Was uns wichtig ist
Alle Menschen sollen klimafreundlich und selbstbestimmt mobil sein können, das fordern wir mit unserer Mobilitätsgarantie. Eine wichtige Säule ist dabei die Bezahlbarkeit von Bus und Bahn. Gleichzeitig muss Geld für Streckenausbau, Taktverdichtung und Barrierefreiheit bereitstehen. Denn wo kein Bus fährt, nützt das billigste Ticket nichts. Die Lehren aus dem 9-Euro-Ticket lassen sich schon jetzt ziehen:
1. Günstige Tickets machen Menschen mobil, die vorher ausgeschlossen waren.
2. Einfache Tarifstrukturen erleichtern den Umstieg auf Bus und Bahn.
3. Ohne Angebot kein Umstieg: Zentral sind Ausbau, Taktverdichtung und Mitteleinsatz.
Deshalb fordert der VCD kein billiges Ticket für alle mit der Gießkanne, sondern ein Modell, das sowohl bezahlbar als auch finanzierbar ist und den Ausbau nicht gefährdet. Denn an vielen Orten gibt es noch gar kein angemessenes ÖPNV-Angebot.
Das Modell der Länder-PlusTickets, das der VCD vorgeschlagen hat, ist ein Aufschlag zur Diskussion.
Auch viele andere haben Vorschläge für die Nachfolge des 9-Euto-Tickets gemacht, die meisten davon ohne zu erklären, wie das Modell langfristig finanziert werden kann.
Der Verband der Verkehrsunternehmen (VDV) hat seinen Vorschlag des 69-Euro-Tickets, das deutschlandweit im ÖPNV und Regionalverkehr gültig sein soll, mit einer seriösen Kostenschätzung verbunden. Der VCD begrüßt diesen Vorschlag grundsätzlich, zumal die Realisierungschancen groß sind, wenn die Verkehrsunternehmen bereits dahinterstehen.
Wir wollen eine Nachfolge für das 9-Euro-Ticket, die einfach, attraktiv und für alle bezahlbar ist – und dabei den Ausbau des Bus- und Bahnverkehrs nicht gefährdet. Klar ist: zusätzlich zu den Mitteln für dieses Ticket müssen auch die nötigen Milliarden für den ÖPNV-Ausbau bereitgestellt werden. Der ÖPNV ist heute schon in vielen Bereichen überlastet. Gerade auf dem Land gibt es allzu oft so gut wie gar kein Angebot.
Der VCD sieht die Politik jetzt in der Pflicht, nahtlos eine Nachfolge zum 9-Euro-Ticket auf den Weg zu bringen. Dabei muss auch an die gedacht werden, die sich 69 Euro pro Monat nicht leisten können. Für welches Modell sich die Politik am Ende entscheidet, das neue Angebot muss von Anfang an auch als Sozialticket und als ermäßigtes Ticket für Schüler*innen, Azubis und Studierende erhältlich sein – für maximal 30 Euro im Monat.
Das VCD-Konzept in Kürze
Das Länder-PlusTicket soll für acht Großräume angeboten werden und immer mindestens bis zum nächsten Mittelzentrum des angrenzenden Geltungsbereiches gültig sein. Außerdem gibt es Bereiche, in denen zwei Länder-PlusTickets gültig sind. So trägt es den unterschiedlichen Bedürfnissen Rechnung. Mobilität wird endlich vom Fahrgast aus gedacht, anstatt sich an der Verbundstruktur zu orientieren.
Weil die Tickets für alle bezahlbar sein sollen, ist der Ermäßigungstarif als Sozialticket sowie für Schüler*innen, Azubis und Studierende von zentraler Bedeutung. Dieser soll bei 30 Euro im Monat liegen. Beim Regeltarif haben wir uns daran orientiert, was langfristig finanzierbar ist, ohne die Mittel für den dringend notwendigen ÖPNV-Ausbau zu gefährden. Einen Preis von 75 Euro pro Monat halten wir dabei für gleichermaßen bezahl- und finanzierbar. Ein Jobticket könnte es dann für 60 Euro im Monat geben – je nach Arbeitgeber-Zuschuss entsprechend darunter. Die Erweiterung um einen weiteren Geltungsbereich gäbe es für 30 Euro im Monat, ein deutschlandweites Ticket für den Nah- und Regionalverkehr mit einem Zuschlag von 60 Euro – also regulär für 135 Euro im Monat, ermäßigt ab 90 Euro.
Das ausführliche Konzept finden Sie hier: Länder-Plustickets: Das VCD-Tarifkonzept
Fragen zu Tarifgebieten und Überschneidungen
Warum 8 Tarifbereiche und nicht gleich ganz Deutschland?
Die Länder-PlusTickets sollen nicht den Fernverkehr auf den Regionalverkehr verlagern. Gleichzeitig ist die Beschränkung der meisten Abos auf eine Stadt viel zu klein gedacht. Autofahrten zwischen 10 und 100 km verursachen den größten Anteil an den CO2-Emissionen. Diese Entfernungen des Regionalverkehrs müssen mit den Tickets ebenfalls abgedeckt sein, damit sie eine hohe klimawirksame Verlagerung vom Auto auf den öffentlichen Verkehr ermöglichen. Das VCD-Modell der Länder-PlusTickets knüpft an den bestehenden Ländertickets der Bahn an, die für insgesamt 13 Regionen erhältlich sind. Diese fassen wir zu nur noch 8 Regionen zusammen. Das VCD-Konzept lässt sich somit unmittelbar umsetzen, da es auf bestehenden Strukturen aufbaut, diese aber noch deutlich einfacher und übersichtlicher macht.
Mit dem Vorschlag für diese 8 Tarifbereiche stellt sich der VCD nicht prinzipiell gegen ein deutschlandweites Ticket. Auch diese Option ist im VCD-Tarifkonzept enthalten. Wenn das Geld für ein bezahlbares deutschlandweites Ticket bereitgestellt wird, ohne dass die Mittel für den Ausbau fehlen, dann begrüßt dies der VCD. Denn natürlich macht dies das Ticket noch einfacher: Es gibt nirgendwo irgendwelche Grenzen zu beachten und keine Entscheidung über den Bereich zu fällen. Lediglich für den Fernverkehr wären dann noch ergänzende Tickets nötig.
Wie funktioniert das mit den Überschneidungen der Tarifgebiete?
Die Geltungsbereiche der Länder-PlusTickets sollen sich gegenseitig überlappen, da die eigene Mobilität selten an bestehenden Verbundgrenzen orientiert ist. Jedes Länder-PlusTicket soll immer mindestens bis zum nächsten Mittelzentrum des angrenzenden Geltungsbereichs gültig sein.
Auf der Karte sind außerdem großräumigere Bereiche gekennzeichnet, die zu zwei verschiedenen Tarifgebieten gehören sollen. So könnte man sich dort für eines der beiden Länder-PlusTickets entscheiden, je nachdem in welche Richtung man häufiger fährt. Dabei ist unser erster Vorschlag für diese Überschneidungsgebiete sicher nicht der Weisheit letzter Schluss: Sie lassen sich mit entsprechenden Daten und Befragungen noch besser an die Bedürfnisse der Menschen anpassen.
Was ist mit Pendler*innen, die über Tarifgrenzen pendeln?
Zum einen haben wir in vielen Grenzregionen Bereiche vorgesehen, in denen man sich zwischen zwei Tarifbereichen entscheiden kann, je nachdem in welche Richtung man sich orientiert. Zum anderen soll das Ticket immer bis zum nächsten Mittelzentrum im angrenzenden Tarifgebiet gelten. Für 30 Euro kann man außerdem das angrenzende Tarifgebiet dazu buchen. Und wer tatsächlich regelmäßig im gesamten Bundesgebiet unterwegs ist, der kann für 135 Euro ein Deutschlandticket erwerben.
Unser Konzept ist ein erster Aufschlag, über den wir gern diskutieren möchten. Man könnte es um weitere Überschneidungsgebiete in den Grenzregionen erweitern, um für alle die bestmögliche Lösung zu finden.
Mein bisheriges Ticket deckt mehr ab als euer Vorschlag!
Wir verstehen unser Tarifmodell als zusätzliches Angebot zu den bestehenden Abos und Ticketangeboten. So kann jede*r prüfen, welches Modell am besten passt. Wir haben uns an den bestehenden Ländertickets orientiert. Die Regelungen für Reisen in benachbarte Regionen – auch in Nachbarländer wie z.B. die Niederlande oder die Schweiz – sollen erhalten bleiben, wenn sie über das hinausgehen, was wir in unserem Modell grundsätzlich vorgesehen haben.
Was ist, wenn ich kein Abo brauche?
Unser Modell hat zunächst diejenigen im Blick, die häufig unterwegs sind. Die Länder-PlusTickets sollen eine einfache Ergänzung zu den bestehenden Tarifstrukturen darstellen und idealerweise das Tarifwirrwarr auflösen. Bestehende Tarife für Tageskarten oder Einzelfahrscheine sollen sie nicht ersetzen. Wer also kein Abo braucht, kann weiterhin Tickets für Einzelfahrten buchen. Wir hoffen, dass die Verbünde künftig auch ihre Tarifmodelle für Einzeltickets überprüfen und anpassen. Jeder kann aber schon jetzt nachrechnen, ab wieviel Fahrten sich ein Abo rechnet. Umgerechnet kostet ein ermäßigtes Abo 1 Euro pro Tag, für Jobticketnutzer*innen 2 Euro und für alle anderen 2,50 Euro.
Fragen zu Kosten und Finanzierung
Wie soll das VCD-Tarifkonzept finanziert werden?
Anders als das bisherige 9-Euro-Ticket, bei dem der Bund für die dreimonatige Geltungsdauer einen Ausgleich von 2,5 Mrd. Euro an die Bundesländer zahlt, soll unser Tarifkonzept möglichst aufkommensneutral ausgestaltet werden. Im Schnitt zahlt jede*r Zeitkarteninhaber*in zurzeit rund 850 Euro im Jahr. Da die Geltungsräume, die wir uns für das Länder-PlusTicket vorstellen, viel größer sind als die der bislang üblichen Zeitkarten, haben wir einen kleinen Aufschlag einberechnet. So kommen wir auf die 900 Euro im Jahr bzw. 75 Euro im Monat. Natürlich wird es einen gewissen Anstieg von Fahrten über den heimischen Verkehrsverbund oder das Bundesland hinaus geben. Gleichzeitig gehen wir davon aus, dass insgesamt mehr Abos verkauft werden. Damit könnte das Ticket bundesweit betrachtet in etwa aufkommensneutral umgesetzt werden. Allerdings ist eine genaue Berechnung schwer möglich, da kaum zu kalkulieren ist, wie viele Menschen sich tatsächlich Länder-PlusTickets kaufen würden – statt Einzeltickets und anderer Abos. Klar ist aber: umso geringer der Preis für ein solches Ticket, desto größer ist der zusätzliche Finanzierungsbedarf.
“Bezahlbarkeit für alle” heißt für den VCD, dass es bundesweit einheitliche und leicht zu beziehende Sozialtickets geben muss und der von uns vorgeschlagene ermäßigte Preis von 30 Euro pro Monat auch für Schüler*innen, Azubis und Studierende gilt. Die Finanzierung dieser Ermäßigungen sollte jedoch weder von der Verkehrsunternehmen noch von den Kommunen zu Schultern sein. Denn genau das ist der Grund, weswegen die Regelungen so unterschiedlich sind und es in vielen finanzschwachen Kommunen gar keine Sozialtickets gibt. Dies ist eine bundes- und sozialpolitische Frage. Daher sollten die dafür nötigen Ausgleichszahlungen aus den Sozial- und Familienetats des Bundes kommen und die Höhe zwischen Sozial- und Familienministerium sowie den Verbünden ausgehandelt werden.
Mein bestehendes Ticket ist aber günstiger als euer Vorschlag. Soll ich in Zukunft mehr zahlen?
Die bestehenden Abos gelten weiterhin. Unser Modell umfasst jedoch eine deutlich größere Region als bestehende Verbundtickets. So kann jede*r für sich prüfen, welches Abo-Modell besser passt und welches Gebiet für die überwiegenden Fahrten ausreicht. Wir gehen zudem davon aus, dass die Länder-PlusTickets einen Anpassungsdruck auf die bisherigen Abos ausüben werden. Auch diese müssen einfacher und teilweise deutlich günstiger werden.
Warum nicht gleich ein 365 Euro Ticket?
Wir sind der Meinung, dass Mobilität für alle bezahlbar sein sollte. Was bezahlbar bedeutet, ist aber sehr unterschiedlich. Deshalb sind wir gegen das Prinzip Gießkanne. Die meisten Menschen, die sich derzeit ein Auto leisten können, können sich auch den Umstieg auf ein 75-Euro-Ticket leisten. Sie würden dabei oft sogar noch sparen und ein viel größeres Angebot nutzen können. Wichtig ist dem VCD: Tickets müssen auch für diejenigen bezahlbar sein, die wenig Geld zur Verfügung haben.
Unser Vorschlag ist daher ein Sozialticket für 360 Euro im Jahr – nur eben nicht für alle, sondern für diejenigen, die sich sonst kein Ticket leisten können. Außerdem wollen wir Familien entlasten, indem der Ermäßigungstarif auch für Schüler*innen, Azubis und Studierende gilt.
Warum ist ein Jahresticket genauso teuer wie 12 Monatstickets?
Es stimmt, dass einige Verbünde Rabatte gewähren, wenn der Vertrag als Abo abgeschlossen wird. Letztlich ist es Sache der Verhandlungspartner, hier die konkreten Konditionen festzulegen. Dem wollen wir nicht vorgreifen, sondern erst mal einen Rahmen aufzeigen, in dem sich Preise aufkommensneutral finanzieren lassen.
Wer hat Anspruch auf ein Sozialticket bzw. den ermäßigten Preis?
Sozialtickets sollen unbürokratisch für alle Empfänger*innen einkommensgeprüfter Leistungen erhältlich sein. Dazu gehören Bezieher*innen von Arbeitslosengeld, Sozialgeld, Sozialhilfe und Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und dem Bundesversorgungsgesetz. Außerdem Bezieher*innen von Wohngeld, Kinderzuschlag, Grundsicherung im Alter und Erwerbsminderungsrenten.
Leider gibt es in Deutschland viele Menschen, die zwar an der Armutsgrenze leben, aber gerade noch nicht berechtigt sind, eine der aufgeführten Leistungen zu beantragen. Oder es ist zu kompliziert für sie, diese zu beantragen. Das ist ein grundlegendes Problem der Sozialpolitik und muss gelöst werden – jedoch nicht einseitig nur für den Bereich der Sozialtickets.
Die gleichen Konditionen sollten auch für Schüler*innen, Studierende und Auszubildende gelten (dort, wo Schüler*innen nicht ohnehin kostenlos mit dem ÖPNV fahren).
Was ist mit Rentner*innen?
Da es auch viele vermögende Renter*innen in Deutschland gibt, halten wir eine generelle Ermäßigung für alle Rentner*innen und Pensionär*innen nicht unbedingt für richtig. Menschen, die eine Erwerbsminderungsrente oder Grundsicherung im Alter beziehen, sollten aber selbstverständlich Anspruch auf ein Sozialticket haben.
Was ist mit Menschen mit geringem Einkommen, die keine Leistungsbezieher*innen sind?
Wir müssen dringend darüber nachdenken, wie wir den Personenkreis für Sozialtickets bundeseinheitlich festlegen und so erweitern, dass es alle bekommen, die es wirklich nötig haben. Also nicht nur “Bezieher einkommensgeprüfter Leistungen”, die schon beim “Amt” waren. Dazu sind wir im Gespräch mit den Sozialverbänden. Das Problem, einen Empfängerkreis von staatlichen Zuschüssen auf Personen einzugrenzen, die es nötig haben, beschränkt sich nicht nur auf den Anspruch auf Sozialtickets und muss daher auf größerer Ebene zwischen den verschiedenen Ministerien und Ämtern diskutiert werden.
Bis zu welchem Alter sollen Kinder kostenlos fahren dürfen?
Kinder bis einschließlich 10 Jahre sollen in ganz Deutschland den Nah- und Regionalverkehr kostenlos nutzen dürfen, Kinder bis einschließlich 14 Jahre in Begleitung eines Erwachsenen ebenfalls. Dies entlastet Familien über unsere Forderung nach ermäßigten Tickets für Schüler*innen hinaus und ermöglicht es, dass alle Heranwachsenden an die eigenständige ÖPNV-Nutzung herangeführt werden. Außerdem werden dadurch die heute sehr unterschiedlichen Regelungen in den Verbünden und Bundesländern vereinheitlicht und vereinfacht.
Kann man nicht einfach alle umweltschädlichen Subventionen streichen und damit das 9-Euro-Ticket weiter finanzieren?
Wir sind absolut dafür, die klima- und umweltschädlichen Subventionen abzuschaffen. Diese betragen alleine im Verkehrsbereich rund 30 Milliarden Euro pro Jahr. Dieses Geld sollte aber vorrangig in den Ausbau der Schiene und des Angebots bei Bussen und Bahnen investiert werden, um den Öffentlichen Verkehr tatsächlich für alle attraktiv und nutzbar zu machen. Nur dann steigen die Menschen um. Denn was nützen billige Tickets, wenn kein Bus fährt oder die Fahrzeuge hoffnungslos überfüllt sind? Ein besseres ÖPNV-Angebot brauchen wir auch um die Klimaziele zu erreichen.
Langfristig brauchen wir aber eine andere Finanzierungsgrundlage: Sie darf nicht mehr auf dem Verbrauch fossiler Brennstoffe basieren, denn wenn weniger Benzin und Diesel verbraucht wird – was ja unser Ziel ist –, dann bricht uns damit auch die Finanzierung weg. Wir brauchen also auch Ticketeinnahmen zur Finanzierung. Die meisten Menschen, die sich derzeit ein Auto leisten können, würden zudem bei einem Umstieg auf ein 75-Euro-Ticket viel Geld sparen. Und für die anderen braucht es ermäßigte Tickets.
Unser Vorschlag für ein Sozialticket liegt bei 360 Euro im Jahr – nur soll es eben nicht für alle gelten, sondern nur für diejenigen, die es sich Busse und Bahnen sonst nicht leisten können.
Kontakt
Bastian Kettner
Sprecher für Bahn, ÖPNV und Multimodalität
Fon 030/28 03 51-36
bastian.kettner@vcd.org
Dominik Fette
Sprecher für klima- und sozialverträgliche Mobilität
Fon 030/28 03 51-281
dominik.fette@vcd.org