Mit dem ab 29. Juli 2009 geltenden Fahrgastrechtegesetz haben Bahnkunden des Nah- und Fernverkehrs in Deutschland und der gesamten EU erstmals einen gesetzlich verankerten Anspruch auf Fahrpreiserstattung oder auf die Nutzung eines anderen Verkehrsmittels. Ein solches Gesetz forderte der VCD schon lange, denn es ist ein wichtiger Schritt für eine attraktive Bahn. Das Gesetz gibt dem Unternehmen einen Anreiz zu mehr Pünktlichkeit im Bahnverkehr und steigert das Image, so dass mehr Menschen vom Auto oder Flugzeug auf die umweltfreundlichere Bahn umsteigen werden.
Wenn eine Ankunftsverspätung am Zielort von mindestens 60 Minuten zu erwarten ist, können Fahrgäste zwischen zwei Möglichkeiten wählen:
1. Abbruch der Fahrt: Erstattung des Fahrpreises für den Teil der Fahrt, der nicht zurückgelegt wurde, vor Abfahrt also der gesamte Fahrpreis. Bei Reiseabbruch während der Fahrt kann auch kostenfrei zum Ausgangsort gefahren werden. Der gesamte Fahrpreis wird dann erstattet.
2. Fortsetzung der Fahrt oder Weiterreise mit geänderter Streckenführung unter vergleichbaren Beförderungsbedingungen bis zum Zielort. Fahrgäste dürfen selbst bestimmen, ob sie bei nächster Gelegenheit oder zu einem späteren Zeitpunkt weiterreisen.
Wenn der Zug verspätet ankommt, haben Fahrgäste einen Anspruch auf Entschädigung. Das Recht auf Beförderung verlieren sie dabei nicht. Die Höhe der Entschädigung beträgt 25 Prozent des Fahrkartenpreises (einfache Fahrt) bei einer Verspätung ab 60 Minuten. Ab 120 Minuten Verspätung bekommen sie 50 Prozent erstattet. Das Formular zum Einfordern der Entschädigung erhalten Sie hier.
Für Zeitkarten wird bei einer Verspätung ab 60 Minuten eine Entschädigung pro Fahrt bezahlt. Eine Sammlung der Verspätungen bis zum Ende des Gültigkeitszeitraums empfiehlt sich. Die Entschädigungszahlungen sind fix:
Zeitkarte | 2. Klasse | 1. Klasse |
Nahverkehr | 1,50 € | 2,50 € |
Fernverkehr | 5 € | 7,50 € |
BahnCard 100 | 10 € | 15 € |
Es gibt eine Bagatellgrenze: Liegt die theoretische Entschädigung unter 4 €, muss sie nicht gezahlt werden. Bei Zeitkarten im Nahverkehr müssen also mehrere Verspätungsfälle vorliegen.
Beispiel Entschädigung: Herr Wagner möchte mit dem Zug von Darmstadt nach Kiel fahren. Die Fahrkarte hat 114 Euro gekostet. Er muss in Frankfurt am Main umsteigen, dafür hat er zehn Minuten Zeit. Den Anschlusszug nach Kiel verpasst Herr Wagner, weil der Regionalzug 30 Minuten zu spät in Frankfurt ankommt. Deshalb erreicht er Kiel erst um 19.51 Uhr statt wie geplant um 18.48 Uhr – mit mehr als 60 Minuten, jedoch weniger als 120 Minuten Verspätung. Herr Wagner bekommt 25 Prozent des Fahrpreises, also 28,50 Euro, erstattet.
Beispiel Bagatellgrenze: Frau Weber aus dem Emsland fährt mit dem Regionalzug von Lathen nach Emsdetten. Der Fahrpreis beträgt 14,60 Euro. Planmäßige Ankunft ist um 15.35 Uhr. Tatsächlich erreicht sie Emsdetten aber erst eine Stunde später. Sie erhält dennoch keine Fahrpreiserstattung von 25 Prozent, da der zu erstattende Betrag mit 3,65 Euro unterhalb der Bagatellgrenze liegt.
Sollte wegen einer Abfahrts- oder Ankunftsverspätung von mehr als 60 Minuten eine Übernachtung erforderlich werden, muss das Eisenbahnunternehmen ein Hotelzimmer oder eine andere Unterkunft und den Transfer vom Bahnhof dorthin anbieten. Das bahnunternehmen soll Mahlzeiten und Erfrischungen anbieten, soweit sie im Zug oder im Bahnhof verfügbar oder lieferbar sind.
Eine Erstattung des Fahrpreises ist nicht möglich, wenn:
Eisenbahnunternehmen, Fahrkartenverkäufer oder Reiseveranstalter dürfen sich nicht weigern, Personen mit Behinderung oder eingeschränkter Mobilität zu befördern. Ausnahmen sind nur zulässig, wenn der Beförderung technische Hindernisse entgegenstehen. Die Fahrkarten müssen ohne Aufpreis angeboten werden. Darüber hinaus muss es auf Bahnhöfen und in Zügen umfangreiche Hilfeleistungen, wie zum Beispiel Einstiegshilfen, geben. Die benötigte Hilfe muss spätestens 48 Stunden vor Fahrtantritt angefordert werden, zum Beispiel beim Eisenbahnunternehmen, am Bahnhof oder gleich beim Ticketkauf. Alle Bahnhöfe müssen die Möglichkeit anbieten, die Ankunft anzumelden und Hilfe anzufordern.
Wenn eine Ankunftsverspätung des Fahrgasts am Zielort der Reise von mindestens 20 Minuten zu erwarten ist, dürfen Fahrgäste einen anderen Zug, auch einen höherer Zugkategorie, nutzen (ausgenommen Sonder- und reservierungspflichtige Züge). Ob der Fahrgast berechtigt ist, muss das Zugpersonal wissen.
Der Fahrgast darf den "höherwertigen" Zug ohne Zuzahlung nutzen. Dieser Anspruch gilt allerdings nicht für Fahrgäste, die mit einem erheblich ermäßigten Fahrschein reisen, zum Beispiel mit dem „Schönen-Wochenende-Ticket“ oder mit einem Länderticket. Im Zweifel kann Ihnen das Zugpersonal zusagen, ob die Regelung für ihr Ticket gilt.
Beispiel Ersatzbeförderung: Josephine Seidel aus Aschaffenburg möchte ihre Enkelkinder in Wiesbaden besuchen. Sie kauft einen Fahrschein für den Regional-Express – fahrplanmäßige Abfahrt 17.16 Uhr, Ankunft 18.55 Uhr. Frau Seidel erfährt über die Anzeigetafel, dass ihr Zug mit einer Verspätung von 40 Minuten eintreffen wird. Sie darf nun anstelle des Regional-Expresses den ICE von Aschaffenburg nach Frankfurt am Main benutzen, so dass sie Wiesbaden um 18.58 Uhr erreicht.
In Einzelfällen kann das Eisenbahnunternehmen die Ersatzbeförderung in einem höherwertigen Zug ausschließen, wenn erhebliche Störungen im Betriebsablauf zu erwarten sind. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die Kapazität des Zuges durch die zusätzlichen Fahrgäste überlastet werden würde.
Die Fahrgäste dürfen ein anderes Verkehrsmittel nutzen, zum Beispiel ein Taxi, wenn zu erwarten ist, dass ein Zug, dessen planmäßige Ankunftszeit zwischen null Uhr und fünf Uhr morgens liegt, mit mindestens 60 Minuten Verspätung ankommt. Der Fahrgast bekommt dann die Kosten zum Zielbahnhof bis maximal 80 Euro erstattet. Das gilt auch, wenn die letzte fahrplanmäßige Verbindung ausfällt und die Fahrgäste deshalb ihren Zielbahnhof bis Mitternacht nicht ohne die Nutzung eines anderen Verkehrsmittels erreichen können. Dieses Recht besteht jedoch nur dann, wenn das Eisenbahnunternehmen keine eigenständige alternative Beförderung zum Zielort anbietet. Die Fahrgäste haben den Schaden durch die Wahl eines kostengünstigen Verkehrsmittels so gering wie möglich zu halten. Soweit es zumutbar ist, sollten Fahrgäste bei einer Ersatzbeförderung mit dem Taxi Fahrgemeinschaften bilden.
Beispiele Ersatzfahrt mit dem Taxi: Ehepaar Schmitz möchte nach einem Opernbesuch um 0.43 Uhr mit dem Regional-Express von Berlin Hauptbahnhof zurück nach Werder fahren. Planmäßige Ankunft ist 1.17 Uhr. Am Bahnhof erfährt das Ehepaar, dass der Zug wegen eines Defekts ausfällt. Der nächste Zug fährt erst Stunden später. Das Ehepaar darf ein Taxi nehmen und bekommt die Fahrt zum Zielbahnhof bis zu jeweils 80 Euro erstattet.
Auf Anfrage der Fahrgäste muss das Eisenbahnunternehmen auf der Fahrkarte bestätigen, dass der Zug ausgefallen ist oder verspätet war und deshalb der Anschlusszug nicht mehr erreicht werden konnte. Das erleichtert die spätere Durchsetzung des Entschädigungsanspruchs. Fahrgäste sollten sich alle notwendigen Auslagen wie Telefon-, Hotel-, Taxi- oder ICE-Zusatzkosten, die infolge von Verspätung, Anschlussversäumnis oder Ausfall entstanden sind, schriftlich quittieren lassen. Wer einen Erstattungsanspruch geltend machen möchte, sollte diese Belege grundsätzlich nur in Kopie bei der zuständigen Stelle einreichen.
Die Verspätung der Züge wird jedoch auch intern dokumentiert, so dass später bei der Bearbeitung des Erstattungsantrags oder auch im Anschlusszug Im Zweifel sollte ein sofort erreichbarer passender Zug genommen werden, anstatt lange nach Personal zu suchen oder sich am Servicepoint anzustellen.
Aus Sicht des VCD sind Nachbesserungen am Fahrgastrechtegesetz nötig:
Mit einer weiteren Stärkung der Fahrgastrechte würde die Bahn attraktiver werden. Andere EU-Mitgliedsstaaten wie Frankreich, Spanien oder Finnland haben beispielsweise eine Erstattung schon ab einer Verspätung ab 30 Minuten eingeführt. Deutschland sollte nicht hinter diesem Standard zurückbleiben.
Bei Verspätung ab 60 Minuten im Nah- und Fernverkehr (alle Züge, nicht nur DB AG) können Sie sich einen Teil ihres Fahrpreises erstatten lassen. Nutzen Sie dazu das Fahrgastrechte-Formular
Sollten Sie unzufrieden mit Ihrer Fahrt in einem Fernzug (ICE, IC, EC) gewesen sein, nutzen Sie den Kundendialog der DB Fernverkehr AG.
DB Fernverkehr AG
Kundendialog
Postfach 10 06 13
96058 Bamberg
Tel.: 0180 6 99 66 33 (20 ct/Anruf, Mobilfunk max. 60 ct/Anruf)
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Sollten Sie mit der Reaktion auf Ihre Beschwerde unzufrieden sein, hilft Ihnen die unabhängige Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (söp) weiter.
Bei Fragen zu Ihrer Bahncard nutzen Sie den Bahncard-Service.
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