Batterie-Recycling

Schatzkammer Alt-Akku

Was soll mit den ausgedienten Batterien passieren, wenn immer mehr Autos elektrisch fahren? Gehäuse und Kabel lassen sich einfach wiederverwerten. Module und Zellen schwieriger. Aber es gibt Lösungen.

Die Boxen sind groß wie ein Klavier. Zwei Mitarbeiter in grauen T-Shirts öffnen die Scharniere. Sie entfernen die für Lithium-Ionen-Batterien dieser Größe vorgeschriebene Verpackung und Polsterung aus Sicherheitsfolien und Saugmaterialien. Dann lösen sie mit einem Schrauber die Fixierungen. Erst jetzt können sie das schwere Batteriesystem mit einer Krankatze herausheben und auf den Gabelstapler bugsieren. Bereits dieser erste Schritt zum Recycling ausgedienter Lithium-Ionen-Akkus bei der niedersächsischen Firma Duesenfeld verdeutlicht einige der vielen Herausforderungen. Die Hunderte Kilogramm schweren Batterien sind mit Vorsicht zu behandeln. Überhitzen sie oder werden sie mechanisch beschädigt, können sie sich selbst entzünden. Doch der Aufwand lohnt sich: Die Akkus stecken voller Rohstoffe. Allein die Batterie eines Mittelklassewagens enthält sechs Kilogramm Lithium, zehn Kilogramm Man­gan, 11 Kilogramm Kobalt, 32 Kilogramm Nickel und 100 Kilogramm Graphit.

Meist werden diese auf Kosten von Mensch, Klima und Umwelt gewonnen. Vor allem Kobalt und Lithium sind problematisch. Kobalt wird überwiegend in der Demokratischen Republik Kongo unter menschenunwürdigen Bedingungen abgebaut, häufig von Kinderhänden. 70 Prozent der weltweiten Lithium-­Ressourcen befinden sich in einem Dreieck zwischen Bolivien, Argentinien und Chile. Der Abbau verbraucht große Mengen Wasser, 2 000 Liter für ein Kilogramm Lithium. Und das in einer der trockensten Regionen der Welt.

Zwar arbeiten Start-ups und Autobauer an Alternativen, wie etwa Feststoffbatterien, die mit einer hohen Energiedichte kürzere Ladezeiten und längere Reichweiten ermöglichen. Doch Lithium-Ionen-Akkus werden den Markt auf absehbare Zeit beherrschen. Das zeigt eine im April veröffentlichte Studie des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung. Um die Elektro­mobilität nachhaltig zu gestalten, braucht es also ein effizientes Recycling.
Kupferkabel, Aluminium, Stahl und Kunststoffe der Gehäuse lassen sich einfach wiederverwerten. Nicht so die Rohstoffe in den Modulen und Zellen. Duesen­feld hat die Lösung. „Wir erzielen mit wenig Energie höchste stoffliche Rückgewinnung“, sagt der stellvertretende Produktionsleiter Julius Schumacher. Herkömmliche Verfahren gewinnen 60 bis 70 Prozent der Rohstoffe­ zurück. „Unsere Quote liegt bei 91 %.“

Acht Tonnen CO2 gespart

Hinter Schumacher fährt der Gabelstapler das Batteriesystem zur Tiefenentladung. Das ist aus Sicherheitsgründen die Voraussetzung für alle weiteren Schritte. Die in den Akkus noch gespeicherte Energie wird genutzt. „Die Batterien bringen den Strom für ihr Recycling selbst mit.“ Schuhmacher zeigt auf einen Bildschirm mit laufenden Zahlenreihen. Sie zeigen an, wie viel Energie durch die Entladung gewonnen, wie viel aus dem Netz bezogen und wie viel eingespeist wird. Häufig stellt der Entladestrom den Großteil der benötigten Energie.

Die Energie-Effizienz des Verfahrens von Duesenfeld ist eine seiner Besonderheiten. Bei anderen Recyclern werden die Akkus eingeschmolzen. Hochöfen verbrauchen viel Energie und verursachen Klimagas. Das Lithium muss aus der Schlacke gewonnen werden und eignet sich nicht mehr für die Verwendung in Akkus. „Im Vergleich dazu sparen wir 4,8 Tonnen CO2 pro Tonne recycelter Batterien“, sagt Schumacher. Noch höher sei mit 8,1 Tonnen weniger CO2 die Einsparung im Vergleich zur Primärgewinnung der Rohstoffe. Kobalt, Nickel, Lithium, Mangan und Graphit werden so aufbereitet, dass sie wieder zur Herstellung von Akkus taugen. Eisen, Kupfer und Aluminium  gehen den Weg der etablierten Wiederverwertung.

Entstanden ist das mehrfach patentierte Verfahren aus einem Projekt der TU Braunschweig. 2019 wurde die heutige Anlage entwickelt. „Wir sind auf Expansionskurs“, sagt Geschäftsführer Frank Kleineidam und zeigt eine neu angemietete Halle, in der eine weitere Station für die Batterie-Entladung entstehen soll. Bislang verwertet Duesenfeld überwiegend kleine Mengen Vorserien-Akkus deutscher Autohersteller. Trotzdem soll bald eine schwarze Null vor dem Komma stehen.

Lithium aus Europa

Auch wenn die gestiegenen Preise den Abbau von Lithium in Deutschland und Europa lohnenswert machen, kommen die Projekte nur langsam voran. Der Start für den Lithium-Abbau bei Zinnwald im Erzgebirge wurde mehrfach verschoben. Die australische Firma Vulcan Energy will Lithium aus einer heißen Thermalsole im Rheingraben extrahieren und dabei gleichzeitig Energie aus Geothermie erzeugen.Aber in der lokalen Bevo?lkerung gibt es Vorbehalte. So auch bei anderen europäischen Vorhaben, ob in Spanien, Italien oder Portugal. Anderenorts gibt es Pro­bleme mit Genehmigungen, Lizenzen oder Finanzierungen. Und im Osten der Ukraine,­ wo die reichsten Lithium-Vorkommen Europas liegen, herrscht Krieg.

Recycling noch nicht profitabel
Dass das Recycling noch nicht wirklich profitabel ist, liegt an der geringen Anzahl ausgedienter Akkus. Zwar wächst die Zahl verkaufter E-Autos rasant. Doch deren Akkus halten acht bis zehn Jahre, was ungefähr einer Fahrleistung von bis zu 160 000 Kilometern entspricht. Wenn dann ihre Leistungsfähigkeit auf 70 bis 80 Prozent gesunken ist, können sie noch lange als Speicher für Solar- oder Windenergieanlagen dienen. Es dauert also, bis höhere Stückzahlen das Recyceln wirtschaftlich machen.
Auch waren lange die Rohstoffpreise­
zu niedrig. Das aber ändert sich. Der Preis für Lithium etwa hat sich in den letzten zwei Jahren fast verzehnfacht. Deshalb würde sich nun selbst der kostenintensive Abbau in Europa lohnen (siehe Kasten).
Einen weiteren Auftrieb für das Recyc­ling wird die Änderung der gesetzlichen Vorgaben auslösen. Bislang vorgeschrieben ist eine Quote von 50 Prozent. Die wird bereits mit dem Recycling von Gehäusen und Kabeln erreicht. Die EU-Kommission hat aber strengere Vorgaben vorgeschlagen: Kobalt, Kupfer, Nickel, Blei und Lithium sollen so zurückgewonnen werden, dass sie wieder für die Herstellung von Akkus taugen. Batteriehersteller sollen Mindestquoten für wiederverwendete Rohstoffe erfüllen. Auch Höchstwerte für den CO2-Fußabdruck von Akkus sind geplant.
Deshalb befassen sich auch andere Unternehmen mit dem Thema. BASF und Porsche wollen eine Pilotanlage zur Wiederverwertung ausgedienter Lithium-­Ionen-Akkus bauen. Accurec in Krefeld, ein etablierter Verwerter von Lithium-Ionen-Batterien aus Elektrogeräten, kooperiert mit Ford und dem chilenischen Lithiumproduzenten SQM.Anfang 2021 hat die Volkswagen AG in Salzgitter eine Anlage in Betrieb genommen.
Und was ist mit den Batterien von Pedelecs und E-Bikes? 2021 wurden in Deutschland erstmalig über zwei Millionen batteriegestützte Fahrräder verkauft. Nach drei bis fünf Jahren sind ihre Akkus häufig nicht mehr leistungsfähig.  Als sogenannte Industriebatterien müssen sie an geeigneten Sammelstellen, bei Händlern oder Herstellern abgegeben werden, die diese dem Recycling zuführen. Module und Zellen landen meist im Hochofen. Wie bei den Akkus für E-­Autos liegt die vorgeschriebene Quote für die Wiederverwendung der Rohstoffe bislang bei nur 50 Prozent. Eine Alternative zum Recycling könnte aber auch die Aufarbeitung von Akkus und Elektromotoren aus E-Bikes sein, wie sie zum Beispiel die Firma Liofit in Kamenz anbietet. Denn eines ist sicher: Eine lange Verwendung ist immer das Beste.

Text: Klaus Sieg

Ressourcenverbrauch von E-Autos

Elektroautos haben eine bessere Klima­bilanz als Verbrenner. Laut Bundesumweltministerium erzeugt ein E-Auto der Kompaktklasse über den gesamten Lebensweg etwa 30 Prozent weniger Klimagase als ein Benziner. Gegenüber einem Diesel liegt die Einsparung bei etwa 23 Prozent.

Treibhausgas-Emissionen sind ein zentraler Teil der Umweltbilanz von Autos, aber nicht der einzige. Beim gesundheitsschädlichen Feinstaub schneiden die Stromer zum Beispiel schlechter ab – zumindest wenn man die Kleinstpartikel mitzählt, die bei der Herstellung in die Luft gestoßen werden.

Was den Ressourcenverbrauch betrifft, stehen E-Autos gegenüber Verbrennern aktuell noch schlechter da. Allerdings entwickelt sich die Batterietechnik mit hoher Dynamik. Derzeit werden für die Herstellung der Fahrzeugkomponenten beim E-Auto deutlich mehr Rohstoffe benötigt als bei einem Verbrenner. Das liegt vor allem an den Lithium-Ionen Batterien, die heute in E-Autos überwiegend zum Einsatz kommen. Für ihre Herstellung benötigen die Produzenten neben dem Leichtmetall Lithium auch Kobalt, Nickel und Kupfer –­ die zum Teil unter menschenrechtlich problematischen und umweltschädlichen Bedingungen abgebaut werden.

Das Bundesumweltministerium geht davon aus, dass sich die Rohostoffbilanz der Stromer in Zukunft deutlich verbessern wird, etwa durch Weiterentwicklung von Produktion, Materialeffizienz, Speichertechnologie und bessere Recyclingverfahren. Laut einer Studie der in Brüssel ansässigen NGO „Transport & Environment“ könnte die Menge des für die Batterien benötigten Lithiums im Lauf des nächsten Jahrzehnts um die Hälfte sinken. Bei Nickel sei es etwa ein Fünftel, bei Kobalt sogar drei Viertel.

Mittlerweile werden immer mehr Batterien in Europa produziert. So importierte Deutschland 2020 Lithiumbatterien aus Polen im gleichen Umfang wie aus China, jeweils im Wert von 1,6 Milliarden Euro.

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