Die Bundesregierung erarbeitet derzeit eine Wasserstoff-Strategie, die auch den Einsatz im Verkehr umfasst. Beim Ziel sind sich alle einig: Verkehr soll möglichst klimaneutral werden. Doch ist Wasserstoff wirklich die Lösung für unsere Verkehrsprobleme?
von Michael Müller-Görnert und Yvonne Hennig
“Grüner Wasserstoff ist das Erdöl von morgen.” Mit Slogans wie diesen wirbt das Bundesministerium für Bildung und Forschung für die nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung, die jetzt verabschiedet werden soll. Seit Anfang Februar existiert ein Entwurf, der neben dem Aufbau einer Wasserstoffproduktion in Deutschland auch ein Programm zur Förderung der Brennstoffzellentechnologie und zum Einsatz von Wasserstoff im Verkehr vorsieht. Deutschland soll zum Vorreiter in Sachen Wasserstoff werden.
Ziel der Strategie ist es, einen langfristigen politischen Rahmen für Investitionen zu schaffen. Die Bundesregierung will Wasserstoff in großem Maße verfügbar und bezahlbar machen, damit er sich etablieren kann - vor allem in Industrie und Verkehr. "Ein besonderer Fokus muss auf den Ausbau des Wasserstoff-Tankstellennetzes und auf die Versorgung der Industrie gelegt werden", heißt es in dem Entwurf der nationalen Wasserstoffstrategie. Neben der direkten Verwendung in Brennstoffzellenfahrzeugen soll Wasserstoff auch zu synthetischen Kraftstoffen, sogenannten E-Fuels, weiterverarbeitet werden. Diese können in herkömmlichen Verbrennungsmotoren zum Einsatz kommen.
Klar ist, um die Klimaziele im Verkehr einhalten zu können, braucht es nicht nur einen Antriebswechsel, sondern einen nachhaltigen und ganzheitlichen Umbau des Verkehrssystems: weg vom Auto, hin zu mehr Fuß-, Rad-, Bus- und Bahnverkehr. Für die, die aber weiter auf ein Auto angewiesen sind, stellt sich die Frage nach dem umweltschonendsten Antrieb.
Wasserstoffautos sind auf den ersten Blick die perfekte Lösung, um den CO2-Ausstoß im Verkehr drastisch zu verringern. Im Fahrbetrieb erzeugen Brennstoffzellenfahrzeuge keine Emissionen – aus dem Auspuff kommt nur Wasserdampf. Sie zählen damit genauso wie die batterieelektrischen Fahrzeuge zu den sogenannten „Zero Emission Vehicles“. Im Vergleich zu E-Autos geht das Tanken schneller und Brennstoffzellenfahrzeuge können mit einer Tankfüllung eine längere Strecke zurücklegen.
Allerdings steht Wasserstoff als Antrieb im Verkehr noch ganz am Anfang und die Technologie vor großen Herausforderungen. Derzeit gibt es nur zwei Brennstoffzellen-Modelle auf dem deutschen Markt, die mit Wasserstoff angetrieben werden. Den Toyota Mirai mit einer Reichweite von bis zu 500 km, und den Hyundai Nexo, der laut Hersteller sogar 756 km weit kommen soll. Beide sind mit über 70.000 Euro nicht gerade günstig. Außerdem kann Wassersoff gerade einmal lediglich an rund 80 Wasserstoff-Tankstellen getankt werden. Zum Vergleich: Ein E-Auto kann man bereits an über 24.000 öffentlich oder teilöffentlich zugänglichen Ladepunkten laden, viele haben auch eine Lademöglichkeit zuhause oder am Arbeitsplatz. E-Fuels hingegen werden derzeit lediglich im Labormaßstab in kleinen Pilotanlagen hergestellt, tanken kann man sie absehbar nicht.
Viele Wissenschaftler*innen und Verkehrsexpert*innen halten daher einen Einsatz von Wasserstoff nicht für eine sinnvolle Lösung, um den CO2- Ausstoß im Verkehrssektor entscheidend zu senken. Sie raten stattdessen, sich auf die konsequente Förderung von Elektromobilität und den schnellen Ausbau der dazugehörenden Infrastruktur zu konzentrieren.
So ist die direkte Stromnutzung – via elektrische Oberleitungen oder in E-Autos mit Batterie – wesentlich effizienter als der Wasserstoffantrieb per Brennstoffzelle oder über E-Fuels. Auch ist der Wirkungsgrad von Batterieautos im Vergleich zur Brennstoffzelle wesentlich höher. Die Verfechter der Wasserstoffmobilität setzen ihre Hoffnungen deshalb in die technologische Weiterentwicklung. Dennoch bleibt das grundsätzliche Problem: Es muss erst Energie aufgewendet werden, um Wasserstoff mittels Elektrolyse aus Wasser herzustellen, der im Fahrzeug wieder zu Strom umgewandelt wird. Bei E-Fuels kommt noch ein weiterer Umwandlungsschritt hinzu, in dem Wasserstoff mittels CO2 zu flüssigen oder gasförmigen Kraftstoffen aufbereitet wird. Zum Vergleich: Mit der gleichen Menge Strom fährt ein E-Auto 2,5 Mal so weit wie ein Brennstoffzellenfahrzeug, und 5-6 Mal so weit wie ein mit E-Fuels angetriebenes Auto. Nimmt man dabei den typischen deutschen Strommix als Basis, verursacht ein Brennstoffzellenfahrzeug etwa 75% mehr CO2-Emissionen als ein vergleichbares E-Auto, bei mit E-Fuels angetriebenen Autos liegen die Treibhausgasemissionen rund dreimal so hoch. (Quelle: Agora Verkehrswende) Auch gegenüber einem Diesel fällt die Klimabilanz von Brennstoffzelle und E-Fuels auf Basis des deutschen Strommixes negativ aus.
Entscheidend für die Ökobilanz sind letztlich die vorgelagerten Emissionen, also die Emissionen bei der Strom- und Kraftstoffproduktion. Derzeit wird Wasserstoff hauptsächlich aus der Dampfreformation von Erdgas hergestellt. Man spricht dann von „grauem“ Wasserstoff. Dabei entsteht CO2. Nur „grüner“ Wasserstoff auf Basis erneuerbaren Stroms hat eine positive CO2-Bilanz und damit hat auch nur dann das Brennstoffzellenauto einen Klimavorteil gegenüber dem Diesel oder Benziner.
Große Mengen grünen Wasserstoff herzustellen, ist nicht nur teuer, es würde auch enorm viel Ökostrom benötigen. Forscher*innen der Universität Köln warnen in einer kürzlich veröffentlichten Studie davor, dass erneuerbare Energien bald knapp werden könnten. Grund sei die Klimastrategie der Bundesregierung: Der Wechsel zu grünem Strom beim Heizen, Autofahren und in der Industrie schaffe einen riesigen Bedarf an Ökostrom, den Deutschland derzeit allein nicht produzieren könne.
Ein weiteres Problem beim Ausbau der Wasserstoff-Technologie ist die Infrastruktur. Die notwendigen Elektrolyse-Anlagen für Herstellung und Weiterverarbeitung müssten erst aufgebaut werden. Angesichts der begrenzten Potenziale in Deutschland soll dies vorwiegend in sonnen- und windreichen Gegenden im Ausland geschehen, aus denen Wasserstoff bzw. synthetische Kraftstoffe dann im großen Stil importiert würden - mit allen damit verbundenen Schwierigkeiten. Dabei müssten die exportierenden Länder selbst erstmal große Mengen Ökostrom produzieren, den sie gleichzeitig für die eigene Energiewende benötigen.
Die Antwort auf die eingangs gestellte Frage fällt daher eindeutig aus: Noch ist der Einsatz von Wasserstoff im Verkehr eher Wunschdenken als eine kluge Lösung. Die Produktion von Wasserstoff ist energieaufwändig und benötigt den zusätzlichen Ausbau erneuerbarer Energien. Diese stehen kurz- und mittelfristig nicht zur Verfügung. Zudem sind an die Wasserstoffproduktion, insbesondere im Ausland, klare Kriterien für eine nachhaltige und effiziente Produktion zu knüpfen, um negative Effekte zu vermeiden. Hier ist die Politik gefordert. Und: Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe werden an der Tankstelle auch künftig deutlich teurer sein als Benzin und Diesel. Darum ist das Elektroauto schon heute die bessere Wahl, rasch und kostengünstig den Antriebswechsel hin zu emissionsfreien Technologien voranzutreiben. Dennoch kann der Einsatz von Wasserstoff und E-Fuels künftig eine wichtige Klimaschutzoption für die Verkehrsbereiche sein, die sich nicht direkt elektrifizieren lassen, wie der Flug- und Schiffverkehr. Darum sollten sich die Überlegungen zum Einsatz von Wasserstoff im Verkehr auf diese beiden Bereiche konzentrieren.
Michael Müller-Görnert
ist beim VCD Verkehrspolitischer Sprecher für die Themen Klima, Luft und Auto.
#WirbleibenzuHause
Kreative Ideen rund um Mobilität Mehr lesen