Heiko Rintelen, Geschäftsführer von FixmyBerlin: „Die Plattform entlastet die Behörden.“

Start-up „FixmyBerlin“

Schneller zur Fahrradstadt

Das Berliner Start-up „FixmyBerlin“ unterstützt die Verwaltungen mit digitalen Lösungen.

| Radverkehr

Fahrradbügel sind  in Städten oftmals Mangelware. Im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg konnten die Stadtbewohner*innen im vergangenen Jahr angeben, wo weitere Fahrradbügel aufgestellt werden sollten – einfach per Mausklick auf der interaktiven Planungskarte „FixmyBerlin“. Die Resonanz war riesig. 1.200 Anwohner markierten ihre Wunschstandorte für weitere Fahrradbügel und abschließbare Fahrradboxen auf der digitalen Karte – innerhalb von nur vier Wochen.

Berlin will Fahrradstadt werden. Aber der Auftakt zur Verkehrswende ist weit, weit mehr als der Umbau der Straße. Sie ist ein Kulturwandel, der von den Planerinnen und Entscheidern neue Denk- und Arbeitsweisen fordert. Dazu gehört unter anderem mehr Transparenz und Beteiligung in der Planung. Das Berliner Start-up „FixmyBerlin“ hat neben der gleichnamigen Plattform digitale Lösungen entwickelt, die diesen Prozess unterstützen. Ein zentraler Punkt dabei ist, die Kommunikation zwischen der Verwaltung und der Zivilgesellschaft zu verbessern.

Information zu Bauprojekten

Den Auftrag für das digitale Tool erhielt „FixmyBerlin“ von ganz oben: Die Senatskanzlei und das Bundesverkehrsministerium haben das Team aus Daten-, Kommunikations- und Verkehrsexperten damit beauftragt, eine interaktive Karte zu entwerfen, die sämtliche Bauvorhaben für den Radverkehr und ihren Projektstand in der Hauptstadt anzeigt. Mithilfe der Plattform können sich interessierte Bürger*innen nun jederzeit über die verschiedenen Bauprojekte genau informieren. „Anfangs fürchteten die Verwaltungen, dass die Beschwerden ansteigen“, sagt Heiko Rintelen, Geschäftsführer von „FixmyBerlin“. Aber das Gegenteil sei der Fall. Die Plattform entlaste die Behörden. „30 bis 50 Prozent ihrer Arbeitszeit haben die Mitarbeiter früher für das Beantworten von Bürgeranfragen verwendet“, sagt er. Seit es die Karte gibt, seien die Anfragen deutlich zurückgegangen.

„Für Bestandsabfragen wie Fahrradbügel ist so ein digitales Tool extrem hilfreich für Verwaltungen“, sagt Burkhard Horn, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des VCD. Der Verkehrsplaner leitete bis 2017 in der Berliner Senatsverwaltung den Bereich Verkehr und ist seitdem freiberuflich als Planer und Berater bundesweit unterwegs. Über die Nachfrage könnten die Bezirke klar prio­risieren, an welchen Stellen die Bügel zuerst aufgestellt werden. Die Idee sei allerdings nicht neu. Andere Städte wie Oldenburg nutzen ebenfalls Online- Meldesysteme. Allerdings können die Bürger*innen darüber auch Schlaglöcher oder Scherben auf der Straße melden. Der Vorteil des „FixmyBerlin“-Meldetools ist: Es ist extrem leicht auf andere Städte übertragbar. Aachen wird es ab Mitte April unter dem Namen „Radbügel Aachen“ ebenfalls nutzen. Weitere Städte und Kommunen sind mit „FixmyBerlin“ im Gespräch.

Team betritt Neuland

Momentan testet das Team weitere digitale Methoden im Vorfeld der Radverkehrsplanung. Mit dem Berliner Tagesspiegel haben sie die Umfrage „Der Berliner Straßencheck“ gestartet, die anhand von 3D-Visualisierungen verschiedene Typen an Radinfrastruktur zeigt. Anhand der Bilder sollen die Menschen per Mausklick entscheiden, auf welcher Art von Radwegen sie sich am sichersten fühlen. „Einen ernsthaften Dialog kann ich digital nicht abbilden“, sagt Rintelen. Aber die Stadtbewohner*innen könnten anhand der Bilder durchaus beurteilen, ob sie auf den abgebildeten Radwegen Fahrrad fahren würden oder nicht.

Mit dieser Umfrage betritt das Team Neuland. Bislang gibt es kaum Untersuchungen über Menschen, die nicht Rad fahren. Wenn Stadtbewohner aber zukünftig tatsächlich mehr Alltagswege auf zwei statt auf vier Rädern zurücklegen sollen, muss man ihre Beweggründe kennen, warum sie es vermeiden. Wenn die Ergebnisse beispielsweise zeigten, dass das Sicherheitsgefühl der Radfahrer bei Radwegen unter einer bestimmten Breite problematisch sei, müsse man entsprechend größer bauen, sagt Rintelen. Mithilfe des „Straßenchecks“ könnten Verwaltungen die Bevölkerung viel direkter in die Planung einbeziehen. Das ist ein komplett neuer Ansatz – bislang ist das allerdings nur Theorie.

Andrea Reidl

Andrea Reidl arbeitet als freie Journalistin zu den Themen Nachhaltige Mobilität und Fahrradkultur.

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