Verkehrspolitik

Die Entfernungspauschale – Entlastung an der falschen Stelle

Sozial ungerecht und ökologisch fragwürdig – ist die steuerliche Absetzbarkeit der Arbeitswegekosten noch zeitgemäß?

| Klimafreundliche Mobilität Verkehrspolitik

Die Entfernungspauschale, besser bekannt als Pendlerpauschale, wurde erst kürzlich von der Bundesregierung erhöht. Das soll Fernpendler*innen entlasten, die von gestiegenen Mobilitätskosten durch die Energiekrise besonders betroffen sind. Dabei steht das Instrument wegen mangelnder Zielgenauigkeit stark in der Kritik. Zu Recht?

So funktioniert die Entfernungspauschale

Arbeitnehmer*innen können ihre Fahrt zur Arbeit als Werbungskosten über die Einkommenssteuer steuerlich absetzen. Der Betrag wird pauschal ermittelt: Für den einfachen Arbeitsweg gibt es 30 Cent je Kilometer für die ersten 20; für jeden weiteren Kilometer wurde der Satz mit dem Entlastungspaket der Bundesregierung rückwirkend für das Jahr 2022 von 35 auf 38 Cent erhöht. Dies war ursprünglich erst ab 2024 vorgesehen. Die Entfernungspauschale kann dabei unabhängig vom genutzten Verkehrsmittel in Anspruch genommen werden – sie gilt also für das Auto, für Bus und Bahn, für das Fahrrad und auch für die Füße gleichermaßen. Allerdings können Autofahrende einen höheren Betrag geltend machen, während dieser bei den anderen Verkehrsmitteln auf 4.500 Euro jährlich gedeckelt ist.1

Was ist das Problem?

Studien zeigen, dass die Entfernungspauschale vor allem Besserverdienende entlastet. So steigen mit dem Einkommen auch die Pendelentfernungen und auch bei gleichem Pendelweg profitieren sie stärker, weil sie einen höheren Steuersatz zahlen.

Auf der anderen Seite pendeln Erwerbstätige mit geringem Einkommen vergleichsweise selten und haben in der Regel kürzere Arbeitswege. Hinzu kommt, dass sie auch wesentlich seltener den Werbungskostenpauschbetrag von 1.200 Euro ausschöpfen, um die Fahrtkosten in voller Höhe überhaupt absetzen zu können. Liegt das Einkommen unterhalb des steuerlichen Grundfreibetrags, gingen Pendler*innen bis vor kurzem sogar völlig leer aus.2 Erst seit 2021 können sie beim Finanzamt eine Mobilitätsprämie beantragen, allerdings gilt diese erst ab dem 21. Entfernungskilometer.

Dies zeigt: Der Nutzen der Entfernungspausschale ist sozial ungerecht verteilt und Fernpendler*innen sind selten einkommensarm.

Als Entlastungsinstrument für einkommensschwache Pendler*innen scheidet die Entfernungspauschale schon mal aus. Sie setzt aber auch ökologische Fehlanreize. Seit Jahren nehmen die durchschnittlichen Pendeldistanzen zu, und gependelt wird vor allem mit dem Auto. So werden 68 Prozent aller Arbeitswege mit dem Pkw zurückgelegt, in der Regel nur mit einer Person besetzt.1

Auch bei der Verkehrsmittelwahl ist die Höhe des Einkommens entscheidend: So nutzen Besserverdienende fürs Pendeln häufiger das Auto als Erwerbstätige mit geringerem Einkommen.2 Entsprechend häufiger wird die Pendlerpauschale für das Auto beansprucht, nämlich in 81 Prozent aller Fälle.5 Die Entfernungspauschale fördert somit längere Pendelwege und entlastet vor allem Autopendler*innen. Dies führt zu mehr Zersiedelung, Lärm, Luftschadstoffen und Treibhausgasen und konterkariert die Klima- und Umweltziele der Bundesregierung.2

Die Entfernungspauschale ist zudem teuer: Durch die Entlastungen von Pendler*innen gehen dem Staatshaushalt Steuereinnahmen verloren. Laut Umweltbundesamt beliefen sich diese Ausfälle im Jahr 2018 auf sechs Milliarden Euro.1

Mobilitätsgeld statt Entfernungspauschale

Die Entfernungspauschale in aktueller Form ist weder aus ökologischer noch aus sozialer oder ökonomischer Sicht zu rechtfertigen – eine Reform ist unabdingbar. Jetzt kommt es darauf an, sowohl die Pendler*innen zu entlasten, die am stärksten unter hohen Kosten leiden, als auch die ökologischen Fehlanreize zu verringern. Eine stärkere Ausrichtung der Entfernungspauschale an sozialen und ökologischen Belangen wurde auch von der Bundesregierung angekündigt.

Der VCD schlägt als eine Möglichkeit vor, die Entfernungspauschale in ein einkommensunabhängiges Mobilitätsgeld umzuwandeln.Bezogen auf den einfachen Arbeitsweg könnten beispielsweise 10 Cent pro Entfernungskilometer angesetzt werden. Der Jahresbetrag wird dann von der Gesamtsteuerschuld abgezogen. Dies würde alle Pendler*innen gleichermaßen entlasten, da der individuelle Grenzsteuersatz keine Rolle spielt. Entsprechend würden Geringverdienende gegenüber heute künftig stärker profitieren, das Mobilitätsgeld wäre somit sozial ausgewogener.2 Eine Härtefallregelung für geringverdienende Pendler*innen könnte zusätzlich für gezieltere Entlastung sorgen.3

Um auch ökologische Anreize zu setzen, sollte das Mobilitätsgeld verkehrsmittelabhängig ausgestaltet werden. So sollten Pendelnde, die das Auto nutzen, nur dann den vollen Betrag erhalten, wenn sie Bus, Bahn oder Rad nicht angemessen nutzen können. So wird es in anderen Ländern bereits gehandhabt.2

Blick in andere Länder

In kaum einem anderen Land sind die Kosten des Arbeitsweges in so hohem Maße steuerlich absetzbar wie in Deutschland. In Großbritannien, Irland, den USA, Italien, Portugal und Spanien sind Pendelkosten zum Beispiel grundsätzlich nicht absetzbar.2

Anderswo ist die Möglichkeit der Absetzung an Voraussetzungen wie die Länge des Fahrtweges oder ökologische und soziale Kriterien gekoppelt: In Schweden und Norwegen beispielsweise kann man Arbeitswege mit dem Pkw nur dann von der Steuer absetzen, wenn der Zeitvorteil gegenüber Bus- oder Bahnfahrten pro Tag 120 Minuten beträgt. In Österreich entspricht die sogenannte „große Pauschale“ zwar in etwa dem Umfang der deutschen Entfernungspauschale – sie kann aber nur in Anspruch nehmen, wer Bus und Bahn nicht auf zumutbare Weise nutzen kann. Der sogenannte Pendlerrechner ermittelt dafür automatisiert, ob für den jeweiligen Arbeitsweg ausreichende Verbindungen mit den Öffentlichen zur Verfügung stehen.4

Aus umweltpolitischer Sicht sollte die Förderung des Arbeitswegs mittelfristig ganz abgeschafft werden; das freiwerdende Geld sollte in den Ausbau von Radwegen, Bus- und Bahnangeboten fließen. Das Mobilitätsgeld stellt jedoch übergangsweise eine Möglichkeit dar, die Kosten fürs Pendeln gerechter abzufedern und überhaupt Anreize zu setzen, öfter das Rad oder öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen.


Quellen

[1] UBA (2021): Umweltschädliche Subventionen: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/texte_143-2021_umweltschaedliche_subventionen.pdf

[2] Agora Verkehrswende (2022): Hintergrundpapier Pendlerpauschale: https://www.agora-verkehrswende.de/fileadmin/Projekte/2022/Pendlerpauschale/2022_08_10_Hintergrundpapier_Pendlerpauschale_v17_final.pdf

[3] FOES (2022): Reformimpulse für mehr Klimaschutz in den öffentlichen Finanzen: https://foes.de/publikationen/2022/2022-09_FOES_11-Massnahmen-Klimaschutz.pdf

[4] Umweltbundesamt (2021): Mobilität in die Zukunft steuern: Gerecht, individuell und nachhaltig: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/3521/publikationen/2021-11-18_texte_85-2021_mobilitaet-zukunft-steuern.pdf

[5] Statistisches Bundesamt (2022): Pressemitteilung „13,7 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nutzten 2018 die Pendlerpauschale“: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/08/PD22_N050_73111.html

Kontakt

Michael Müller-Görnert

Verkehrspolitischer Sprecher, Klima, Luft, Auto
Fon 030/28 03 51-19
michael.mueller-goernert@vcd.org

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