Interview mit Wasilis von Rauch

»Radfahren muss einfach sein«

Wasilis von Rauch engagiert sich seit März 2015 ehrenamtlich im VCD-Bundesvorstand für eine umweltfreundliche Verkehrspolitik. Im Interview mit dem VCD-Magazin »fairkehr« verrät er, wie er sich die Mobilität von morgen vorstellt und welche Rolle das Fahrrad hierbei spielt.

fairkehr: Herr von Rauch, im VCD-Vorstand setzen Sie sich für nachhaltige Mobilität ein. Wie sind Sie privat mobil?

Wasilis von Rauch: Im Alltag bin ich überwiegend mit dem Fahrrad unterwegs. Das ist schnell und in Berlin unglaublich praktisch. Außerdem bin ich sehr gerne an der frischen Luft. Daher gehe ich öfters zu Fuß – man erlebt die Stadt dann ganz anders. Ab und zu fahre ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Alles andere wäre in Berlin völliger Quatsch. Private und dienstliche Reisen versuche ich möglichst mit der Bahn zu machen. Ich habe gar keine Lust, lange im Auto zu sitzen.

Im VCD-Vorstand sind Sie für den Radverkehr zuständig. Was wollen Sie für die Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer in Deutschland erreichen?

Fahrrad fahren muss einfach sein und Spaß machen. Momentan fühlt es sich in durchschnittlichen deutschen Städten wie ein unfreiwilliges Jump’n’Run-Spiel auf dem Computer an. Man fährt mal ein Stück auf der Straße, dann muss man auf den Gehweg springen, dann ist der Radweg von einem Lieferwagen zugeparkt und man muss drum herum fahren. Wenn man am Ziel ankommt, fehlen die Abstellanlagen. Man muss ständig improvisieren.

Wie wollen Sie das ändern?

Ich setze mich dafür ein, dass die Kommunen, die Länder und der Bund wesentlich mehr Geld in den Radverkehr investieren und das Fahrrad als Verkehrsmittel systematisch fördern. Mein zweites Anliegen ist, dass die ganze Produktpalette an Fahrradtypen – vom elektrischen Cargobike bis zum Faltrad – in breiten Teilen der Gesellschaft ankommt. In Brüssel sieht man viele junge, moderne Menschen, die in Regionalzügen in die Stadt pendeln und ein Faltrad für den Weg vom Bahnhof zum Arbeitsplatz dabei haben. Es wäre genial, wenn wir das in deutschen Städten auch hinbekämen.

Auch für Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising sind Sie mitverantwortlich. Was sind Ihre Ziele in diesen Bereichen?

Nur fachlich gut arbeiten reicht heute nicht mehr. Wir müssen unsere Arbeit als VCD thematisch fokussieren, unser Profil schärfen. Wofür der VCD steht, ist für viele zu diffus – vor allem für jüngere Leute. Neben der Kritik an der autozentrierten Politik ist es wichtig, dass wir noch stärker mit Multimodalität und Lebensqualität assoziiert werden. Ich bin überzeugt, dass Millionen von Menschen in Deutschland die Arbeit des VCD an sich gut und richtig finden. Wir setzen uns für lebenswerte Städte und sichere Mobilität ein, die unkompliziert ist und niemanden ausschließt. Egal, ob die Menschen eine Behinderung haben, unter zwölf oder über 75 Jahre alt sind. Das unterscheidet uns vom reinen Fahrrad- oder Autoclub, bei dem Menschen ohne Führerschein nicht als vollwertige Verkehrsteilnehmer gelten. Es gibt sicher viele Leute, die bereit wären, uns für diese Arbeit Geld zu geben, auch wenn sie nicht Mitglied werden wollen. Im Fundraising suchen wir dafür neue Wege, beispielsweise mit unserem Online-Spendenportal „Die Stadt von Morgen“ oder unserem Angebot, dem VCD etwas zu vererben.

Sie sind von der VCD-Geschäftsstelle in den Vorstand gewechselt und engagieren sich dort ehrenamtlich. Was machen Sie jetzt beruflich?

Ich bin als selbstständiger Berater für Unternehmen in der Fahrradbranche tätig und schreibe als Fachautor über Mobilitäts- und Fahrradthemen.

»Der VCD setzt sich als einziger Umweltverband ganzheitlich mit Mobilität auseinander.«

 

Was gefällt Ihnen an der Arbeit im Vorstand besonders?

Beim VCD ändert sich gerade viel. Den Verband und seine Ausrichtung mitzugestalten ist eine Herausforderung. Das macht mir sehr viel Spaß, auch wenn es zeitaufwendig ist. Die Vorstandsarbeit bietet mir die Chance, mich mit vielen schlauen Leuten in Gremien wie dem Bund-Länder-Arbeitskreis Fahrradverkehr auszutauschen. Von deren Erfahrungen bei der Radverkehrsförderung und in vielen anderen Bereichen lerne ich nach all den Jahren in der Bundesgeschäftsstelle noch mal eine Menge dazu. Das ist sehr spannend. Ich versuche auch, möglichst viel Wissen und Kontakte an die Geschäftsstelle weiterzugeben. Das ist mir als ehemaligem Mitarbeiter, der die Arbeit der hauptamtlichen Kolleginnen und Kollegen kennt, sehr wichtig.

Haben Sie neben der Vorstandsarbeit und Ihrem Beruf überhaupt noch Freizeit?

Die Vorstandsarbeit nimmt in der Tat viel Zeit in Anspruch. Ich muss priorisieren, welche Themen mir besonders wichtig sind. Aber mir bleibt noch genügend Freizeit. Seit über 20 Jahren bin ich Sportkletterer und dabei auch als Trainer tätig. Ich verbringe gerne Zeit in den Bergen. Am liebsten in den Alpen, häufig auch in der Fränkischen Schweiz.

Was unterscheidet den VCD aus Ihrer Sicht von anderen Umweltverbänden; was macht ihn besonders, unentbehrlich?

Die Mobilität wandelt sich – der Verkehrssektor ist für den Klimaschutz, für saubere Luft in den Städten und die Lebensqualität der Menschen zentral. Der VCD setzt sich als einziger Umwelt- und Lobbyverband mit dem Thema Mobilität ganzheitlich auseinander und begreift das Thema auch als ein kulturelles Phänomen. Wir wollen, ausgehend von ÖPNV, Fahrrad und Fußverkehr, die Mobilitätskultur verändern, eine Verkehrswende einleiten. Einzigartig ist zudem die hohe fachliche Kompetenz im Verband. Das gilt für Vorstand, Geschäftsstelle und für die Gliederungen. Das fällt mir in Gesprächen mit VCD-Aktiven immer wieder auf. Diese Sachkenntnis und Bandbreite kann kein anderer Umweltverband im Verkehrsbereich bieten. Auch bei den Verbrauchern und der Politik ist der VCD sehr angesehen.

Lebenswerte Städte sind eines der großen Ziele des VCD. Wie sieht Ihre Vision der Stadt von morgen aus?

Es gibt viele Grünflächen und mehr Platz für Menschen, die ihre Freizeit draußen genießen können. Die Erwachsenen treffen sich auf einen Kaffee, die Kinder zum Spielen. Die meisten Leute sind zu Fuß, mit dem Rad, dem ÖPNV oder in elektrischen Kleinfahrzeugen unterwegs. Genug Platz ist vorhanden, denn die Flächen werden nicht mehr zugeparkt. In der Stadt von morgen stehen Autos nur dort, wo es explizit erlaubt ist, nicht umgekehrt – wenn es überhaupt noch private Pkw gibt. Statt Straßenlärm hört man Kinder und Musik.

Interview: Benjamin Kühne

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