Der Erhalt der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland wurde in den vergangenen Jahrzehnten vernachlässigt, es wurde zu wenig für Erhalt, Sanierung und Modernisierung getan, viel zu viel Geld wurde in teure Einzelprojekte gesteckt. Dies gilt für alle Verkehrsträger und für alle staatlichen Ebenen.
Ein Grund für die Misere ist eine Politik, die zu lange auf teure Großprojekte, mehrfach überbuchte und völlig falsch priorisierte Projektlisten für Bundesverkehrswege sowie auf zu hohe Standards setzte, ohne deren Nutzen sorgfältig geprüft zu haben. Also mangelte es an einer strategischen Verkehrspolitik, an einer verkehrsträgerübergreifenden Planung, die Voraussetzung für eine rationale Netzkonzeption ist.
Um Lösungen für die Finanzierung der Infrastruktur zu finden, setzte die Verkehrsministerkonferenz Ende 2011 die nach ihrem Vorsitzenden benannte Daehre-Kommission (Kommission zur Verkehrsinfrastrukturfinanzierung) ein. Sie kam ein Jahr später zu dem Ergebnis, dass für den Erhalt sowie die Reinvestitionen in bestehende Infrastrukturen, in den nächsten 15 Jahren mindestens 7,2 Milliarden Euro jährlich fehlen werden. Das nachfolgende Expertenteam unter dem ehemaligen Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig konkretisierte Anfang Oktober 2013 die Handlungsempfehlungen der Daehre-Kommission und empfahl der Bundesregierung, für die Infrastrukturfinanzierung die Einrichtung von zweckgebundenen Fonds. In diese sollen zusätzlich 2,7 Milliarden Euro jährlich aus Steuereinnahmen des Verkehrsbereichs gezahlt werden. Um Mehreinnahmen zu erzielen, wurde in erster Linie eine Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Straßen und für Lkw ab 7,5 Tonnen empfohlen.
Auf der Grundlage beider Expertenkommissionen hat die Verkehrsministerkonferenz im Oktober 2013 mit Unterstützung des Bundes eine umfassende Reformagenda vorgelegt. Ihre wichtigsten Grundsätze lauten:
Steuerfinanzierung, Nutzerfinanzierung, private Finanzierung (ÖPP). Es gibt drei mögliche Elemente. Der VCD spricht sich für einen Gleichklang von Steuer- und Nutzerfinanzierung aus.
Grundsätzlich besteht Einigkeit, dass physische Mobilität unabdingbare Voraussetzung für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben ist. Die Bereitstellung und Instandhaltung einer angemessenen Verkehrsinfrastruktur ist also Daseinsvorsorge und unmittelbare Aufgabe der öffentlichen Hand. Aus diesem Verständnis heraus stellen der Bund, die Bundesländer und die Kommunen die Infrastruktur zur Verfügung.
In den vergangenen Jahrzehnten wurde die Infrastruktur weit überwiegend aus Steuermitteln finanziert. Steuern sind die Haupteinnahmequelle des Staates. Nach dem Non-Affektationsprinzip sind sie nicht zweckgebunden, auch nicht die Energie- und Kfz-Steuer. Sie fließen als Teil der allgemeinen Staatseinnahmen in den Haushalt und werden einzelnen öffentlichen Aufgaben zugeteilt. Auch zukünftig ist für weite Bereiche der Infrastruktur die Steuerfinanzierung unabdingbar – in den Kommunen, im öffentlichen Verkehr, aber auch bei Bundesfernstraßen. Denn für ländliche, dünnbesiedelte Randlagen ist eine kostendeckende Nutzerfinanzierung völlig unmöglich und in vielen Regionen nur sehr schwer realisierbar. Zukünftig wird aber die Nutzerfinanzierung die Steuerfinanzierung zunehmend ergänzen.
Im Gegensatz zur Steuerfinanzierung besteht bei der Nutzerfinanzierung ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Benutzung der (Straßen)infrastruktur, der Bezahlung einer Gebühr/Maut für diese Nutzung und der Verwendung der Einnahmen für den Erhalt der Infrastruktur.
Eine ausschließliche Nutzerfinanzierung der Infrastruktur ermöglicht die Umsetzung des Prinzips „Verkehr finanziert Verkehr“ oder auch „Straße finanziert Straße“. Das ist bei der Steuerfinanzierung nicht der Fall. Doch in der Praxis reicht allein die Nutzerfinanzierung nicht aus, sie muss mit der Steuerfinanzierung verknüpft werden.
Die Lkw-Maut wird seit 2005 fahrleistungsabhängig erhoben, zu Beginn ausschließlich auf Bundesautobahnen und nur für Lkw ab 12 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht (t zGG). Mittlerweile (seit 2015) sind zusätzlich rund 2300 Kilometer autobahnähnliche Bundestraßen mautpflichtig und auch kleinere Lkw ab 7,5 t zGG. Der VCD fordert eine Lkw-Mautpflicht für alle Straßen und alle Lkw.
Bei der Erhebung von Infrastrukturnutzungsgebühren müssen alle motorisierten Verkehrsmittel (d.h. Bus, Auto, Lkw) berücksichtigt werden. Der VCD fordert daher die Einführung einer fahrleistungsabhängigen Maut auch für Busse und Pkw. Die jeweilige Mauthöhe ist im aktuellen Wegekostengutachten
2013–2017 bereits berechnet. Die Bundesregierung muss nun zügig ein Gesamtkonzept für die Erhebung von Infrastrukturbenutzungsgebühren im Straßenverkehr entwickeln.
Motorisierter Verkehr verursacht nicht nur Wegekosten, sondern auch externe Kosten: Gesundheitsausgaben und Produktionsausfälle infolge von Luftverschmutzung, Lärmbelastung und Unfällen, sowie allgemeine Umweltkosten verursacht durch den Klimawandel. Diese externen Kosten werden derzeit von der Allgemeinheit getragen. Entweder über Steuern und Abgaben zur Deckung der Kosten von Polizei, Straßennetz und Gesundheitsfürsorge oder in Form der Auswirkungen von Lärm, Schadstoffemissionen und Unfällen auf die Gesundheit und Lebensqualität des Einzelnen.
Ungefähr 90 Prozent dieser negativen Auswirkungen werden dem Straßenverkehr zugeschrieben, davon circa ein Viertel dem Güterkraftverkehr. Die externen Kosten lagen im Jahr 2005 bei knapp 16 Milliarden Euro, die durch Staus verursachten Kosten bei 31,5 Milliarden Euro. Unter Einbeziehung aller Kosten ist der Gütertransport auf der Straße im Vergleich zum Schienengüterverkehr um den Faktor vier teurer.[1] Daher sind Straßennutzungsgebühren wie die leistungsabhängige Lkw-Maut ein notwendiges Instrument, um mehr Kostengerechtigkeit zwischen den Verkehrsträgern herzustellen.
Bis einschließlich 2010 flossen die Lkw-Mauteinnahmen nach Abzug der Systemkosten in die Infrastruktur von Straße, Schiene und Binnenwasserstraße. Mit der Verabschiedung seines Haushaltes 2011 entschied der Bundestag Ende 2010, dass diese Mittel ausschließlich zur Finanzierung der Bundesfernstraßen zu verwenden sind. Mit diesem Beschluss wurde ein »geschlossener Finanzierungskreislauf Straße« geschaffen. Der VCD kritisiert diesen Beschluss als verkehrspolitisch unsinnige Abkehr von der notwendigen integrierten Verkehrsbetrachtung und fordert seine Rücknahme.
Für die Bewältigung der Güterströme und für die Reduzierung der Belastungen für Menschen und Umwelt ist eine integrierte Verkehrsbetrachtung notwendig. Um eine Verkehrsverlagerung von der Straße auf die umweltfreundlicheren Verkehrsträger zu erreichen, müssen die Mauteinnahmen, wie nach dem Vorbild der Schweiz, anteilig für Investitionen in die Verkehrsträger Schiene und Wasserstraße genutzt werden.
Bei ÖPP-Projekten finanziert ein Privatunternehmen den Bau oder Ausbau einer Straße und betreibt die Strecke anschließend für circa 30 Jahre. Im Gegenzug erhält die Firma vom Bund jährlich die dort anfallenden Lkw-Mauteinnahmen. Kurzfristig könnten dadurch, so die Befürworter, zusätzliche Infrastrukturen geschaffen bzw. ausgebaut werden. Gegner verweisen jedoch darauf, dass eine Vorfinanzierung den Steuerzahlern auf Dauer wesentlich teurer zu stehen kommt.
Laut Bundesrechnungshof ist privat finanzierter Autobahnbau wegen der höheren Zinslast für Kredite und dem Renditedruck, wie üblich in der Privatwirtschaft, erheblich teurer als öffentlich finanzierte Projekte. Privaten fehlt außerdem jeglicher Anreiz, die Substanz der Vermögenswert langfristig zu erhalten. Private investieren nur dann in eine erhöhte Bauqualität, wenn sich dies für sie finanziell im Vertragszeitraum durch Einsparungen bei Erhalt oder Betrieb auszahlt.
Der VCD lehnt Öffentlich private Partnerschaften (ÖPP) als Finanzierungsinstrument für die Infrastruktur ab. Öffentliches Vermögen muss öffentlich bleiben. Straßeninfrastrukturen dürfen nicht privatisiert werden und Bau und Erhalt von Straßeninfrastruktur nicht renditeorientiert erfolgen.
Der Staat darf sich nicht aus der Verantwortung für seine Infrastrukturen entziehen. Diese Verantwortung könnte die Bundesregierung zum Beispiel mit einer aktuell diskutierten Bundesfernstraßengesellschaft sichern. Mit ihr könnte das Chaos zwischen Bund und Ländern bei Planung und Organisation von Fernstraßen beendet werden. Klar muss dabei sein, Bundestag und Bundesregierung behalten weiterhin die Verantwortung – private Investoren oder eine Gewinnerzielung dürfen keine Rolle spielen. Durch eine Neupriorisierung des Infrastrukturwesens kann und sollte auf eine ÖPP-Finanzierung verzichtet werden, da diese den Staat langfristig zu teuer kommt.
Angesichts der immensen Kosten für Erhalt wie Betrieb der Fernstraßeninfrastrukturen ist es jedoch sinnvoll, den Nutzer an der Finanzierung ein Stück weit zu beteiligen, unter anderem durch eine fahrleistungsabhängige Maut.
April 2016 (pdf, 80Kb)