Stuttgart 21 neu ausrichten statt stoppen – VCD legt vier Maßnahmen vor, um Milliardenprojekt zu retten

Heute Bundestagsanhörung zu Stuttgart 21 im Verkehrsausschuss. VCD: Völliger Projektabbruch zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr angebracht. Bundesregierung muss bei Bauplanung umsteuern. Teile von Stuttgart 21 so schnell wie möglich in Betrieb nehmen, verbliebenen Kopfbahnhof nutzen, Flughafenbahnhof streichen und Strecke Mannheim-Stuttgart ausbauen. VCD-Vertreter als Sachverständiger im Bundestag.

Berlin/Stuttgart: Der ökologische Verkehrsclub VCD spricht sich anlässlich der heutigen Bundestagsanhörung zu Stuttgart 21 für eine grundlegende Neuausrichtung des Projekts aus. Ein Baustopp sei angesichts des Baufortschritts und der politischen Mehrheitsverhältnisse nicht mehr realistisch, so Matthias Lieb, Vorsitzender des VCD-Landesverbands Baden-Württemberg. Lieb ist heute als Sachverständiger zur Anhörung vor dem Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages geladen. Um das Milliardenprojekt im Sinne der Fahrgäste, des Klimaschutzes und der Stadt Stuttgart zu Ende zu bringen, fordert der VCD vier zentrale Maßnahmen. Teile von Stuttgart 21 sollten so schnell wie möglich in Betrieb genommen sowie Teile des heutigen Kopfbahnhofs erhalten und weiterhin für dort endende Züge genutzt werden. Um den Engpass auf der Strecke Mannheim-Stuttgart zu beseitigen, müssen den vorhandenen zwei Gleisen vor Stuttgart zwei weitere Gleise hinzugefügt werden. Der geplante Flughafenbahnhof sollte gestrichen werden.

Matthias Lieb, Sachverständiger des VCD: „Zum jetzigen Zeitpunkt ist weder ein Baustopp noch ein ‚Weiter so wie bisher‘ angebracht. Wider besseres Wissen haben sich die Projektverantwortlichen gegen einen rechtzeitigen Ausstieg entschieden. Um das Baustellendesaster zu einem sinnvollen Ende zu führen, muss die Bundesregierung das Projekt jetzt umsteuern. Statt den Bahnknoten Stuttgart komplett zu ersetzen, muss die bestehende und im Bau befindliche Infrastruktur zielführend ergänzt werden. Das, was für einen flüssigen Bahnverkehr noch fehlt, muss gebaut und Unnützes gestrichen werden.“

Der VCD kritisiert, dass die derzeitigen Bauvorhaben für Stuttgart 21 die Engpässe im Schienennetz nicht beheben. In der jetzigen Form verhindert Stuttgart 21 die Einführung des Deutschland-Taktes in der Region. Beim Deutschland-Takt geht es um das Ziel, die Bahninfrastruktur so zu verbessern und die Zugverbindungen so aufeinander abzustimmen, dass Bahnfahrer unkompliziert und ohne lange Wartezeiten von A nach B reisen können. Die Bundesregierung hat sich zum Deutschland-Takt bekannt und will unter anderem dadurch die Fahrgastzahlen bei der Deutschen Bahn bis zum Jahr 2030 verdoppeln.

VCD-Bundesvorsitzender Wasilis von Rauch: „Stuttgart 21 blockiert die Verkehrswende, statt sie voran zu bringen. Für den Klimaschutz brauchen wir mehr Menschen, die durch ein gutes Angebot vom Auto oder Flugzeug auf die Bahn wechseln. Behebt die Bundesregierung die Engpässe in Stuttgart nicht, stellt sie sich selbst ein Bein: Die angestrebte Verdopplung der Fahrgastzahlen bis 2030 wird dann fast unmöglich. Noch hat die neue Regierung die Chance, bei Stuttgart 21 Verantwortung zu übernehmen. Dazu muss sie jetzt entschieden eingreifen.“

Die vier vom VCD geforderten Maßnahmen zur Neuausrichtung von Stuttgart 21 im Einzelnen:

1. Teilinbetriebnahme statt Warten, bis das gesamte Vorhaben abgeschlossen ist: Die Schnellfahrstrecke Wendlingen-Ulm lässt sich bereits nach deren Fertigstellung nutzen. Sie ermöglicht unabhängig von den Bauten am Stuttgarter Hauptbahnhof eine Fahrzeitverkürzung von circa 20 Prozent. Durch eine vorgezogene Inbetriebnahme der S-Bahn-Gleise von Bad Cannstatt nach Stuttgart Hauptbahnhof, wird eine Trennung zwischen S-Bahn, Regional- und Fernverkehr ermöglicht. Die Trennung der Verkehre erhöht die Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit des Systems und schafft Kapazität für zusätzliche Züge.

2.  Engpassbeseitigung zwischen Mannheim und Stuttgart: Die ICE-Strecke Mannheim-Stuttgart endet kurz vor Stuttgart, ab dort müssen sich die ICE-Züge die Trasse mit den übrigen Regionalzügen teilen. Mit dem Hinzufügen von zwei weiteren Gleisen auf acht Kilometern Länge vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof ist eine Trennung von Fern- und Nahverkehrszügen möglich. Der Ausbau ist die Voraussetzung, um den Deutschland-Takt auch in der Region umzusetzen. Grundsätzlich wird so die Kapazität und die Zuverlässigkeit auf dieser wichtigen Schienentrasse verbessert.

3. Ergänzen statt Ersetzen: Teile des bestehenden Kopfbahnhofs in Stuttgart sollten beibehalten und weiterhin für dort endende Züge genutzt werden. Der durch den Tiefbahnhof mit seinen acht statt bisher 17 Gleisen verursachte Engpass kann so entschärft werden. Für den Städtebau kommt eine Überbauung der bestehenden oberirdischen Eisenbahnflächen in Betracht.

4. Streichung des Flughafenbahnhofs: Der Flughafen ist mit dem entsprechenden S-Bahnhof bereits gut an die Stuttgarter Innenstadt angebunden. Der geplante unterirdische Fernverkehrsbahnhof am Flughafen bringt im Vergleich zu den hohen Kosten kaum einen Nutzen. Ein einfacher Bahnhof direkt an der Schnellfahrstrecke wie in Düsseldorf wäre ausreichend. Damit könnte rund eine dreiviertel Milliarde Euro eingespart werden.

Zu den Kosten von Stuttgart 21:

Die Deutsche Bahn AG rechnet für Stuttgart 21 inzwischen mit einem Verlust von über zwei Milliarden Euro aus dem ursprünglich als eigenwirtschaftlich begonnenen Projekt. Im Jahr 2009 wurde der Bau beschlossen – damals mit geplanten 4,1 Milliarden Euro Baukosten und dem Ziel, den Bahnhof bis 2018 fertig zu stellen. Der VCD Baden-Württemberg hatte bereits damals die Angaben der Bahn in Frage gestellt und Baukosten von über acht Milliarden Euro bei einer Fertigstellung frühestens 2025 vorausgesagt. Heute entspricht die Prognose der Bahn genau den Zahlen des VCD. Die DB hat erklärt, dass bei heutiger Kenntnis das Projekt nie hätte begonnen werden dürfen.

VCD-Pressekontakt:

Almut Gaude, VCD-Pressesprecherin • Telefon 030/280351-12 • <link>presse@vcd.org • <link http: www.vcd.org>www.vcd.org  • Twitter: <link https: twitter.com vcdev>@VCDeV

Der ökologische Verkehrsclub VCD ist ein gemeinnütziger Umweltverband, der sich für eine umweltverträgliche, sichere und gesunde Mobilität einsetzt. Im Mittelpunkt steht dabei der Mensch mit seinen Bedürfnissen und Wünschen für ein mobiles Leben. Seit 1986 kämpft der VCD für ein gerechtes und zukunftsfähiges Miteinander zwischen allen Menschen auf der Straße – egal, ob sie zu Fuß, auf dem Rad, mit Bus und Bahn oder dem Auto unterwegs sind. Dafür arbeitet er vor Ort mit zwölf Landesverbänden und rund 140 Kreisverbänden und Ortsgruppen. Rund 55.000 Mitglieder, Spender und Aktivistinnen unterstützen die Arbeit des VCD für eine zukunftsfähige Mobilität.

 

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