Eine Chance für Mobilität ohne Auto oder überflüssiger Mehrverkehr?

On-Demand-Verkehr

Ende November 2020 veröffentlichte das Bundesverkehrsministerium einen Referentenentwurf zur Reform des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG). Damit sollen vor allem neue, nachfrageorientierte Mobilitätsangebote wie moia, Clevershuttle, der Berlkönig und Linienbedarfsverkehre wie Anrufsammeltaxen einen verlässlicheren Rechtsrahmen erhalten. Der VCD nimmt die neuen Angebote und den Referentenentwurf genauer unter die Lupe.

| Digitalisierung Klimafreundliche Mobilität ÖPNV

Was sind On-Demand-Verkehre?

In Städten wie Berlin, Hamburg oder Hannover sind sie bereits auf den Straßen unterwegs: Gewerbliche On-Demand-Verkehre wie Berlkönig, Clevershuttle oder moia. Sie werden per App bestellt und bringen mit Kleinbussen Fahrgäste von haustürnahen, virtuellen Haltestellen zu ihren Zielen. Die Idee dahinter ist das Pooling: Menschen, die in die gleiche Richtung fahren möchten, steigen unterwegs zu – ähnlich wie bei einer Buslinie. Der Unterschied: Es gibt weder eine festgelegte Linie noch einen Fahrplan. Die Fahrgäste bestimmen, wann und wohin der Kleinbus fährt. Poolingdienste sind daher sehr flexibel und können insbesondere auf Routen oder zu Zeiten, die mangels Nachfrage unzureichend durch den klassischen ÖPNV abgedeckt werden, eine attraktive Alternative zum Auto bieten. Die Fahrpreise liegen dabei zwischen denen des ÖPNV und des Taxis.

Über gewerbliche Poolingdienste hinaus werden unter On-Demand-Diensten zudem Linienbedarfsverkehre und per App vermittelte Mietwagenverkehre verstanden.

Linienbedarfsverkehre sind zum Beispiel Anruf-Sammel-Taxen oder Rufbusse. Sie werden ebenfalls vorbestellt und verkehren von Haltestelle zu Haltestelle, haben aber in der Regel festgelegte Abfahrtszeiten. Im Gegensatz zu gewerblichen Poolingdiensten sind sie meist in den ÖPNV integriert. Das bedeutet, dass sie mit ÖPNV-Zeitkarten genutzt werden können; gegebenenfalls ist pro Fahrt ein kleiner Komfortzuschlag zu zahlen. Häufig werden Anruf-Sammel-Taxen und Rufbusse im ländlichen Raum oder am Stadtrand eingesetzt, wo sie abends oder am Wochenende Lücken im ÖPNV-Angebot füllen.

Per App vermittelte Mietwagenverkehre sind hingegen taxiähnliche Tür-zu-Tür-Dienste wie Uber oder Free Now. Im Gegensatz zum Taxigewerbe unterliegen sie weniger Pflichten. So müssen sie keinen 24-Stunden-Betrieb anbieten und können auch Fahrtenwünsche ablehnen. Dafür dürfen sie allerdings Beförderungen nur für jede Buchung separat durchführen. Die Buchungen müssen sie online oder telefonisch entgegennehmen und sie dürfen auch keine Fahrgäste befördern, von denen sie „herangewunken“ werden. Nach der Beförderung müssen sie zum Betriebssitz zurückkehren. Wegen Verstößen gegen diese Rückkehrpflicht stehen sie in diversen gerichtlichen Auseinandersetzungen mit der Taxibranche. Die Fahrpreise liegen über denen des gewerblichen Poolings, aber unter klassischen Taxitarifen.

Was soll sich durch die PBefG-Novelle ändern?

Die meisten On-Demand-Verkehre in Deutschland stehen rechtlich bislang eher auf wackeligen Beinen. Vielerorts wurden sie von den kommunalen Behörden lediglich auf Grundlage einer Experimentierklausel des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) genehmigt. Demnach ist der Betrieb auf vier Jahre begrenzt, was für viele Anbieter ein Entwicklungshemmnis darstellt. Mit dem Ende November vorgelegen Referentenentwurf zur Novelle des PBefG will das Bundesverkehrsministerium die Mobilitätsdienste aus der rechtlichen Grauzone holen und ihnen eine verbesserte Perspektive bieten.

Wie bewertet der VCD On-Demand-Angebote?

Unserer Ansicht nach können Linienbedarfsverkehre und Poolingdienste gerade in dünn besiedelten Regionen, in den Abendstunden und am Wochenende oder als Querverbindung zwischen Stadtteilen mit schwacher ÖPNV-Nachfrage attraktive Alternativen zum Autoverkehr darstellen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass diese neuen Angebote nicht den ÖPNV ersetzen, sondern sinnvoll ergänzen und Fahrplan- oder Netzlücken schließen sollen. Der Gedanke, Verkehr vom Auto auf klimaschonendere Verkehrsträger zu verlagern, muss im Vordergrund stehen. Mehrverkehre und eine Kannibalisierung des klassischen ÖPNV müssen verhindert werden. Deshalb würden wir begrüßen, wenn On-Demand-Angebote aus kommunalen Verkehrsbetrieben heraus entstehen und eng mit dem übrigen ÖPNV-Angebot verzahnt werden.


Was lobt und was kritisiert VCD am Referentenentwurf?

Positiv ist die Festlegung einer zu erreichenden Poolingquote für gewerbliches Pooling (im Referentenentwurf gebündelte Bedarfsverkehre genannt) in Städten. Dies wird für einen höheren Besetzungsgrad von Fahrzeugen und weniger CO2-Ausstoß sorgen. Außerdem begrüßen wir den Vorschlag, Kommunen die Möglichkeit zu geben, gewerbliche Poolingdienste räumlich oder zeitlich zu beschränken, wenn die Gefahr einer Kannibalisierung bestehender Mobilitätsangebote droht. Die geforderte Echtzeit-Bereitstellung von dynamischen Daten zur angebotenen Dienstleistung über den Nationalen Zugangspunkt, einer öffentlich kontrollierten Schnittstelle für Mobilitätsdaten, begrüßen wir ebenfalls.

Kritisch bewerten wir, dass bundesweit einheitliche und für alle Beschäftigten der Mobilitätsdienstanbieter gültigen Mindestsozialstandards im Referentenentwurf nicht vorgesehen sind. Nach Ansicht des VCD müssen für die Entlohnung der Beschäftigten die jeweils gültigen Tarifverträge als Grundlage dienen.
Darüber hinaus legt der Entwurf keine Klima- und Umweltschutzstandards für die eingesetzten Fahrzeuge fest. Um den CO2-Ausstoß im Verkehrssektor zu senken, spricht sich der VCD für den Einsatz von emissionsarmen und -freien Fahrzeugen aus.
Außerdem fehlt eine Regelung über eine Mindestanzahl an barrierefreien Fahrzeugen. Die geplante Richtquote von 5% an der Gesamtflotte eines Anbieters mit mindestens 20 Fahrzeugen reicht nicht aus. Auch kleinere Anbieter sollten in der Lage sein, ein barrierefreies Fahrzeug bereitzustellen, wenn ein solches gebucht wird.

Unverständlich ist, weshalb das Mietwagengewerbe im Gegensatz zu gewerblichen Poolingdiensten auch weiterhin nicht stärker reguliert werden soll. Wir sprechen uns dafür aus, dass die oben genannten Forderungen auch für Fahrdienste mit Mietwagen gelten sollen. Da durch die digitale Übermittlung von Fahrtenwünschen die Rückkehrpflicht als wichtiges Unterscheidungskriterium zwischen Taxen und Mietwagen kaum noch ins Gewicht fällt, plädiert der VCD zudem für eine Vorbestellfrist für per App vermittelte Mietwagenfahrdienste.

Bastian Kettner

Sprecher für Bahn, ÖPNV und Multimodalität beim VCD

Fon 030/28 03 51-36
bastian.kettner@vcd.org
Bastian Kettner auf Twitter folgen

zurück

Cookie-Einstellungen ändern