Zum Tag der Schiene

Die Bahn wieder aufs richtige Gleis bringen

Die Bahn ist das Rückgrat der Verkehrswende, doch ihr Zustand ist schlecht. Der Konzern wurde kaputtgespart, das Netz ist marode, die Kapazität zu gering. Wir zeigen am Tag der Schiene, was jetzt zu tun ist.

| Bahn

Über die Bahnen wird viel gesprochen: Sie sind das Rückgrat der Verkehrswende. Wenn sie mit Öko-Strom fahren, sind sie so klimaschonend unterwegs wie kein anderes Verkehrsmittel. Trotz aller Probleme hat die Deutsche Bahn (DB) im ersten Halbjahr 2023 Fahrgäste gewonnen: Plus 5 Prozent im Regional- und sogar plus 15 Prozent im Fernverkehr gegenüber 2022.

Seit vielen Jahren hören wir von allen demokratischen Parteien, sie wollen mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern. Doch wie sieht das in der Realität aus? Die Deutsche Bahn hat aktuell im Personenfernverkehr die schlechtesten Pünktlichkeitsraten seit langem; nur etwa ein Drittel der Züge sind pünktlich. Das Netz der DB ist heruntergekommen. Zwar sind Stellwerke mit Handbetrieb aus Kaiserzeiten nur die Spitze des Eisbergs, doch die Technik ist oft nicht auf dem neuesten Stand, die Elektrifizierung stockt und der Ausbau des Europäischen Zugleitsystems ETCS (European Train Control System) ist noch lange nicht flächendeckend angelegt.

Die DB wurde zu lange fit für die Börse gemacht und deshalb auf geringere Betriebskosten getrimmt; das Bundesverkehrsministerium hat ein echtes Controlling und eine Steuerung für eine attraktivere Bahn vermissen lassen. Das rächt sich um so mehr, wenn die Infrastruktur in die Jahre gekommen überaltert ist, aber laut DB eine Auslastung von 125 Prozent verkraften muss. Da sind Schäden und Störungen programmiert. Zu lange sind den Reden keine Taten gefolgt – der Zustand der Gleise ist mittlerweile so marode, dass die DB sich nur noch mit einer Generalsanierung zu helfen weiß.

Starten soll diese mit der Riedbahn zwischen Frankfurt am Main und Mannheim im kommenden Jahr. Für ein halbes Jahr soll die Strecke komplett von Grund auf saniert werden, um fit für die kommenden Belastungen zu werden. Später sollen Strecken wie Berlin – Hamburg folgen. Das bedeutet längere Fahrzeiten im Fernverkehr und Schienenersatzverkehr für Regionalzüge. Die Fahrgäste werden einiges erdulden müssen, bevor es wieder besser wird.

Mehr Geld für die Bahn transparent investieren!

So schwierig die kommende Zeit wird, so zeigt sich eine Verschiebung hin zu mehr Investitionen in die Schiene. Die Bundesregierung will bis 2027 bis zu 45 Milliarden Euro in die Bahn stecken. Doch bisher ist nur die Summe noch nicht voll gegenfinanziert. Wir fordern, wer es ernst meint mit dem Vorrang für die Schiene, muss diese Summe auch wirklich bereitstellen. Sonst wird die Bahn nicht die Kapazitäten erreichen, um die Fahrgastzahlen bis 2030 zu verdoppeln, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht.

Dauerhaft mehr Geld für Schiene lässt sich nur mit einem mehrjährigen Fonds erreichen, der Sanierung, Reaktivierung von Strecken sowie Aus- und Neubau transparent regelt. Das Ziel muss der Deutschlandtakt sein. Deutschlandtakt heißt: Die Züge fahren so, dass man beim Umsteigen überall schnellen Anschluss hat, statt lange zu warten. Wie der Name schon sagt, soll dies ein regelmäßiger Takt ermöglichen – stündlich zwischen Großstädten und halbstündlich zwischen Metropolen wie etwa Hamburg und Berlin. Dies setzt eine stabile Infrastruktur voraus, mit der vor allem die Fernzüge wieder pünktlich fahren.

Ziel: mehr Gemeinwohl für die Bahn

Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg ist die neue gemeinwohlorientierte Infrastruktursparte der DB, die InfraGO, in der die DB Netz und DB Station & Services zusammengefügt werden sollen. Sie soll zum 1. Januar 2024 starten. Viele Fragen sind aber noch offen: Wie genau wird die InfraGO strukturiert? Wie wird die Gemeinwohlorientierung hergestellt und kontrolliert? Wie wird dafür gesorgt, dass das Geld transparent in die Infrastruktur fließt und nicht woanders landet? Wie wird organisiert, dass die Mittel für den Deutschlandtakt und eine zuverlässigere Bahn verwendet werden, und wie wird das überprüft? Das Verkehrsministerium hat noch einige Hausaufgaben zu machen, bevor die Reform steht. Das fordern wir als VCD ein, denn bis zum 1. Januar ist nicht mehr viel Zeit.

Dem VCD geht es um die Fahrgäste. Zuverlässigere Züge und Anschlüsse sind nicht allein durch den Ausbau zu erreichen, wir brauchen auch neue Strecken. Nur wenn das Netz nicht mehr auf Verschleiß gefahren wird, und es für unterbrochene Strecken Ausweichmöglichkeiten gibt, ist das Mehr auf der Schiene zu bewältigen. Der Deutschlandtakt muss 2025 starten und deutlich vor 2070 verwirklicht sein, sonst wird die Verkehrswende auf die lange Bank geschoben. Die Bundesregierung, allen voran Verkehrs- und Finanzministerium, müssen einen Zahn zulegen, um dieses Ziel zu erreichen.

Der VCD hat sich auch an der weiteren Fortschreibung des Zielfahrplans für den Deutschlandtakt beteiligt. Unter diesem Text finden Sie eine beispielhafte Auswahl von Strecken und Maßnahmen, die wir gemeldet haben, um die Belange des Deutschlandtakts auch in der Fläche besser zu berücksichtigen.

Eine Bahn ohne Barrieren

Eine weitere Herausforderung ist die vollständige Barrierefreiheit der Bahn. In unserem Bahntest „Mobilität für alle: Wie barrierefrei sind Bus und Bahn?“ haben wir den aktuellen Stand dokumentiert: So lange es auf einer Bahnlinie bis zu fünf verschiedene Bahnsteighöhen gibt, ist Barrierefreiheit noch fern. Ein wichtiger Zwischenschritt wäre, überhaupt festzuhalten, wie barrierefrei Züge und Bahnhöfe sind, damit die Kunden wissen, ob sie zum Ziel kommen können.

Die Ergebnisse müssen auf der Plattform Delfi festgehalten werden, damit alle darauf zugreifen können. Doch das Ziel ist ein anderes: Barrierefreiheit braucht einen deutlichen Push; Bahnhöfe und Züge müssen so umgebaut werden, dass alle ohne Probleme die Bahn nutzen können. Davon profitieren nicht nur die, die auf sprechende Fahrzeuge, Leitsysteme, Rollstuhl oder Rollator angewiesen sind, sondern auch alle, die einen Kinderwagen, schweres Gepäck oder ein Fahrrad mitführen.

Digitalisierung beschleunigen!

Um die Bahn besser nutzbar zu machen, muss sie die Potenziale der Digitalisierung besser ausschöpfen. Dazu gehört, das europäische Zugleitsystem ETCS (European Train Control System) flächendeckend auszubauen, damit Züge nicht nur in Deutschland, sondern europaweit mit einem einheitlichen Leitsystem fahren können.

Echtzeitdaten sollten in Echtzeit bereitstehen, damit ich weiß, welche Verbindungen mir zur Verfügung stehen. Vor allem sollte ich nur eine App brauchen, um alle Verbindungen und Möglichkeiten zu erfassen, an mein Ziel zu gelangen. Bislang ist zum Beispiel im DB Navigator längst nicht alles verfügbar, was die DB selbst schon anbietet. Darüber hinaus braucht es weiterhin Fahrkartenschalter, damit auch jene, die nicht digital unterwegs sein können, ihre Tickets bekommen.

Wer wirklich vernetzt fahren und alle Angebote des Umweltverbundes (Bahn, Bus, Rufbus, Bike- und Car-Sharing) nutzen will, kann dies bislang nicht tun, da noch nicht alle Informationen für Fahrgäste öffentlich verfügbar sind – auch wenn mit Delfi die Grundlage bereits existiert. Das bedeutet, die Bahnen und Verkehrsverbünde müssen über ihren Schatten springen und die Daten bereitstellen, damit sie von einer gemeinsamen App/Webseite abgerufen werden können. Dann kann die integrierte Mobilität wirklich starten.

Das alles bedeutet genug Arbeit für den VCD, um für die Fahrgäste eine bessere Bahn zu erreichen – wir bleiben dran und freuen uns auf Ihre und Eure Unterstützung.

Ausbauen, reaktivieren, elektrifizieren – Streckenvorschläge für den Deutschlandtakt

  • Reaktivierung bestehender Schienengüterverkehrsstrecke Gerstungen – Vacha – Bad Salzungen (Thüringen) für den Personenverkehr, Erschließung Kaliregion Westthüringen/Osthessen
  • Elektrifizierung Bensheim – Hofheim in Hessen als Lückenschluss und Umleitungsmöglichkeit Worms - Darmstadt
  • Elektrifizierung Aschaffenburg Süd – Großostheim / Hafen in Bayern für den Güterverkehr mit Reaktivierung und Durchbindung für den Personenverkehr nach Frankfurt
  • Ausbau der Strecke Neustrelitz -Stralsund in Mecklenburg-Vorpommern für einen Stundentakt Berlin - Stralsund mit Fahrzeit Neubrandenburg - Stralsund unter 1 Stunde zur Takteinbindung. Das derzeitige zweistündliche Angebot kann die Bedürfnisse der Region nicht erfüllen.
  • Reaktivierung Priemerburg – Meyenburg als wichtige Nord-Süd-Verbindung zwischen Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Dieses ermöglicht überhaupt erst ein Grundangebot für den öffentlichen Verkehr in der Region.
  • Reaktivierung Zarrenthin – Ratzeburg zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein (Schienenpersonennahverkehr-Verbindung und wichtige Ergänzung für den Hinterlandverkehr der Fehmarnbeltquerung)
  • Ausbau der Strecke und Ostumfahrung Landshut in Bayern zur Entlastung der Knoten Landshut und München vom Schienengüterverkehr Regensburg – Mühldorf – Freilassing
  • Reaktivierung Hamburg – Tostedt – Zeven in Niedersachsen zur Anbindung von Zeven mit den Verstärkerzügen aus Hamburg.
  • Reaktivierung Siershahn – Engers in Rheinland-Pfalz als wichtige Verbindungsstrecke im Bahnnetz zwischen Westerwald und Rheintal.

Kontakt

Alexander Kaas Elias

Sprecher für Bahn, ÖPNV und Multimodalität
Fon 030/28 03 51-36
alexander.kaaselias@vcd.org

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