Endlich Grenzwerteinhaltung: Deutsche Umwelthilfe, ökologischer Verkehrsclub VCD und Landeshauptstadt München schließen Vergleich für Saubere Luft

Nach elf Jahren Grenzwertüberschreitung beim Dieselabgasgift Stickstoffdioxid und Weigerung des Freistaats, Gerichtsurteile zu beachten, konnte nun ein Maßnahmenpaket für die Saubere Luft in München vereinbart werden. Dieselfahrverbote kommen nun ab dem 1. Februar 2023 in der gesamten Innenstadt sowie auf dem Mittleren Ring. Der Einsatz für Saubere Luft geht weiter: Ein Fahrplan für die von der WHO geforderte Verschärfung der europäischen Luftreinhalterichtlinie mit deutlich geringerem Partikel- und NO2-Grenzwert wird noch im Oktober veröffentlicht.

In den gerichtlichen Verfahren für Saubere Luft des ökologischen Verkehrsclubs VCD sowie der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen die Landeshauptstadt München haben sich die Beteiligten auf einen Vergleich geeinigt. Damit ist die Grenzwerteinhaltung für das Dieselabgasgift Stickstoffdioxid (NO2) in der deutschlandweit am stärksten belasteten Stadt endlich in Sicht.

Neben vielfältigen Bemühungen der Stadt zur Verbesserung des Bus- und Bahn-Angebots sowie der Infrastruktur für Rad- und Fußverkehr werden nun großräumig Dieselfahrverbote eingeführt, um die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Zum 1. Februar 2023 wird die bestehende Umweltzone auf den Mittleren Ring ausgeweitet und durch ein Fahrverbot für Fahrzeuge bis einschließlich Diesel Euro 4/IV verschärft. Ab dem 1. Oktober 2023 gilt das Fahrverbot auch für Euro 5/V Diesel. Dabei werden anfangs Ausnahmen für den Lieferverkehr, Handwerksbetriebe sowie Anwohnerinnen und Anwohner zugelassen. Ab dem 1. April 2024 müssen diese Ausnahmen einzeln beantragt werden. Eine neue Busspur auf der Landshuter Allee ergänzt das Konzept.

Ein Gutachten zu insgesamt 15 Maßnahmen und Maßnahmenpaketen zeigte, dass die Grenzwerteinhaltung ausschließlich durch umfassende Dieselfahrverbote gelingen kann. Jede andere in Betracht kommende Maßnahme hätte die rechtswidrigen Zustände über Jahre hinaus verlängert.

Dazu Christoph von Gagern, 1. Vorsitzender des VCD-Kreisverbands München: „Die Vergleichsgespräche mit der Landeshauptstadt München waren erfolgreich. Wir haben erreicht, dass nun endlich Maßnahmen ergriffen werden, um die bereits seit 2010 geltenden NO2-Grenzwerte einzuhalten. Vor allem die betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner, auch an der Landshuter Allee, werden dies zu schätzen wissen.“

Und Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Seit nunmehr zwölf Jahren betreibt der Freistaat eine Klientelpolitik für seine Automobilhersteller und gegen seine Bürgerinnen und Bürger. Im ganzen Bundesgebiet außerhalb Bayerns haben wir in insgesamt über 40 Klageverfahren die Saubere Luft und damit die Einhaltung der Grenzwerte für das Dieselabgasgift durchgesetzt. Allein die bayerische Staatsregierung zeigte trotz mehrfacher Verurteilungen keinerlei Willen, die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger ausreichend zu schützen. Nachdem sogar der Europäische Gerichtshof über eine Zwangshaft gegen den Ministerpräsidenten entscheiden musste, änderte der Freistaat die Zuständigkeiten für die Luftreinhaltung, sodass nunmehr die Städte zuständig sind. Mit der Landeshauptstadt München kehrte eine sachliche und lösungsorientierte Diskussionskultur ein. Ich freue mich, dass wir in unseren Vergleichsgesprächen mit der Landeshauptstadt München endlich Maßnahmen beschließen konnten, mit denen der Grenzwert bald eingehalten wird. Da zu erwarten ist, dass es im Jahr 2023 noch zu Grenzwertüberschreitungen kommen wird, ist uns die Zustimmung zu dem Vergleich nicht leichtgefallen. Die konstruktive Diskussion mit der Landeshauptstadt und die schnelle Umsetzung von Diesel-Fahrverboten als wirksamste Maßnahme haben uns jedoch davon überzeugt, dass der hier gewählte Weg der richtige ist.“

Remo Klinger, der den VCD und die DUH in diesen Verfahren vertritt: „Mehr als zehn Jahre rechtswidriger Zustände in München haben ein Ende. Dass dafür erst die Zuständigkeit für die Luftreinhaltung von der Landesregierung auf die Stadt übertragen werden musste, ist beschämend für das Rechtsstaatsverständnis der bayerischen Staatsregierung.“

Die Vereinbarung tritt erst nach dem Beschluss des Münchner Stadtrates in Kraft. Sobald die 8. Fortschreibung des Luftreinhalteplans der Landeshauptstadt München mit allen im Vergleich enthaltenen Maßnahmen in Kraft tritt, werden der VCD sowie die DUH ihre jeweiligen Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof sowie dem Bayerischen Verwaltungsgericht München für erledigt erklären. Unsere Arbeit geht nun in die nächste Runde: Noch in diesem Jahr erwarten wir den Fahrplan der Europäischen Union für die seit Jahren überfällige Verschärfung der europäischen Luftreinhalterichtlinie mit einem Grenzwert für Stickstoffdioxid, der deutlich unter dem jetzigen Jahresgrenzwert liegt.

Zum Hintergrund: Der VCD hatte ein verwaltungsgerichtliches Verfahren gegen den Freistaat Bayern angestrengt, bei dem die Landeshauptstadt München als Beigeladene beteiligt war. Nach der Änderung der Zuständigkeit für die Luftreinhalteplanung ist der Freistaat Bayern kein Beteiligter dieses Rechtsstreits mehr, die Klage richtete sich nun gegen die Landeshauptstadt München. Das Verfahren ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof unter dem Aktenzeichen 22 B 18.1952 anhängig.

Die DUH hat verschiedene Vollstreckungsverfahren gegen den Freistaat Bayern wegen eines gegen den Freistaat erstrittenen rechtskräftigen Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 – M 1 K 12.1046 – geführt (BayVGH 22 C 18.583 u.a.). Zuletzt wurde darüber gestritten, ob die Verpflichtungen aus dem rechtskräftigen Urteil auf die Landeshauptstadt München übergegangen sind. Aufgrund einer Änderung des Bayerischen Immissionsschutzgesetzes ging zum 1. Juni 2021 die Zuständigkeit für die Erstellung von Luftreinhalteplänen auf Gemeinden in Bayern mit mehr als 100.000 Einwohnern und damit auch auf die Landeshauptstadt München über.

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