Verkehrspolitik

Der Bundesverkehrswegeplan – überholt und nicht mehr zeitgemäß

Wenn es um den Bau neuer Autobahnen oder Schienenwege geht, führt nichts am Bundesverkehrswegeplan vorbei. Dabei ist dieses Instrument überholt und nicht geeignet, den Herausforderungen der Verkehrswende zu begegnen.

| Klimafreundliche Mobilität Verkehrspolitik

Der Bundesverkehrswegeplan (kurz BVWP) ist das Planungsinstrument des Bundes, wenn es um den Aus- oder Neubau von Bundesfernstraßen (Autobahnen und Bundesstraßen), Schienenwegen und Wasserstraßen in Deutschland geht. Hier hat der Bund Planungshoheit. Der BVWP legt den Bedarf für die einzelnen Verkehrsträger fest und setzt den Rahmen für das Investitionsvolumen in den kommenden Jahren. Doch wie genau kommt der BVWP zustande und warum steht er in der Kritik? Wir geben einen Überblick über die verschiedenen Aspekte der Planung und schlüsseln auf, warum unsere Infrastruktur künftig anders geplant werden muss.

Der BVWP wird in der Regel alle 10 bis 15 Jahre neu aufgesetzt. Der aktuell geltende „Bundesverkehrswegeplan 2030“ wurde 2016 beschlossen und soll die Planung bis 2030 abdecken. Er sieht Investitionen in Höhe von knapp 270 Milliarden Euro für den Erhalt, Aus- und Neubau der Verkehrswege des Bundes vor. Die Hälfte der geplanten Investitionen ist für Fernstraßen vorgesehen, der Rest entfällt auf Schienenwege (41 Prozent) und Wasserstraßen (9 Prozent). Im Einzelnen enthält der Plan 66 Schienen-, 22 Wasserstraßen- und 1.300 Fernstraßenprojekte.

Wie der Bundesverkehrswegeplan entsteht

Für die Erstellung und Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans ist das Bundesverkehrsministerium zuständig. Es legt die Leitlinien fest und gibt Verkehrsprognosen in Auftrag, auf deren Grundlage der Plan erstellt wird.

Für die Neu- und Ausbauprojekte reichen der Bund und insbesondere die Bundesländer selbst ihre Vorschläge ein. Für den aktuellen Plan konnten sie bis 2013 den Bedarf anmelden, welche Autobahnen, Bundesstraßen, Schienenstrecken und Wasserwege aus- oder neugebaut werden sollten. Die Vorschläge werden vom Bundesverkehrsministerium auf Basis der Verkehrsprognosen und einer Nutzen-Kosten-Analyse geprüft und ausgewählt.

Die Projekte, die es nach der Prüfung in den BVWP schaffen, werden entsprechend ihrer Dringlichkeit in vier Kategorien eingestuft: „Vordringlicher Bedarf“ (VB), „Vordringlicher Bedarf – Engpassbeseitigung“ (VB-E) sowie „Weiterer Bedarf“ (WB) und „Weiterer Bedarf mit Planungsrecht“ (WB*). Projekte der ersten beiden Kategorien sollen bis 2030 umgesetzt oder zumindest begonnen werden.

Nutzen-Kosten-Analyse

Grundlage für die Bewertung und Auswahl von Projekten ist eine Nutzen-Kosten-Analyse. Dabei werden alle Auswirkungen des Bauvorhabens, sowohl positive als auch negative, in Geldeinheiten ausgedrückt und den Investitionskosten gegenübergestellt. Auch die Auswirkungen auf die Umwelt werden – soweit möglich – beziffert und einbezogen. In den Bundesverkehrswegeplan schaffen es letztlich nur Projekte, die ein positives Nutzen-Kosten-Verhältnis von größer eins aufweisen. Kritisiert wird, dass realisierbare Zeitgewinne besonders hoch gewertet werden. So schaffen es viele Autobahnausbauprojekte trotz hoher Kosten, die magische Schwelle zu überschreiten.

Verkehrsprognosen

Verkehrsprognosen treffen Aussagen zur zukünftigen Entwicklung des Güter- und Personenverkehrs. Dabei handelt es sich um sogenannte Trendprognosen. Das heißt, sie prognostizieren die Wahrscheinlichkeit bestimmter Entwicklungen und deren Folgen, basierend auf dem aktuellen Stand der Dinge. Besser wäre eine umgedrehte Herangehensweise, also eine Analyse, die von der wünschenswerten Zukunft aus denkt. Also: Wie müsste die Verkehrsplanung aussehen, um eine sozial gerechte und klimafreundliche Mobilität zu entwickeln, mit der die Klimaschutzziele erreicht werden können?

Doch soziale Aspekte oder Umweltschutz spielen bisher eine untergeordnete Rolle. So basiert die aktuelle Verkehrsprognose auf der Annahme, dass jede Person in Deutschland durchschnittlich 15.000 Kilometer pro Jahr mit dem Pkw zurücklegt. Ob diese Zahl realistisch ist und inwieweit diese Wege tatsächlich notwendig oder dem Fehlen von Alternativen geschuldet sind, wird dabei ignoriert. So geht auch die Verkehrsprognose für den aktuellen BVWP von einem weiteren Wachstum sowohl des Personen- als auch des Güterverkehrs auf der Straße aus. So ergibt sich eine vermeintliche Notwendigkeit für den weiteren Ausbau von Autobahnen und Bundesstraßen, um Engpässe zu vermeiden.

Die bisherige Praxis der Verkehrsprognose steht dem Erreichen der Klimaziele im Weg, weil sie das Verkehrswachstum fortschreibt, statt Lösungen zur Verminderung und Verlagerung aufzuzeigen. Aktuell wird eine neue Verkehrsprognose erstellt, die als Verkehrsprognose 2040 die Grundlage der nächsten Bedarfsplanüberprüfung bildet.

Erstmals wurde der aktuelle BVWP auch einer Strategischen Umweltprüfung (SUP) unterzogen. Kern einer SUP ist es, bereits frühzeitig die möglichen Folgen eines Vorhabens für die Umwelt zu identifizieren. Mit der SUP verbunden ist auch das Recht auf Öffentlichkeitsbeteiligung. Behörden, Verbände und die Öffentlichkeit haben damit die Gelegenheit, zum Entwurf des BVWP und zum Umweltbericht Stellung zu beziehen. Der VCD hat sich daran intensiv beteiligt und ebenfalls eine Stellungnahme verfasst. Der Einfluss der Öffentlichkeitsbeteiligung auf die letztendliche Ausgestaltung ist jedoch begrenzt. Vor allem die durchgeführte SUP steht in der Kritik. Laut Stellungnahme des Umweltbundesamtes habe der aktuelle BVWP die Umweltprüfung nicht bestanden. Trotzdem wurde der BVWP ohne große Änderungen von der Bundesregierung verabschiedet.

Der BVWP selbst hat noch keine Rechtswirkung. Erst im nächsten Schritt werden auf Grundlage des BVWP die Entwürfe der Bedarfspläne für die einzelnen Verkehrsträger erstellt. Diese werden als Anlage der jeweiligen Ausbaugesetze – Bundesfernstraßenausbaugesetz, Bundesschienenwegeausbaugesetz und Bundeswasserstraßenausbaugesetz – vom
Bundestag verbindlich beschlossen. Die Bedarfspläne legen abschließend fest, welche Verkehrsinfrastrukturprojekte in welcher Dringlichkeit geplant und aus dem Bundeshaushalt finanziert werden sollen. Erst danach beginnt die konkrete Projektplanung mit Raumordnungs-, Linienbestimmungs- und Planfeststellungsverfahren.

Bedarfsplanüberprüfung (BPÜ)

Mit der gesetzlich vorgeschriebenen Bedarfsplanüberprüfung soll alle fünf Jahre geprüft werden, ob sich Rahmenbedingungen geändert haben und Projekte entsprechend angepasst werden müssen. Für die BPÜ ist ebenfalls das Bundesverkehrsministerium verantwortlich. Die Überprüfung des aktuellen BVWP ist bis Ende 2023 vorgesehen. Grundlage dafür ist eine neue Verkehrsprognose (s.o.), die derzeit im Auftrag des Ministeriums von Gutachtern erstellt wird.

Die aktuelle BPÜ ist deswegen von hoher Relevanz, da sich seit Verabschiedung des aktuellen BVWP einige Rahmenbedingungen stark verändert haben: 2019 ist das Klimaschutzgesetz in Kraft getreten, welches erstmalig verbindliche Vorgaben zur Reduktion von Treibhausgasemissionen vorschreibt. Neben einem Gesamtziel enthält das Klimaschutzgesetz auch Vorgaben für die einzelnen Sektoren, auch den Verkehr. Daher fordert der VCD, dass sämtliche Projekte aus dem BVWP einer ehrlichen Prüfung unterzogen werden. Klimaschädliche Projekte gehören auf den Prüfstand. Die bisherigen Verlautbarungen aus dem Bundesverkehrsministerium deuten jedoch auf ein “weiter wie bisher“ hin. Großen Änderungsbedarf sieht man dort offenbar nicht.

Planungsbeschleunigung

Der Blick hinter die Kulissen des Bundesverkehrswegeplans zeigt: Die Infrastrukturplanung ist ein komplexer Prozess, der zahlreiche Phasen durchläuft. Und auch die eigentliche Umsetzung von Projekten beansprucht in der Regel viele Jahre. Um diese Prozesse punktuell zu beschleunigen, wurden bereits zahlreiche Gesetze erlassen, die Planungs- und Genehmigungsverfahren vereinfachen sollen. Was im ersten Moment sinnvoll klingt, bedeutet nicht selten die Aufweichung von Klimaschutzvorgaben - beispielsweise durch Verzicht auf die Umweltverträglichkeitsprüfungen oder die Verkürzung der Raumordnungsverfahren.

Dabei besteht gerade angesichts der Klimakrise dringender Bedarf, den Umbau der Infrastruktur rasch voranzubringen, ohne gleichzeitig den Umweltschutz zu untergraben. Planungsbeschleunigung an der richtigen Stelle ist also durchaus sinnvoll. Der VCD hat gemeinsam mit anderen Umweltverbänden Vorschläge zur Planungsbeschleunigung erarbeitet, die nicht auf Kosten der Natur gehen.

Chance für Neuanfang: Bundesmobilitätsplan statt BVWP

Der Bundesverkehrswegeplan schreibt nicht weniger als die gesamten Investitionen der bundesweiten Infrastruktur für mehr als ein Jahrzehnt fest und stellt damit die Weichen für die Mobilität der Zukunft. Der bisherige Prozess zeigt, dass der BVWP nicht geeignet ist, eine zukunftsfähige und nachhaltige Mobilität sicherzustellen. Er basiert im Wesentlichen auf Verkehrsprognosen, die den Trend einfach fortschreiben sowie einer Vielzahl von ‘Wünsch-dir-was-Einzelprojekten‘. Die Orientierung an einer verkehrsträgerübergreifenden, bundesweiten Mobilitätsstrategie fehlt komplett.

Die Ampel hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, gemeinsam mit Verkehrs-, Umwelt-, Wirtschafts- und Verbraucherschutzverbänden Kriterien für einen neuen Bundesverkehrswege- und Mobilitätsplan 2040 zu entwickeln. Das bietet die Chance, die Planung vom Kopf auf die Füße zu stellen und die künftige Entwicklung von Mobilität und Verkehr über alle Verkehrsträger hinweg integriert und an Zielen ausgerichtet zu planen und zu finanzieren. Der VCD hat mit seinem Entwurf für ein Bundesmobilitätsgesetz dazu bereits die Blaupause entwickelt, das als Kernelement auch einen Bundesmobilitätsplan vorsieht. Nur so kann der Verkehr der Zukunft zeitgemäß und im Einklang mit unseren Klimazielen geplant und gestaltet werden.

Kontakt

Michael Müller-Görnert

Verkehrspolitischer Sprecher, Klima, Luft, Auto
Fon 030/28 03 51-19
michael.mueller-goernert@vcd.org

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