Die Bundesregierung hat ihr umfassendes Konjunkturpaket vorgelegt, um die Folgen der Corona-Krise abzumildern und die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Auch die Unternehmen der Verkehrsbranche leiden unter der schwersten Krise seit Jahrzehnten, so dass viele der vorgeschlagenen Maßnahmen den Mobilitätsbereich betreffen. In unserem Papier “Neustart in die Grüne Mobilität” haben wir schnellwirkende Maßnahmen erarbeitet, die gleichzeitig Nachhaltigkeit fördern und zukunftsfähig sind. Unsere zentrale Forderung dabei war: Eine Autokaufprämie darf es nicht geben. Stattdessen fordern wir ein Startgeld Grüne Mobilität. Während wir feiern können, dass es keine explizite Kaufprämie für Verbrenner gibt, konnten wir eine gezielte Förderung von nachhaltiger Mobilität an dieser Stelle noch nicht durchsetzen. Denn die generelle Senkung der Mehrwertsteuer hat keinerlei ökologische Lenkungswirkung.
Wir haben nun das gesamte Konjunkturpaket der Bundesregierung unter die Lupe genommen und wir können das Programm hinsichtlich des Verkehrssektors verhalten positiv bewerten. Unsere Einschätzung aus Perspektive der einzelnen Verkehrsträger sieht folgendermaßen aus:
Rad- und Fußverkehr
Gerade in der Corona-Krise erlebt das krisenfeste Fahrrad einen enormen Boom. Deshalb sind zusätzliche Investitionen in ein dichtes Rad- und Fußverkehrsnetz erforderlich und beleben gleichzeitig die Wirtschaftszahlen.
Die gezielte Förderung des Fuß- und Radverkehrs fehlt im Konjunkturpaket komplett.
Öffentlicher Verkehr
Wichtige Impulse setzt das Konjunkturpaket bei Bus und Bahn. Dort sollen vor allem die Folgen der Corona-bedingten Einnahmeausfälle abgefedert werden.
Der Bund will sich an einem Rettungsschirm für den ÖPNV beteiligen. Dafür sollen die Regionalisierungsmittel einmalig um 2,5 Milliarden Euro aufgestockt werden. Das entspricht rund der Hälfte der fehlenden Fahrgeldeinnahmen in diesem Jahr. Die Bundesländer, die finanziell noch untätig waren, sollten die Bundesmittel jetzt mit eigenen Geldern aufstocken.
Auch die Deutsche Bahn hat schwere Einnahmenverluste erlitten und erhält - vorbehaltlich der Genehmigung durch die Europäische Kommission - zusätzliches Eigenkapital in Höhe von 5 Milliarden Euro. Damit lassen sich die schlimmsten Folgen abfedern.
Andere Bahnunternehmen oder die ebenso schwer getroffene Busbranche bleiben jedoch außen vor. Wir hatten eine Übernahme der Trassenpreise durch den Bund ins Spiel gebracht, um eine wettbewerbsneutrale Unterstützung der gesamten Bahnbranche zu ermöglichen.
Die Bundesregierung stockt die Förderung von E-Bussen auf.
Auto
Die erwartete Kaufprämie für Verbrenner ist nicht unter den Maßnahmen. Das ist ein großer Erfolg für uns. Gemeinsam mit anderen Verbänden und Organisationen haben wir uns bis zuletzt gegen eine Förderung für Abgasautos gekämpft.
Die Bundesregierung will den Umstieg auf E-Mobilität mit Milliardenhilfen anschieben. So wird zukünftig der Kauf eines Elektroautos mit bis zu 9.000 Euro unterstützt. Allerdings berücksichtigt diese Kaufprämie auch Plug-In-Hybride, was aus unserer Sicht nicht zielführend für die Verkehrswende ist. Warum wir uns gegen eine Förderung von Plug-In-Hybriden aussprechen, können Sie hier lesen.
Kommunen, Handwerker*innen und gemeinnützige Träger werden dabei unterstützt, ihre Flotten mit Elektrofahrzeugen zu erneuern.
Die Bundesregierung stellt zusätzliche Mittel in Höhe von 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Damit soll die Ladesäulen-Infrastruktur ausgebaut werden und die Forschung im Bereich Elektromobilität und Batterien verstärkt werden.
Kritisch bewerten wir die vorgesehene Förderung von neuen Diesel- und gasgetriebenen Lkw, die keinen Beitrag zum Klimaschutz liefert, sondern im Gegenteil den Straßengüterverkehr gegenüber der Güterbahn begünstigt.
Digitalisierung
Die Möglichkeiten, die die Digitalisierung für die Mobilitätswende bereithält, werden noch nicht ausreichend genutzt. Müssen Arbeitstätige nicht jeden Tag ins Büro fahren oder kann statt einer Dienstreise auch ein Videoaustausch durchgeführt werden, reduziert das den Verkehr erheblich. Insbesondere im ländlichen Raum fehlen allerdings bisher gute Internetverbindungen, die für das mobile Arbeiten von jedem Ort aus nötig sind.
Das Konjunkturpaket setzt Impulse, die Digitalisierung zu beschleunigen. Dies bewerten wir als positiv.
Die Bundesregierung sieht vor, den Mobilfunk-Empfang an Bahnstrecken mit zusätzlichen 150 Millionen Euro zu verbessern. Das macht Bahnfahren mittelfristig attraktiver.
Insgesamt muss aus unserer Sicht bei der Betrachtung des Konjunkturpakets berücksichtigt werden, dass …
- viele Verkehrs- und Digitalisierungsprojekte nicht am Geld scheitern, sondern vor allem am fehlenden Personal. Daher muss gemeinsam mit dem Paket eine Strategie entwickelt werden, die notwendigen Personalkapazitäten rasch auszubauen.
- die generelle Senkung der Mehrwertsteuer indirekt dazu beitragen kann, dass mehr Autos mit Verbrennungsmotor gekauft werden.
- die Lufthansa jenseits des Konjunkturpakets mit staatlichen Hilfen in Höhe von 9 Milliarden Euro unterstützt wird. Diese Finanzspritze ist an keine Umweltauflagen geknüpft und damit sehr kritisch zu bewerten. Österreich hat beispielsweise strenge Klimaschutzauflagen mit seinen Staatshilfen für Austrian Airlines verbunden.
Ausblick: Wie geht es im politischen Prozess weiter?
Noch vor der Sommerpause werden die vorgeschlagenen Maßnahmen in Gesetzesvorlagen übersetzt. Diese müssen im Bundestag und bei Länderzuständigkeit auch vom Bundesrat beschlossen werden. Da der Bundestag vor dem Sommer nur noch zweimal tagt, der Bundesrat sogar nur noch einmal, ist die Zeit knapp. Es muss sichergestellt werden, dass vor Gesetzesbeschluss nicht einige Punkte wieder abgeschwächt werden.
Erste Schritte zur Grünen Mobilität – aber echte Lenkungswirkung für die Verkehrswende fehlt
Aus Sicht des VCD hätte das Geld noch stärker dafür genutzt werden können, eine zukunftsfähige Mobilität in großen Schritten voranzutreiben. Für die Verkehrswende geht es nicht alleine um viel Geld und technische Lösungen wie der Umstieg auf Elektromobilität im Straßenverkehr. Zentral ist in Zukunft ein gut ausgebauter ÖPNV, eine starke Infrastruktur für Rad- und Fußverkehr sowie faire Steuern und Abgaben im Verkehr, die sich am CO2-Ausstoß der Verkehrsmittel orientieren.
Wie stark das Konjunkturpaket tatsächlich zu einer nachhaltigen Mobilität beiträgt, hängt auch davon ab, wofür die Kommunen die finanziellen Mittel investieren, die sie vom Staat erhalten. Wichtig ist, dass das Geld schnell vor Ort ankommt und es von den Kommunen zielgerichtet eingesetzt wird: für die Förderung von Bus und Bahn sowie für eine Erneuerung und Elektrifizierung der Flotte kommunaler Fuhrparks, insbesondere auch bei den Verkehrsbetrieben. Um die Verkehrswende in den Kommunen insgesamt voranzubringen, ist es jetzt höchste Zeit, für eine sichere Fuß- und Radinfrastruktur zu sorgen und diese nachhaltig auszubauen.