Mit VW flog es auf: Abgaswerte wurden mit Hilfe einer speziellen Software manipuliert. Wir beantworten die wichtigsten Fragen, die sich Autobesitzer jetzt stellen.
Mit den Untersuchungsergebnissen von 53 in Deutschland besonders beliebten Dieselfahrzeugen steht seit dem 22. April 2016 offiziell fest, nicht nur VW-Fahrzeuge sondern Pkw verschiedenster anderer Hersteller überschreiten die Stickoxidgrenzwerte im Realbetrieb um ein Mehrfaches. Zu diesem Schluss kommen auch Untersuchungen anderer europäischer Regierungen. Was bedeutet das für die Halter von Dieselfahrzeugen? Der VCD bringt Licht ins Dunkel und erläutert die möglichen Konsequenzen aus Verbrauchersicht.
Die Untersuchungskommission im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums sollte prüfen, ob neben Volkswagen weitere Fahrzeughersteller eine unerlaubte Abschaltungsvorrichtung bei der Abgasreinigung verwenden. 53 Diesel-Pkw wurden dafür im Labor als auch auf der Straße getestet. Entsprechend den ermittelten Stickoxidwerten, wurden die Fahrzeuge in drei Gruppen eingeteilt. In Gruppe I befinden sich 27 Fahrzeuge, die ein unauffälliges Verhalten aufweisen. Eingruppiert wurden allerdings auch fahrzeuge, die zwar einen erhöhten Stickoxidausstoß haben, der jedoch technisch plausibel durch den Hersteller begründet werden konnte. Diese Fahrzeuge werden als regelkonform eingestuft. Das ist skandalös, denn unter normalen Fahrzuständen stoßen sie mehr Stickoxide aus als erlaubt. In Gruppe II befinden sich die Fahrzeuge, bei denen die Hersteller keine ausreichenden Erklärungen für die überhöhten Realemissionen abgeben konnten. Das betrifft 22 Fahrzeugmodelle. Fahrzeuge von VW, insgesamt vier Modelle, mit bereits festgestellten unzulässigen Abschalteinrichtungen bilden die Gruppe III.
Modelle mit Auffälligkeiten, die nach Ansicht des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) technisch nichtausreichend erklärbar sind:
Dazu kommen die vier schon seit dem Herbst bekannten Diesel-Modelle von VW, die vom KBA nochmals überprüft wurden:
Die deutschen Hersteller Audi, Mercedes-Benz, Opel, Porsche und VW haben bereits mit dem Bundesverkehrsministerium einen freiwilligen Rückruf vereinbart, bei dem die entsprechenden Modelle modifiziert werden sollen. Bisher sind deise Rückrufaktionen noch nicht angelaufen. Ob bei den Modellen ausländischer Hersteller ähnliche Aktionen folgen hängt davon ab, ob die zuständigen nationalen Zulassungsbehörden dies anordnen. In Frankreich steht aktuiell vor allem Renault unter dem verdacht, ebenfalls unerlaubte Software zu nutzen. somit ist nicht auszuschließen, dass noch weitere Modelle mit erhöhtem Stickoxidausstoß identifiziert werden. Bei der KBA-Untersuchung wurden längst nicht alle verfügbaren Motorisierungen oder gar Typen geprüft.
Die Fahrzeughalter werden in der Regel vom Hersteller informiert, ob ihr Fahrzeug von der angekündigten „Serviceaktion“ betroffen ist und wann das Fahrzeug in die Werkstatt kann, damit die Abgasnachbehandlung wieder vollumfänglich funktioniert. Nach der Serviceaktion darf das Fahrzeug keine Mängel aufweisen, wie z.B. einen erhöhten Kraftstoffverbrauch. Dies hat das Kraftfahrt-Bundesamt im Rahmen der Wirksamkeitsprüfung sicherzustellen.
Im Falle reparaturbedingter Nutzungsausfälle müssen Hersteller eine Kompensation und im Falle nicht behebbarer Mängel Schadensersatz leisten.
Für den VCD steht fest, die Verfehlungen der Automobilindustrie dürfen nicht auf die Verbraucher abgewälzt werden. Die Hersteller müssen sich ihrer Verantwortung stellen und für alle möglichen entstehenden Kosten aufkommen. Sollten diese über das derzeit geltende Recht hinausgehen, muss die Bundesregierung so schnell wie möglich die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen dafür schaffen.
Die amerikanische Umweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA) hat den Volkswagen-Konzern überführt, bei Diesel-Fahrzeugen in den USA eine Software verwendet zu haben, die erkennt, wann der offizielle Abgastest erfolgt und dafür sorgt, dass in diesem Moment sauber gefahren wird. Dies hat dazu geführt, dass lediglich im Test die Stickoxid-Grenzwerte eingehalten werden, bei Messungen im Realverkehr liegen die Werte allerdings um ein Mehrfaches höher. Mittlerweile gab VW bekannt, dass auch CO2-Werte und Spritverbrauchsangaben bei den Tests zur Zertifizierung gefälscht wurden. Dafür wurde z.B. Diesel ins Motoröl gemischt, damit die Fahrzeuge leichter laufen.
Bisher betroffen ist der Dieselmotor EA 189 (1,6- und 2,0-Liter TDI) der bei VW, Audi, Seat und Skoda in den Baujahren 2007 bis 2013 eingesetzt wurde. VW spricht von weltweit rund 11 Millionen betroffenen Fahrzeugen, alleine in Europa sind es mindestens 8, in Deutschland ca. 2,8 Millionen. Dabei handelt es sich in Europa ausschließlich um Fahrzeuge, die die Euro-Norm 5 erfüllen. Fahrzeuge mit Euro 6 sind nicht betroffen.
VW, Audi und Skoda haben bereits einen Online-Service eingerichtet. Hier könne Fahrzeughalter anhand der Fahrgestellnummer prüfen, ob Ihr Auto betroffen ist:
Stickoxide (NOx) gehören zu den gesundheitsschädlichen Luftschadstoffen: Mehr als eine Million Tonnen werden pro Jahr davon in Deutschland freigesetzt. Sie wirken sich schädlich auf die Atemwege aus, können zu Asthma, Bronchitis und Herz-Kreislauferkrankungen führen. Stickoxide entstehen vor allem bei der Verbrennung von Benzin und Diesel im Straßenverkehr. Zusammen mit Kohlenwasserstoffen sind sie darüber hinaus für die sommerliche Ozonbildung verantwortlich.
Die farbigen Umweltplaketten beziehen sich auf die jeweilige Abgasnorm und haben den gesundheitsschädigenden Partikelausstoß (Feinstaub) im Fokus. Die bei VW aufgedeckte Manipulation bezieht sich dagegen auf den Ausstoß von Stickoxiden. Zur Minderung der Partikelemissionen sind geschlossene Rußpartikelfiltersysteme in das Fahrzeug fest eingebaut. Solange diese nicht beschädigt oder ausgebaut werden, reduzieren sie die Partikel um etwa 99 Prozent. Von daher sind die Plaketten erst mal nicht in Gefahr.
Zunächst keine, denn die Kfz-Steuer wird neben dem Hubraum nach dem CO2-Ausstoß berechnet. Dieser ist von den aktuell bewiesenen Manipulationen nicht betroffen, auch wenn Tests zeigen, dass es bei den Angaben zum CO2-Ausstoß auch Abweichungen zwischen Realität und Prüfstand gibt. Wenn sich durch offizielle Nachtests herausstellen sollte, dass die Manipulationen auch zu falschen CO2- und damit Verbrauchsangaben geführt haben, könnte es rückwirkend zur Anhebung des Steuersatzes kommen. Die zusätzlichen Kosten sollte jedoch der Hersteller tragen – sie dürfen nicht dem Fahrzeughalter angelastet werden.
VW ist in der Pflicht, bei allen betroffenen Fahrzeugen dafür zu sorgen, dass die Emissionsgrenzwerte auch ohne Software eingehalten werden. Deshalb wurden Nachrüstungen angeordnet. Wer sein Fahrzeug jedoch nicht umrüsten lässt, dem droht die Stilllegung.
Der Kaufvertrag besteht zumeist zwischen dem Käufer und dem Händler – und nicht dem Autohersteller direkt. Daher lässt sich diese Frage nicht pauschal beantworten. Zunächst muss dem Hersteller die Möglichkeit eingeräumt werden, den Mangel nachzubessern. Möglicherweise wird VW eine Rückgabe oder Entschädigung anbieten.
Die VCD Auto-Umweltliste bezieht sich auf die amtlichen Daten des Kraftfahrtbundesamtes. Das ist die beste Datenbasis, die es für einen Marktvergleich gibt. Der Skandal bietet nunmehr die Chance, dass Messungen künftig ehrlicher ablaufen und die Werte viel mehr der Realität entsprechen. Der Staat muss schnell dafür sorgen, dass die Daten verlässlich sind, der Kunde braucht für seine Kaufentscheidung Vergleichsdaten.
Der VCD weist bereits seit Jahren auf die Diskrepanz zwischen offiziellen Messwerten und realen Emissionen hin, nicht nur bei den Schadstoffen, sondern auch bei CO2 und Kraftstoffverbrauch. Neben einem realitätsfernen Messverfahren sind zunehmend fragwürdige Praktiken der Autohersteller das Problem.
Unser Ziel ist es, dass Autos tatsächlich sauberer und sparsamer werden und sich Verbraucherinnen und Verbraucher auf die Angaben der Hersteller verlassen können. Dafür setzen wir uns gegenüber Politik und Industrie ein. Wir werden festhalten und kämpfen, damit die Grenzwerte zum Schutz von Gesundheit, Umwelt und Klima eingehalten und weiterentwickelt werden.