Neue EU-Bahnfahrgastrechte: Kund*innen haben das Nachsehen

Am 07. Juni 2023 tritt die Neufassung der Verordnung 2021/782 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr in Kraft. Sie gilt in den Fernzügen in der EU und im Europäischen Wirtschaftsraum (Liechtenstein, Norwegen, Schweiz). Alexander Kaas Elias, Bahnsprecher des ökologischen Verkehrsclubs VCD, kommentiert die Änderungen:

Entschädigung bei Verspätungen
„Die wesentliche Änderung betrifft die Entschädigung im Fall einer Verspätung. Gleich bleibt, dass ab einer Stunde Verspätung 25 Prozent und ab zwei Stunden 50 Prozent des Ticketpreises erstattet werden. Aber: Bahnunternehmen müssen ab dem 07. Juni nur noch dann einen Teil des Ticketpreises rückerstatten, wenn keine ‚höhere Gewalt‘ Grund für die Verspätung ist. Als höhere Gewalt gelten zum Beispiel Unwetter oder das (Fehl-)Verhalten von Fahrgästen oder Dritten, wie unbefugtes Betreten der Gleise oder Sabotage. Mit Blick auf die Kundenfreundlichkeit ist das ein Rückschritt, denn in vielen Fällen wird eine Entschädigung damit ausbleiben.

Reise ich mit mehreren Bahnunternehmen an mein Ziel, habe ich nach wie vor ein Problem, wenn sich einer der Züge verspätet und ich dadurch meinen Anschlusszug verpasse. Das Bahnunternehmen des verspäteten Zuges muss zwar die Entschädigung übernehmen, aber wie ich ohne Zusatzkosten an mein Ziel komme, hängt von der Kulanz der anderen Bahnunternehmen ab.

Nachteile in diesem Zusammenhang entstehen nicht nur durch die EU-Verordnung, sondern auch durch das Deutschlandticket: Wenn ich einen ICE verpasse, weil ich mit diesem Ticket in einem verspäteten Regionalzug angereist bin, will die Deutsche Bahn meine Verspätungen nicht mehr anerkennen. Damit die Bahn bei allen Verspätungen nicht weiter an Attraktivität verliert, wäre sie gut beraten, eine Kulanzregelung zu finden. Denn auch ohne die Pflichtklausel steht es jedem Verkehrsunternehmen frei, eine kundenfreundlichere Regelung umzusetzen.“

Fahrradmitnahme
„Die EU-Novelle sieht mickrige vier Fahrrad-Stellplätze für jeden neuen oder modernisierten Zug vor – statt der ursprünglich vom EU-Parlament geforderten acht Plätze. In Deutschland sollen die Bahnunternehmen, zusätzlich zur Stellplatz-Pflicht, Maßnahmen vorlegen, wie Fahrräder künftig besser befördert werden. Diese Pläne müssen von den Unternehmen online veröffentlicht werden. Der ökologische Verkehrsclub VCD wird die rasche Umsetzung im Blick behalten.“

Barrierefreiheit
„Auch die Verbesserungen für mehr Barrierefreiheit sind leider dürftig. An Bahnhöfen muss künftig eine zentrale Anlaufstelle für mobilitätseingeschränkte Menschen vorhanden sein. Hier sollen Reisende Unterstützung beim Ein- und Aussteigen anmelden können. Das mag zwar auf den ersten Blick die Bahnfahrt erleichtern, bedeutet aber im Grunde nur, dass nach wie vor an vielen Bahnhöfen kein barrierefreier Ein-, Aus- oder Umstieg ohne Voranmeldung und Hilfsmittel wie Hublifte möglich sein wird. Somit bleiben spontane und eigenständige Fahrten für körperlich eingeschränkte Menschen weiterhin Zukunftsmusik. Was sich ändern muss, zeigt der VCD-Bahntest zum Thema Barrierefreiheit.

Aber: Nach der Reform ist vor der Reform und spätestens die nächste Europäische Kommission wäre gut beraten, eine Novelle der Bahnfahrgastrechte im Sinne der Kundinnen und Kunden aufzulegen. Das Bundesverkehrsministerium sollte sich dem dringend anschließen.“

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