Behebung des StVO-Formfehlers: Ein Schritt in die richtige Richtung

Endlich konnten sich Bund und Länder auf einen neuen Bußgeldkatalog einigen. Die ursprünglich geplanten Fahrverbote sind zwar vom Tisch, aber es greifen endlich wirksamere Geldstrafen. Darauf darf sich der Bund nicht ausruhen. Damit Vision Zero endlich Realität wird, braucht es mehr, wie zum Beispiel deutlich niedrigere Regelgeschwindigkeiten inner- und außerorts.

| Tempolimit Vision Zero

Am 4. Mai 2021 fand die erste nationale Verkehrssicherheitskonferenz statt. Dort stellte Bundesverkehrsminister Scheuer das Verkehrssicherheitsprogramm des Bundes ab 2021 vor, das für mehr Schutz der sensiblen Verkehrsteilnehmer*innen sorgen soll. Denn obwohl die Zahl der Verkehrstoten zwischen 2010 und 2019 um 16,5% zurückgegangen ist, ist im Bereich Radverkehr leider eine Entwicklung gegen diesen Trend erkennbar. Die Zahl der verstorbenen Radfahrer*innen war 2019 mit 445 um 16,8% höher als 2010. Das ist auch darauf zurückzuführen, dass im Zeitraum 2008 bis 2017 die Fahrradnutzung um 17% gestiegen ist und so die Zahl der Fahrradunfälle beeinflusst. Natürlich muss dieser Zusammenhang entkoppelt werden, wie es auch der aktuelle, nationale Radverkehrsplan der Bundesregierung zum Ziel hat: die Zahl der im Verkehr getöteten Radfahrenden gegenüber 2019 um 40 Prozent zu reduzieren, und zwar bei gleichzeitig angestrebter Verdoppelung der mit dem Rad gefahrenen Kilometer.

Ein richtiger Schritt in diese Richtung, um die Sicherheit für Radfahrende zu erhöhen, war es, die Straßenverkehrsordnung (StVO) zu reformieren. Die StVO-Novelle von April 2019 sah u.a. höhere Bußgelder für Falschparken sowie strengere Fahrverbote vor. Doch bereits drei Monate später wurden diese auf Grund eines juristischen Formfehlers wieder außer Kraft gesetzt. Was folgte, war eine langwierige und unsägliche Debatte, ausgetragen auf dem Rücke der verletzlichsten Verkehrsteilnehmenden. Mit der Einigung der Verkehrsminister*innen des Bundes und der Länder auf einen neuen Bußgeldkatalog Mitte April dieses Jahrs hat die Diskussion vorerst ein Ende. Offiziell verabschiedet wird die Änderung im Juni im Bundesrat. Vollends in Kraft treten werden die neuen, alten Vorschiften aber erst im September mit der grundrechtskonformen Verkündung der Bußgeldkatalogverordnung – also fast 1,5 Jahre nach der ursprünglichen Novelle der StVO. Priorität für Verkehrssicherheit sieht anders aus.

Endlich mehr Sicherheit für Radfahrende

Zwar sind Fahrverbote, die laut der ursprünglichen StVO-Novelle bereits bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 21km/h innerorts und 26km/h außerorts verhängt werden sollten, vom Tisch. Aber es greifen endlich deutlich wirksamere Bußgelder für die der VCD sich seit langem erfolgreich eingesetzt hat. Dazu zählen z.B. die Online-Petition „Knolle statt Knöllchen“ mit 38 Tsd. Unterschriften, mit der ein breites Bündnis aus Umweltschutz, Verkehr, Fahrradindustrie und Verkehrssicherheit unter Federführung des VCD höhere Bußgelder für Falschparken forderte und unser Aufruf an Bürger*innen, diesbezüglich Druck auf die Landesverkehrsministerien auszuüben. Über 3.800 Bürger*innen baten die Verantwortlichen vor Ort schriftlich, keinen Rückschritt bei der Verkehrssicherheit zuzulassen.

In Zukunft kann das Zuparken von Rad- und Gehwegen bis zu 100 Euro kosten, das Halten auf Schutzstreifen wird ausdrücklich verboten und für das Abbiegen ohne Schulterblick werden Autofahrer*innen auch tiefer in die Tasche greifen müssen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Bundesregierung darf sich darauf aber auf keinen Fall ausruhen. Denn nach wie vor steht das Auto im Mittelpunkt der deutschen Verkehrspolitik.

Um das zu ändern, hat der VCD seine Forderungen an die nächste Bundesregierung veröffentlicht: Damit das Leitziel „Vision Zero“, sprich null Verkehrstote, Realität wird, braucht es weit mehr. Dazu zählen Regelgeschwindigkeiten wie Tempo 30 innerorts, Tempo 80 auf Landstraßen und ein Limit von 120 km/h auf Autobahnen genauso wie wirksame Fahrverbote bei deutlicher Geschwindigkeitsüberschreitung. Auch die Verpflichtung zum Einbau von Abbiege- und Bremsassistenten müssen nicht nur bei Lkw, sondern auch bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen gelten. Der hohe Anteil an Autofahrer*innen, die die Hauptschuld bei Radunfällen tragen, unterstreicht das mehr als deutlich.

Ein Bundesmobilitätsgesetz als rechtlicher Rahmen

Damit die Vision Zero, aber auch Klimaschutz und weitere gesellschaftliche Zielsetzungen generell den Maßstab für die Verkehrspolitik bilden, braucht es einen modernen rechtlichen Rahmen: ein Bundesmobilitätgesetz. Es reicht nicht nur, sich hohe gesellschaftliche Ziele zu setzen. Deren Umsetzung muss auch langfristig angegangen werden. Und das gelingt nur, wenn der Verkehr strategisch und integriert über alle Verkehrsmittel hinweg geplant, finanziert und organisiert wird.

 

Julia Nothnagel

Trainee für politische Kommunikation und klimafreundliche Verkehrspolitik

julia.nothnagel@vcd.org

 

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