau einer Doppelladesäule gesorgt, Verträge für Fahrzeugbeschaffung und Carsharing-App geschlossen. Dann gab es ein großes Eröffnungsfest mit Beteiligung von Anwohner*innen, Vertreter*innen von Kommunal- und Landespolitik und Medien. Anschließend dann die Einweisung der Nutzer*innen und die Aufnahme des regulären Carsharing-Betriebs.

Welche Kooperationspartner waren für das Gelingen des Projekts entscheidend?

Die wichtigsten Partner bei dem Projekt waren die Bewohner*innen selbst. Nur durch ihren Einsatz gegenüber der Wohnbau Mainz GmbH konnte ein Erfolg erzielt werden.

Was glauben Sie, wie wird sich Ihre Genossenschaft und e-Carsharing in Mainz weiter entwickeln? Planen Sie auch andere Sharing-Angebote in Zukunft?

Zurzeit sind wir im Aufbau einer weiteren Station an der TH Bingen in Kooperation mit dem AStA, bei der zwei E-Autos für die Studierenden zu günstigen Konditionen verfügbar sind. Das E-Mobilitätsangebot wird dabei in das Semesterticket integriert, mit dem die Studierenden den ÖPNV kostenfrei nutzen können. Mitarbeiter*innen der TH Bingen oder Anwohner*innen aus der Nähe können die E-Autos zu den normalen UrStromMobil Konditionen nutzen. Hier kommt zum ersten Mal neben der in Mainz nun erfolgreich seit zehn Monaten im Einsatz erprobten Renault Zoé das Langstrecken Fahrzeug Hyundai Ioniq zum Einsatz, das durch einen kleinen Akku und eine Schnellladefunktion besonders umweltfreundlich ist. Eine Station im Stadtteil Neustadt ist gerade in der Planung und weitere Stadtteile haben Interesse bekundet. Ziel ist es, am Ende des Jahres zehn Autos in Mainz und Umgebung für das E-Carsharing zur Verfügung zu stellen. Andere Sharing Angebote, wie z. B. Lastenräder sind von unserer Seite nicht geplant. Es gibt aber Initiativen in Mainz, die das voranbringen wollen.  

Funktioniert das Konzept des E-Carsharings in jedem Quartier? Was ist notwendig, damit das Konzept Aussicht auf Erfolg hat?

Generell kann das Konzept in jedem Quartier funktionieren. Zurzeit haben wir aus vielen Stadtteilen Anfragen und wollen gerne mehr Projekte umsetzen. Da wir ehrenamtlich arbeiten, können wir aber immer nur ein Projekt nach dem nächsten erledigen.
Mit dem Vauban Viertel in Freiburg und im Mannheimer Quartier Benjamin Franklin gibt es schon zwei Modelstadtteile, in denen ein Leben ohne eigenes Auto funktioniert. Dort gibt es ein Komplettangebot Mobilität mit Lastenrad, ÖPNV und E-Carsharing.

Was können die Wohnungswirtschaft und politische Entscheidungsträger*innen aus Ihrer Sicht tun, um E-Carsharing und autoreduzierte Wohnquartiere zu fördern?

Die Stellplatzordnung und das Dienstwagenprivileg müssen langfristig überarbeitet werden. Heute ist das Auto selbstverständlich und nimmt viel zu viel Raum ein. Alleine durch den ruhenden Verkehr verliert jede Stadt eine enorme Fläche, die auch von Kindern zum Fußball spielen oder für mehr Radwege oder Grünflächen benutzt werden könnte. Neue Wohnungen brauchen sichere Abstellplätze für E-Bikes und Lastenräder und keine Parkplätze mehr. Dazu eine gute ÖPNV Anbindung und für besondere Mobilitätsbedürfnisse dann auch E-Carsharing. So schaffen wir die Verkehrswende.

Weitere Infos zum UrStromMobil-Carsharing:
http://urstrom-mobil.de

Das Interview führte:

Philip Seitz

Trainee »Wohnen leitet Mobilität«

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