Minister Wissing bastelt sich eine selbsterfüllende Prophezeiung: Steigende Zahlen aus der Verkehrsprognose dienen als Argument, vor allem die Straße weiter auszubauen. Und mit mehr Straßen sorgt er dafür, dass die Zahlen auch weiterhin steigen – was wiederum Bedarf an neuen Straßen nach sich zieht.
De facto sagt Wissing damit die Verkehrswende ab: Er ignoriert sämtliche Ziele, den Verkehr auf die Schiene zu verlagern, wie der Koalitionsvertrag sie vorsieht. Dabei kritisieren Verbände und Verkehrsexperten die Methodik der Verkehrsprognosen seit langem: Sie dienen lediglich dazu, Trends fortzuschreiben und die veraltete Auto-Fixierung zu zementieren.
Den Autobahnausbau begründet Wissing vor allem mit den prognostizierten Zuwächsen im Lkw-Verkehr, der bis 2050 um 50 Prozent zunehmen soll. Er verkennt dabei, dass gleichzeitig der Pkw-Verkehr zurückgehen wird – und der hat zurzeit sieben Mal mehr Fahrleistung auf Autobahnen als Lkw. Prognosen bilden nicht immer die tatsächliche Entwicklung ab. So ist der Zugverkehr – für Menschen wie für Güter – in den letzten Jahren wesentlich stärker gestiegen als vorhergesagt; der Anstieg bei Pkw und Lkw fiel dagegen geringer aus, als die Prognosen vermuteten.
Die neueste Prognose sollte Ansporn sein, den erwarteten Zuwachs bei den Lkw so weit wie möglich auf die Schiene zu verlagern – und dafür rasch die nötige Infrastruktur zu schaffen. Das gleiche gilt für den Ausbau des Bus- und Bahn-Angebots. Das 49-Euro-Ticket, mit dem sich große Hoffnungen für mehr ÖPNV-Kunden verbinden, ist in der neuen Prognose noch gar nicht berücksichtigt.
Wenn die Bundesregierung ihre verkehrspolitischen Ziele aus dem Koalitionsvertrag einhalten will, muss sie jetzt die Weichen zugunsten der Schiene und des Umweltverbunds stellen. SPD und Grüne dürfen nicht weiter den rückwärtsgewandten Ideologien der FDP nachgeben und damit den Klimaschutz im Verkehr vollends beerdigen.