Selbst Autofahrende wünschen sich mehr Platz fürs Rad: Befragung in Kempten bringt überraschende Erkenntnisse

Fast zwei Drittel der Befragten fühlen sich durch ein zu hohes Verkehrsaufkommen im Zentrum Kemptens in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Das ergab eine Umfrage, die am Mittwoch vom FLKE und dem ADFC vorgestellt wurde. Initiiert wurde die Umfrage von dem VCD-Projekt “Straßen für Menschen“ und dem Aktionsbündnis „Eine für alle: Salzstraße fairteilen“. An der Veranstaltung nahmen rund 90 Gäste teil.

Kempten, 20. Januar 2023. In Kempten dominiert nach wie vor das Auto – obwohl 2016 ein modernes Mobilitätskonzept erstellt wurde, das die Stadt bis 2030 umsetzen soll. Besonders die Salzstraße ist nach wie vor stark befahren: ca. 16.000 Autos verkehren dort täglich. Fußgänger*innen und Radfahrende fühlen sich unsicher, weil Autos zu schnell fahren, Bürgersteige zu schmal sind und Radwege fehlen.

Doch selbst Autofahrer*innen wünschen sich zu großen Teilen mehr Platz für Zufußgehende und Radfahrer*innen. Das ist das Ergebnis der Umfrage, die das Aktionsbündnis „Eine für alle: Salzstraße fairteilen“ gestern vorgestellt hat. Das Bündnis besteht aus dem Freundeskreis Lebenswertes Kempten (FLKE), dem ökologischen Verkehrsclub VCD, dem Regionalverband Kempten-Oberallgäu des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), der Mobilitätsgruppe Agenda 21 und dem Landesverband Bayern des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND).

„Die Zahlen sind eindeutig“, so Gesine Weiß, Vertreterin des Aktionsbündnisses. „Die Menschen wollen Radwege in der Salzstraße, sowie weniger und langsameren Autoverkehr. Mehr als die Hälfte der Befragten wünscht sich eine städtebauliche Aufwertung des Stiftsplatzes, Bäume, die Verbesserung der Schulwegsicherheit und bessere Querungsbedingungen. Jetzt muss die Politik handeln und die Straße entsprechend umgestalten. Um mangelnde Akzeptanz unter den Anwohner*innen braucht sie sich nicht zu sorgen.“

In der Umfrage, an der sich im Sommer 2022 über 600 Personen beteiligten, kamen nicht nur Fußgänger*innen und Radfahrende zu Wort, sondern zu gleichen Teilen auch Autofahrer*innen. Überraschend dabei: Selbst diese gaben zu großen Teilen an, sich vom Verkehrsaufkommen und fehlendem Platz für Radwege in der Salzstraße gestört zu fühlen. So bemängeln insgesamt rund sieben von zehn Befragten das Fehlen von Radwegen (75 Prozent), zu viel Verkehr (74 Prozent) und zu schmale Gehwege (66 Prozent). Viele fühlen sich darüber hinaus durch zu schnell fahrende Autos (58 Prozent) und Verkehrslärm (43 Prozent) gestört. Insgesamt empfinden 64 Prozent der Befragten die derzeitige Situation als einschränkend für ihre Lebensqualität – ein deutliches Signal, dass es hier Veränderungen braucht.

Bei der Veranstaltung „Wem gehört die (Salz-) Straße?“ am 18. Januar schlug das Aktionsbündnis mögliche Maßnahmen vor, wie Tempo 30 oder die Einrichtung von Radwegen im südlichen Abschnitt der Straße. Wo die Salzstraße besonders eng ist, wäre in den Augen des Bündnisses ein „Shared Space“ die beste Lösung. Der Begriff beschreibt die Idee eines gleichberechtigten Miteinanders im Verkehr bei einem stadtverträglichen Tempo. Wo möglich, solle die Stadt zudem Flächen entsiegeln und Bäume pflanzen. Dem Oberbürgermeister Thomas Kiechle, dem Mobilitätsmanager Stefan Sommerfeld und den Mitgliedern des Mobilitätsauschusses wurden die Ergebnisse ebenfalls übergeben. 

VCD-Projektleiterin “Straßen für Menschen“, Tanja Terruli: „Mit unserem Projekt unterstützen wir das bürgerschaftliche Engagement für die Verkehrswende. Unser Ziel sind lebenswerte Städte, in denen sich die Menschen gern aufhalten. Das heißt auch, dass wir weniger Lärm und saubere Luft in unseren Städten brauchen. Und mehr Platz für Zufußgehende und Radfahrende. Das Aktionsbündnis „Eine für alle: Salzstraße fairteilen“ zeigt exemplarisch auf, wie diese Themen auf kommunaler Ebene breit in der Gesellschaft diskutiert werden können.“

Das Projekt Straßen für Menschen des Verkehrsclubs Deutschland e.V. wird von PHINEO im Rahmen der Initiative Mobilitätskultur gefördert. Ziel der Initiative Mobilitätskultur ist es, eine erfolgreiche Verkehrswende einzuleiten und lebenswerte Städte zu schaffen. In den kommenden zehn Jahren werden Projekte und Organisationen gefördert, die das Bewusstsein für Mobilität verändern und urbane sowie lebenswerte Räume schaffen, in denen Menschen gerne auf ihr eigenes Auto verzichten.

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