My car is my castle? Wohl kaum.

Warum wir jetzt nicht wieder ins Auto steigen dürfen

Corona hat auch unsere Mobilität stark verändert. Der Verkehr in den Städten ging zeitweise um 30 bis 50 Prozent zurück. Viele Alltagswege fielen weg, Berufstätige haben im Homeoffice gearbeitet und Termine wurden gestrichen. Auf einmal waren die Straßen leer.

| Auto

Doch seit Juni beleben sich unsere Städte und Ortschaften wieder. Sprachen viele zu Beginn der Pandemie noch davon, dass Corona trotz allem Negativen wenigstens der Umwelt die Möglichkeit zum Durchatmen verschafft, machen jetzt andere Meldungen hellhörig: Viele Menschen greifen wieder stärker auf das Auto als Fortbewegungsmittel zurück. Der private Pkw wird als besonders infektionssicher angesehen, als Möglichkeit, sich von den anderen Verkehrsteilnehmenden abzugrenzen. My car ist my Corona castle.

Eine Umfrage des europäischen Verkehrsverbands „Transport & Environment“ fand heraus, dass rund 40 Prozent der Befragten auch nach einem Ende der Corona-Pandemie öfter Auto fahren wollen. Auch junge Erwachsene ziehen wegen der Pandemie wieder stärker in Erwägung, sich ein eigenes neues Auto zu kaufen. Dabei war die Zahl der jungen Autokäufer*innen in den letzten Jahren immer mehr zurückgegangen.

Zurück ins Auto – Eine sinnvolle Methode der Krisenbewältigung?

Wohl kaum. Denn die verschärft nur die nächste Krisensituation: die Klimakrise. Das Auto bekommt durch den Corona-Bezug einen positiven, gesunden Anstrich – und das zu Unrecht. Autos sind  wesentliche Verursacher von Lärm, der wiederum Stress und damit das Risiko von Herzkreislauf-Erkrankungen erhöht. Gerade an Hitzetagen im Sommer heizen Autos, Abgase und Staus unsere Stadtviertel weiter auf. Waren unsere Städte bereits vor Corona mit überfüllten Straßen belastet, würden noch mehr Autos sie komplett überfordern. Und eins steht völlig außer Frage: In einer wärmer werdenden Welt dürfen wir jetzt nicht das verspielen, was wir beim Klimaschutz im Verkehr mühsam erreicht haben, indem wir wieder alle den Autoschlüssel in die Hand nehmen.

Die Verkehrswende war auf dem richtigen Weg - Lasst uns nicht zehn Schritte zurückgehen!

Krisensituationen sind Herausforderungen, die bewältigt werden müssen. Sie sollten dazu anregen, kreative Lösungen zu erarbeiten. Nicht dazu, auf Mittel zurückzugreifen, von denen wir noch vor wenigen Monaten dachten, sie würden schon bald überholt sein. Die zentrale Frage ist: Wie machen wir es auch in Zeiten, in denen wir Distanz zu anderen Menschen halten müssen, möglich, das Auto stehen zu lassen? Lasst uns zusammen Ideen erarbeiten und Potenziale ausschöpfen!

Denn im Ernst: Das ist doch ein weitaus konstruktiverer Umgang mit der aktuellen Situation, als sich in sein eigenes Blech-Schneckenhaus zurückzuziehen.

Viele Wege sind mit dem Rad machbar – Wir brauchen nur mehr Radwege

Zwei Drittel unserer Alltagswege sind im Schnitt kürzer als zehn Kilometer und lassen sich gut mit dem Fahrrad oder E-Bike zurücklegen. Mehr als jedes andere Verkehrsmittel ist das Fahrrad infektionssicher, hält aktiv und stärkt damit die eigene Gesundheit. Viele Städte haben auf die Abstandsregeln für Corona reagiert, indem sie temporäre Fahrradwege und damit mehr Platz für sicheres Fahrradfahren eingerichtet haben. Die Pop-Up Bikelanes werden begeistert angenommen, immer mehr Menschen steigen aufs Rad, auch der Fahrradverkauf boomt. Und auch wenn der Sommer bald vorbei ist, die milden Temperaturen der letzten Jahre zeigen: Auch im Herbst und Winter ist Radfahren ohne weiteres möglich – und macht viel Spaß!

Neue Möglichkeiten nutzen – Altes Denken abstellen

Von Homeoffice über Videokonferenzen bis zu Co-Working-Spaces – Corona hat viele Unternehmen angeregt, alternative Arbeitsweisen zu testen und zu fördern. Damit öffnet sich ein großes Möglichkeitsfenster, diese und andere Neuerungen auch über die Pandemie hinaus zu nutzen, und so Wege im Arbeitsalltag zu reduzieren. Das kommt Umwelt und Klima zugute.

Solche positiven Beispiele brauchen wir und sollten wir in den Fokus nehmen, wenn wir zukunftsfähige Mobilität möglich machen wollen. Ideen testen und nutzen und in Dialog treten. Um letztlich zu erreichen, dass das „eigene Auto“ in Zukunft nur noch eine unbedeutende Nebenrolle spielt im Verkehrssystem. Also Augen auf bei der Verkehrsmittelwahl – auch in Corona-Zeiten.

 

Vera Storre

ist Trainee für politische Kommunikation und klimafreundliche Verkehrspolitik

vera.storre@vcd.org

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