Das Leben ohne eigenes Auto ist günstiger und eröffnet ungeahnte Freiheiten. Besonders in großen Städten ist es möglich, auch auf Rad, Bus, Bahn und Carsharing zu setzen. Dazu ein Report aus dem Raum Bonn-Köln.
Matthias B.s kleiner roter Citroën hatte nach zwei Monaten des Parkens unter Straßenbäumen einen grünen Schleier bekommen. Da der TÜV bald ablief und das Auto auch künftig vor allem ungenutzt herumstehen würde, hieß es: Adieu, Citroën. In der 300000-Einwohner-Stadt Bonn ist es gut möglich,
ohne eigenes Auto zu leben. Wer sich vom Privat-Pkw verabschiedet, spart nicht nur bis zu mehrere Hundert Euro im Monat, sondern hat zudem die Freiheit zu entscheiden, welches Verkehrsmittel ihm oder ihr in welcher Situation am besten passt.
Die 13 Kilometer zum Büro legt Matthias B. jetzt mit dem Fahrrad zurück. Wer ungern schwitzt, schafft sich für solche Distanzen ein Elektrofahrrad mit eingebautem Rückenwind an. Am morgendlichen Wettlauf um Parkplätze muss er nicht mehr teilnehmen. Außerdem verschwendet er keine Lebenszeit im Stau auf der B9. Stattdessen absolviert er einen Teil des täglichen Fitness- und Konditionstrainings
auf dem Weg zur Arbeit.
Auf Dienstreisen ist der Informatiker ohnehin mit der Bahn unterwegs. Da er eine Bahncard besitzt, verbringt er die Zeit, die er auf Reisen nicht hinterm Steuer sitzen muss, im Zug mit Terminvorbereitung,
Musikhören oder Seriengucken. An Feierabenden und am Wochenende profitiert Matthias B. vom ÖPNV-Jobticket seiner Freundin. Auf Trips nach Köln oder ins Siebengebirge kann er als Begleitperson
auf dem Ticket kostenlos mitfahren. Vor allem bei den Ausflügen ins Umland helfen die Fahrplan-Apps der Verkehrsbetriebe. Auch hier: kein Stau, keine Parkplatzsuche, keine Parkgebühren – allerdings
auch weniger Flexibilität und leider nicht immer zuverlässige Verbindungen.
Immer häufiger tauchen im Stadtbild Lastenräder auf, die Kinder, Post, Pizzen oder Werkzeug von Handwerkern transportieren. Je nach Modell tragen Transporträder bis zu 250 Kilogramm Zuladung.
Sind sie zusätzlich mit E-Motor ausgestattet, ist der Großeinkauf ohne Auto kein Problem. Viele Privatleute schrecken aber vor dem hohen Preis der E-Lastenräder von knapp 2000 bis mehr als 6000 Euro zurück. Doch Transporträder lassen sich auch leihen. So bieten beispielsweise Baumärkte E-Lastenräder stunden- und tageweise an, auch Fahrradhändler tun das. Außerdem entstehen immer mehr private Leih-Netzwerke.
Überhaupt macht die „Sharing Economy“ – die Idee des Nutzens statt Besitzens – das Leben ohne eigenes Auto zunehmend einfach. Um auch in anderen Städten Strecken mit dem Fahrrad zurücklegen zu können, hat sich Matthias B. bei einem deutschlandweiten Bikesharing-Service angemeldet. Wenn Matthias B. doch einmal ein Auto braucht, findet er bei einem Carsharing-Anbieter meistens das Modell, das er gerade benötigt: vom Stadtauto über den Kombi bis hin zum Transporter. In einigen Großstädten können Multimobile auch aufs „Free Floating“-Carsharing zurückgreifen. Anders als bei den stationsbasierten Angeboten können Autos hier spontan geliehen und überall im Geschäftsgebiet wieder abgestellt werden.
Und falls der italienische Nachbar nicht behauptet „Isch ‘abe ga’ keine Auto“, kann man sich auch mit ihm zusammentun und sein Fahrzeug mit mehreren nutzen. Der VCD hat für nachbarschaftliches Autoteilen einen Mustervertrag entworfen, der Kosten und Risiken klärt.
Zugegeben: Manchmal wünscht sich Matthias B., einfach in sein Auto steigen zu können, wie früher. Doch ein gutes Leben ohne eigenes Auto ist in den Metropolregionen auf der ganzen Welt zunehmend
Realität – vor allem für die jüngeren Menschen. Das strahlt mittlerweile auch auf ländliche Regionen aus.