VCD Jugendkampagne „FahrRad! Fürs Klima auf Rad“
FahrRad!-Botschafter Jakob Blasel im Interview mit Berliner Schüler*innen
Radfahren an und zu der Schule: Endlich wieder ein direkter Austausch mit interessierten Jugendlichen – live und in Farbe! Pandemiebedingt war das leider in den letzten zwei Jahren nicht möglich, doch nun hatten Schüler*innen die Chance ihre eigenen Fragen mit Radfahr-Bezug zu stellen. Am Freitag, den 17. Juni, hat der VCD im Rahmen des Projekts „FahrRad! Fürs Klima auf Tour“ die Schüler*innen Marta Mensah, Adnan Abou-Hassan, Mahmoud Tahawi der Carl-von Ossietzky-Gemeinschaftsschule aus Berlin-Kreuzberg und Schüler Julius Meenken dazu eingeladen, mit FahrRad!-Botschafter Jakob Blasel zum Thema Radfahren zu diskutieren.
Bei 25 Grad trafen sich die Jugendlichen mit Jakob Blasel am Märkischen Ufer in Berlin mit Blick auf die Mühlendammschleuse. Die Schüler*innen der 12. Klasse erreichten den Treffpunkt mit den schuleigenen Mountainbikes und Rad-Ausrüstung, begleitet von Ihrem Radsportlehrer Johannes Kowalewsky. Herr Kowalewsky hat erfolgreich das Radfahren als Sportkurs und das nötige Equipment inklusive gut gepflegtem Radraum in seiner Schule eingesetzt. Radfahren kann an der Gemeinschaftsschule sogar als Abiturfach belegt werden. Von der Schule werden regelmäßig Radexkursionen angeboten, zuletzt eine beeindruckende 580 Kilometer lange 5-Etappenfahrt durch Deutschland mit Rennrädern, an der einer der anwesenden Schüler teilgenommen hatte und davon berichten konnte.
Nach einer kurzen Erfrischung durfte Jakob Blasel ausgefragt werden. Thema des Interviews war das Radfahren an und zu der Schule. Die einleitende Frage von Schüler Mahmoud Tahawi drehte sich daher insbesondere um das sehr präsente Thema Radwege, was die Ursachen des Zustands sind und ob sich in der Hinsicht etwas bewege. In Bezug darauf nimmt Blasel den Bund etwas aus der Verantwortung, da dieser bereits finanzielle Mittel für Radwege bereitstellen würde. Vielmehr seien hier auch insbesondere die Kommunen gefragt, in denen die Interessenskonflikte stattfinden würden.
Das Thema wechselt von innerörtlichen Radwegen zu denen, die Ortschaften und Städte miteinander verbinden. Schüler Adnan Abou-Hassan kann von seinen Erfahrungen bei der 5-Etappenfahrt berichten. Er beschreibt kuriose, aber auch sehr besorgniserregende Situationen in NRW, bei denen Fahrradwege einfach ins Nichts führen, Umwege über viele Kilometer gemacht werden um gefährliche Landstraßensituationen zu vermeiden und Verzweiflung bei veralteten Online-Navigationsdiensten. Positiv fielen ihm freundliche Autofahrende innerorts, die sich an die StVO halten, auf. Blasel merkt zu dem Thema an, dass Radverbindungsstraßen nach niederländischem Vorbild, zum Beispiel in NRW, wo die Städtedichte sehr hoch ist, sinnvoll sein können.
Natürlich wurde auch über die Fahrradfreundlichkeit von Städten insgesamt angeregt gesprochen. Die Schüler*innen finden es beschämend, dass nach Ranking der fahrradfreundlichsten Städte, die beste deutsche Stadt mit über fünfhunderttausend Einwohner*innen, Bremen, lediglich die Note befriedigend erhalten hat. Und dass ausgerechnet in Deutschland, einem so technikaffinen und reichen Land. Blasel spricht hier darauf an, dass es ein großes Nachwuchsproblem im Handwerk gibt und betont, dass insbesondere dringend Radwegplaner*innen benötigt werden. Laut den Jugendlichen nicht der einzige Missstand.
Auch der Mangel an Radfahrlehrer*innen wird als problematisch adressiert. Mahmoud Tahawi erzählt, dass ihm alleine auf dem Weg zu dem Treffen mit Jakob bei dem Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer*innen, auch Radfahrer*innen, angst und bange geworden ist. Er findet, dass die Radfahrprüfung in der 4. Klasse als Radfahrausbildung nicht ausreiche, da man sich schon wenige Jahre später nicht mehr daran erinnern könne. Blasel stimmt ihm zu und bringt das Paradoxon an, dass von ihm als Nicht-Führerscheinbesitzer erwartet wird, dass er sich mit den Verkehrsregeln auskennt. Und dass, obwohl er keinen Fahrradunterricht in der Schule hatte. Daher interessiert ihn auch besonders, was die Jugendlichen in ihrem Fahrradunterricht lernen. Der Schüler, der von den Teilnehmenden schon am längsten das Schulfach belegt, Adnan, berichtet von einer vollumfänglichen Radfahrausbildung bei der man anfangs ein Gefühl fürs Fahrrad bekommt und dann lernt Bremsen, Kurvenfahren, Schalten, Pedalieren und das Abstellen des Fahrrads richtig durchzuführen. Der Unterricht wirkt sich auch auf das Sozialverhalten aus, denn die Jugendlichen lernen in Gruppen zu fahren und Provokationen zu vermeiden, obwohl auf dem Weg zum Übungsplatz durch den Verkehr schon eine Vielzahl von ärgerlichen Situationen auffallen.
Der Schüler betont: „Dieses vorrausschauende Fahren in der Gruppe lehrt auch, wie ihr privat zu fahren habt. Das ist der immense Vorteil von diesem Radkurs. Du lernst einfach grundlegend die Basics, was vielleicht langweilig klingt, aber das sind Sachen, denen du immer wieder begegnest.“.
Seiner Meinung zufolge kann das Schulfach Fahrradfahren einen großen Unterschied machen, denn ohne den Pro-Kurs hätte er gar nicht erfahren, dass Rennradfahren so interessant ist. Er hebt hervor: „ […] Man kriegt die Begeisterung erst durch die Praxis und nicht durch „Fahrräder sind so cool und umweltfreundlich“, man muss wirklich fahren.“
Dem Radsportlehrer, sehr erfreut über die positiven Worte seiner Schüler*innen, ist es besonders wichtig zu betonen, dass Radfahrende keine Einzelkämpfer*innen sind, sondern dass es viele Vereine wie den VCD, Schulen, Radvereine etc., mit gleichem Ziel gibt. Seine Meinung ist: „Zusammen kann man Dinge lösen. Und ich glaube, die neue Generation wird es schaffen.“ FahrRad!-Botschafter Jakob Blasel kann dem nur beipflichten: „Es ist nicht die eine Petition, sondern wir sind an so vielen Orten. [...] Es sind so viele Entscheidungsebenen, wo wir ordentlich Druck machen müssen. Und da glaube ich, dass sich schon etwas verändern kann.“
Der krönende Abschluss: Eine gemeinsame Radtour entlang der Spree
Jakob Blasel formuliert drei Forderungen an die Politik:
„Ich glaube damit mehr Kinder Radfahren können, müssen drei Dinge passieren: Als allererstes müssen sich Kinder erstmal sicher fühlen auf dem Rad. Das bedeutet auch, dass es klar abgetrennte, breitere Radwege gibt, die eben nicht die ganze Zeit von Autos durchfahren werden. Dann braucht es Bildung fürs Rad – viele Kinder bekommen das Radfahren gar nicht beigebracht, oder nicht gut genug, das habe ich gerade gelernt. An vielen Schulen gibt es gar keine vernünftige Radbildung, das muss vorangetrieben werden. Als dritte Sache braucht auch jedes Kind Zugang zum Fahrrad. Manche Kinder können sich das nicht leisten oder wollen sich das nicht leisten. Davon braucht es auch Unterstützung von Schule, Bildung und Land, damit wirklich alle Kinder Zugang zum Fahrrad haben.“