Flächengerechtigkeit

Mehr Raum für rollende Riesen? Sollten Parkplätze immer größer werden?

In unseren Städten ist der öffentliche Raum begrenzt, und Fläche ist ein wertvolles Gut. Dennoch nehmen Autos unglaublich viel Platz auf den Straßen ein. So dienen in Berlin 58 Prozent der Verkehrsfläche dem motorisierten Individualverkehr (MIV), allein 19 Prozent dieser Fläche sind Parkplätze. Ein einziges Auto benötigt zum Parken etwa 12 qm Fläche und steht rund 23 Stunden am Tag herum.

| Auto Straße zurückerobern

Und die Autos werden immer größer: Zum einen kommen immer mehr SUV und Geländewagen auf die Straße – SUV haben mittlerweile mit knapp 30 Prozent den größten Anteil an den Neuzulassungen in Deutschland. Zum anderen wachsen aber auch altbekannte Automodelle mit jeder Generation. So ist der VW Golf seit dem ersten Modell von 1976 fast 20 cm (rund zehn Prozent) breiter und um 50 cm (rund 15 Prozent) länger geworden.

Diese Entwicklung hat die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. (FGSV) in ihren neuen Richtlinien zum Bau von Infrastruktur aufgegriffen. In der „Empfehlung für Anlagen des ruhenden Verkehrs“ (EAR) – also fürs Parken – heißt es, dass Parkplätze künftig 15 cm breiter und 10 cm länger gebaut werden sollen.

Welche Rolle spielt das Regelwerk der FSGV in der Verkehrsplanung?

Die FSGV ist ein gemeinnütziger Verein, der regelmäßig Richtlinien für das Straßen- und Verkehrswesen herausgibt. Seine Empfehlungen entstehen unter Ausschluss der Öffentlichkeit, die Zivilgesellschaft ist kaum eingebunden. Die so entwickelten Regelwerke sind nicht von sich aus bindend – sie erlangen ihre Durchschlagskraft, indem Behörden sie übernehmen und in Verwaltungsvorschriften verankern. Auch werden sie im Streitfall vor Gericht als »Stand der Technik« herangezogen. Auf diesen Wegen bekommt die FSGV einen entscheidenden Einfluss auf die Verkehrsplanung.

Die Verkehrsplanung legt für den Straßenbau ein sogenanntes Bemessungsfahrzeug zu Grunde, mit dem theoretisch die Befahrbarkeit geprüft wird: Ist zum Beispiel eine Kurve weit genug, damit ein Auto sie befahren kann? Dieses Bemessungsfahrzeug betrifft jeweils eine Klasse von Fahrzeugen (wie Pkw oder Lkw) und orientiert sich an den Bestandsmodellen, die auf der Straße unterwegs sind. Es ist stets so bemessen, dass es 85 Prozent der zugelassenen Pkw abdeckt – nur 15 Prozent sind größer.

Was ist das Problem?

Die neuen Empfehlungen der FGSV reflektieren den Trend hin zu immer größeren Modellen, ohne die damit verbundenen Folgen für Infrastruktur und Verkehrssicherheit zu hinterfragen: Mehr Platz für Autos, oft auf Kosten von Rad- und Fußwegen. Dabei brauchen wir lebenswerte Städte mit einer hohen Aufenthaltsqualität, in denen die Bedürfnisse von Menschen bei Planung und Gestaltung im Mittelpunkt stehen. Wo es wieder mehr Orte gibt, an denen sich Nachbarn auf der Straße treffen und miteinander reden können.

Die 1960er- und 1970er-Jahre haben uns gelehrt, dass autofixierte Straßenbaupolitik auf Kosten des urbanen Lebens geht – die Folgen sehen wir immer noch in unseren Kommunen. Unsere Städte leiden unter Lärm, Dichte und schlechter Luft. Und der Druck auf die wenigen innerstädtischen Flächen wächst.

Selbst in Städten, in denen weniger Wege mit dem Auto zurückgelegt werden, gehört ihm die Straße. Hinzu kommt, dass private Pkw oft umsonst oder günstig im öffentlichen Raum abgestellt werden können und sehr viel Platz in Anspruch nehmen. Doch diesen immer knapper werdenden Raum brauchen wir dringend für die Nutzung durch die Allgemeinheit. Die Straßenverkehrsordnung (StVO) folgt immer noch dem Paradigma, dass der (Auto-)Verkehr fließen muss – zu Fuß Gehende und Radfahrende werden dadurch an den Rand gedrängt. Besser wären multimodal gestaltete Flächen – also Stadträume, die für Fuß, Rad, Bus und Bahn mitgestaltet sind statt nur fürs Auto. Auf solchen Flächen können mehr Menschen mobil sein als auf herkömmlichen, monomodalen Straßen, die für große Pkw optimiert sind, in denen im Schnitt nur 1,5 Personen sitzen. Für unsere Städte brauchen wir daher weniger Flächen, auf denen Autos einfach nur herumstehen, sondern mehr Platz für zu Fußgehende, Radfahrende und den öffentlichen Nahverkehr.

Welchen Entwicklungen gehen mit den größeren Pkw einher?

Vergleicht man die Bemessungsfahrzeuge der EAR von 2005 und dem Entwurf von 2022, sieht man, wie schnell das Durchschnitts-Auto wächst: Hatte das Bemessungsfahrzeug 2005 noch eine Länge von 4,74 m, eine Breite von 1,76 m und eine Höhe von 1,51 m, so ist es inzwischen 4,88 m lang, 1,89 breit und 2,00 m hoch. Die Autos werden also nicht nur länger und breiter, sondern zudem auch höher.

Diese Entwicklung birgt gerade für die am meisten gefährdeten Verkehrsteilnehmenden, die Fußgänger*innen, ein erhöhtes Risiko. Sie müssen Straßen häufig zwischen parkenden Autos überqueren ­- und je höher die Autos, desto schlechter die Übersicht.

Bei Unfällen mit einem SUV sind Fußgänger*innen besonders gefährdet: SUV-Fahrer haben wegen der höheren Motorhaube und einer breiteren A-Säule (beim links abbiegen) ein eingeschränktes Blickfeld; das hohe Gewicht und die höhere Stoßstange führt zu schwereren Verletzungen. Aber auch für die Insassen eines Kleinwagens ist die Verletzungsgefahr bei einem Unfall mit einem SUV deutlich erhöht als mit einem herkömmlichen Pkw.

Die Zunahme des Fahrzeuggewichtes spielt auch beim Bremsweg eine entscheidende Rolle. Schwerere Pkws haben längere Bremswege und machen den Verkehr in unseren Städten damit unsicherer. Zwar sank die Zahl der Verkehrstoten seit Jahren kontinuierlich, doch 2022 ist sie erstmals nach dem historischen Tiefpunkt von 2021 um rund 11 Prozent gestiegen. 

Wie können Kommunen mehr Platz für Menschen statt für Autos schaffen?

Kommunen müssen den Straßenraum mit all seinen Aufgaben im Blick haben. Dazu zählen auch neue Anforderungen wie Elektrolade-Infrastruktur, innovative Logistiklösungen, Stationen für Sharing-Angebote oder auch Aufenthaltsfunktionen, Verkehrssicherheit oder Klimaanpassung. Und es gilt auch in vielen Städten, wieder die geltende Straßenverkehrsordnung durchzusetzen – z.B. hinsichtlich illegalen Gehwegparkens.

Parkraummanagement unterstützt eine faire und effiziente Verteilung des Straßenraums. Dazu muss die Nutzung des Straßenraums einschließlich des Parkens der Kfz aber auch Fahrräder im öffentlichen Raum erfasst werden. Untersuchungen aus Bremen haben z.B. gezeigt, dass in innerstädtischen Quartieren ein gutes Viertel der Pkw über drei aufeinanderfolgende Werktage gar nicht benutzt wurde. Auf dieser Basis können dann Quartierskonzepte entwickelt, abgestimmt und umgesetzt werden. Das Bremer SUNRISE Projekt liefert hierzu ein gutes Beispiel. Im Rahmen der Parkraumbewirtschaftung sollten Kommunen Spielräume nutzen, um angemessene Gebühren für das Kurzzeitparken und das Anwohnerparken festzusetzen.

In der Praxis machen Kommunen noch viel zu selten vom aktivem Straßenraum- und Parkraummanagement Gebrauch. Und nur ein relativ geringer Teil des öffentlichen Straßenraums wird in deutschen Kommunen derzeit überhaupt bewirtschaftet und kontrolliert. Im Vergleich zum europäischen Ausland zeigt sich zudem, dass die Parkgebühren in Deutschland deutlich niedriger sind.

Die Stadt Tübingen geht hier mit gutem Beispiel voran, indem sie die Gebühren für Anwohnerparken von 30,70 Euro auf 120 Euro pro Jahr angehoben hat. Für Autos über 1,8 Tonnen (bei Verbrennern) oder über 2 Tonnen (bei Elektroantrieb) kostet der Anwohnerparkausweis sogar 180 Euro pro Jahr. Freiburg im Breisgau geht noch einen Schritt weiter: Dort werden die Gebühren in Abhängigkeit der Fahrzeuglänge bemessen - bis 4209 mm betragen die Kosten bei Neuausstellung 240 Euro, von 4210 mm bis einschließlich 4700 mm 360 Euro und ab 4701 mm 480 Euro jährlich. Auch das Land Berlin prüft gerade eine Abstufung nach Fahrzeuggröße bzw. -gewicht.

Höhere Parkgebühren in Kommunen sind jedoch nur in den Bundesländern möglich, die bereits entsprechende Gebührenordnungen erlassen haben, seit der Bund die Obergrenze von 30,70 Euro pro Jahr Mitte 2020 gekippt hat. Ende 2022 war dies in Bayern, Brandenburg, Bremen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein noch immer nicht der Fall. Auch diese Länder müssen ihren Kommunen endlich Spielraum bei der Gebührenfestlegung einräumen ­– nur so stünde ihnen der gesamte Werkzeugkasten des Parkraummanagements zur Verfügung.

Eine weitere Maßnahme von Kommunen sollte die konsequente Sanktionierung von Falschparkern sein. Statt vor allem stationäre Falschparker*innen auf Anwohnerparkplätzen zu kontrollieren, sollten die Ordnungsämter vorrangig das Parken auf Fuß- und Radwegen und auf Busspuren sowie Falschparker sanktionieren, die andere Verkehrsteilnehmer*innen behindern oder gefährden. Dafür muss stärker als bisher kontrolliert werden.

Werden die Autos immer breiter, so muss das Längsparken dort entfallen, wo die Fahrbahnen zu schmal sind ­– Rettungswagen, Müllabfuhr u.a. müssen weiterhin durchfahren können. In der Praxis kann das bedeuten, dass in bestimmten Straßen nur noch auf einer Seite geparkt werden darf. Bereits jetzt entfallen Parkplätze, weil die Autos immer länger werden: Auf der gleichen Fläche haben weniger Pkw Platz; statt zehn Autos wie früher, sind es heute vielleicht noch sieben oder acht.

Auch das illegale Gehwegparken muss künftig unterbunden werden. Viele Autofahrer*innen parken auf Bürgersteigen, um möglichst nahe am Ziel zu sein. Dass der Gehweg dann nicht mehr ungehindert nutzbar ist, nehmen viele in Kauf. Und die Kommunen setzen geltendes Recht wegen der politischen Sensibilität des Parkens oftmals nicht um und lassen die Gehwegparker gewähren. Größer werdende Autos verschärfen dieses Problem zusätzlich. In Bremen sind deshalb fünf Bürger*innen vor das Oberverwaltungsgericht gegangen, um das Recht auf freie Gehwege einzuklagen. Das Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht haben bestätigt, dass die Straßenverkehrsordnung Unbeteiligte schützen soll. Das Urteil bestätigt, dass Bremen das aufgesetzte Parken nicht länger dulden soll.

Zu dem Urteil äußert sich der Berliner Rechtsanwalt Dr. Olaf Dilling: “Insgesamt ist es eine Entscheidung, die Fußgängerrechte stärkt. Dass das Gericht nicht zu dem Ergebnis kommt, dass die Behörde (sofort) einschreiten muss, liegt daran, dass sie angesichts der stadtweiten Problematik annimmt, dass die Behörde ihre Tätigkeit priorisieren muss. Mein Eindruck ist, dass die Entscheidung Fußgängerrechte stärkt, indem sie Drittschutz der Regeln über Halten und Parken annimmt und Leichtigkeit des Fußverkehrs als Schutzgut ausdrücklich anerkennt.”

Chancen der Digitalisierung

Die Möglichkeiten der Digitalisierung können für eine nachhaltige Mobilität auch in der Straßenraumnutzung ausgebaut werden – so könnte z. B. eine digitale und damit effizientere Erfassung der Falschparker durch Scan-Fahrzeuge erfolgen oder mit einem digitalen Parkassistentensystem könnte das illegale Abstellen von Autos (z. B. im absoluten Halteverbot) unterbunden werden.

Es sollte Anreize geben, kleinere Autos zu kaufen und damit auch für die Industrie wieder kleinere Modelle zu bauen. Gerade die Höhe von Parkgebühren könnte sich an der Platzinanspruchnahme orientieren. Und mit der Digitalisierung könnte eine differenzierten Parkraumbewirtschaftung erleichtert werden.

Fazit

Für mehr Lebensqualität in unseren Städten braucht es eine konsequente Hinwendung von der bisherigen autozentrierten zu einer menschenorientierten Straßenraumnutzung: Mehr Platz für Fußgänger*innen, attraktivere Rahmenbedingungen für das Radfahren und auch eine Stärkung von Kindern und mobilitäts-eingeschränkten Personen im Straßenverkehr. Geschwindigkeiten und der Flächenverbrauch des Pkw-Verkehrs müssen sich an die Bedürfnisse der Menschen in der Stadt anpassen. Neue Technologien können in diese Richtung weiterentwickelt werden. Städte und Gemeinden müssen ihren Beitrag leisten. Bund und Länder müssen die Kommunen bei diesem gewaltigen Vorhaben unterstützen. Dafür setzt der VCD sich konsequent ein.

Forderungen des VCD

  • Fairere Neuverteilung des öffentlichen Raums und der Verkehrsflächen
  • Parkgebühren im Rahmen eines gesamtstädtischen Mobilitätskonzepts anpassen und für die Förderung von Bus-, Bahn-, Fuß- und Radverkehr einsetzen.
  • Gehwegparken kontrollieren und sanktionieren
  • Mehr, breitere und komfortablere Verkehrswege und Begegnungszonen für Fußgänger*innen und Radfahrende im Stadtraum einrichten
  • Vorrechtsregelungen für den Fuß- und Radverkehr in der StVO verankern
  • Sichere Straßen und mehr Platz für Kinder
  • Tempo 30 innerorts als Regelgeschwindigkeit einführen

Quellen

Mobilitätsatlas
https://www.vcd.org/themen/klimafreundliche-mobilitaet/mobilitaetsatlas

Kurzmeldungen des Deutschen Bundestags
https://www.bundestag.de/webarchiv/presse/hib/2018_03/548536-548536

Zur Reformbedürftigkeit der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V. (FGSV) der TU Berlin (Udo Becker und Oliver Schwedes)
https://www.tu.berlin/ivp/forschung/discussionpaper

Empfehlung für Anlagen des ruhenden Verkehrs (EAR) der FGSV (2005 und Entwurf 2021)
https://www.fgsv-verlag.de/ear

The association between pedestrian crash types and passenger vehicle types
https://www.iihs.org/topics/bibliography/ref/2249

Statistisches Bundesamt
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/12/PD22_512_46241.html

Fairkehr Magazin 2/2022: Schluss mit Gehwegparken?
https://www.fairkehr-magazin.de/archiv/2022/fk-02-2022/titel/schluss-mit-gehwegparken/

Plattform strasse-zurueckerobern.de: Bürgersteige den Bürgern
https://www.strasse-zurueckerobern.de/geschichten/buergersteige-den-buergern/

Flächen-Gerechtigkeits-Report, Agentur für clevere Städte
https://www.clevere-staedte.de/files/tao/img/blog-news/dokumente/2014-08-05_Flaechen-Gerechtigkeits-Report.pdf

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