„Eine zukunftsfähige Mobilität braucht eine zukunftsfähige Infrastruktur.“ Mit diesen Worten eröffnete Michael Müller-Görnert, verkehrspolitischer Sprecher des VCD, die Veranstaltung und verwies auf die richtigen finanziellen Weichenstellungen, die dafür entscheidend seien.
Denn die aktuelle Finanzpolitik im Verkehrssektor steckt nach wie vor im fossilen Zeitalter fest. Das machte auch Matthias Runkel, wissenschaftlicher Referent beim Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft, deutlich: „Mit den aktuellen Rahmenbedingungen verfehlt der Verkehr seine Klimaziele deutlich.“ Zu den Gründen zählen insbesondere die Fehlanreize durch die Steuer- und Subventionspolitik. Rund 18 Mrd. Euro gibt der Staat jährlich für umweltschädliche Subventionen alleine im Straßenverkehr aus, darunter die ermäßigte Dieselsteuer, das Dienstwagenprivileg und die Pendlerpauschale. Auch die fehlende Lenkungswirkung durch die geringe Kfz-Steuer, den niedrigen CO2-Preis oder billigen Parkraum kritisierte er. Die Lösung sieht Runkel in einem Policy-Mix aus preispolitischen Maßnahmen mit Steuerungswirkung, einem Abbau der Subventionen und gezielter Investitionen in eine nachhaltige Mobilität. Der Fokus müsse auf einer gerechten Verantwortung und einer konsistenten Ausrichtung auf den Klimazielen liegen.
"Deutschland ist ein Niedrigsteuerland für CO2-intensive PKW und da fehlt eine Lenkungswirkung in den aktuellen Instrumenten."
Matthias Runkel, Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft
Lösungsansätze für ein besseres Finanzierungssystem finden sich auch in der Schweiz. Das Land investiert nicht nur seit Jahren viel mehr Geld in die Schiene als Deutschland (pro Kopf sind es 413 Euro, während es in Deutschland nur 124 Euro sind; Quelle: Allianz pro Schiene, 2022), sondern hat auch ein Finanzierungssystem, das Planungssicherheit schafft. Christian Kellerhals, Abteilungsleiter im Bundesamt für Straßen der Schweiz, stellte die wichtigsten Instrumente vor und betonte dabei die Bedeutung eines Finanzierungsfonds. In der Schweiz gäbe es „zwei unabhängige Fonds für die Straße und die Bahn“, die zweckgebunden und verfassungsrechtlich verankert sind. So vermeide man spontane Beschlüsse der Politik, das Geld zu kürzen oder umzuschichten, und schaffe stattdessen eine Finanzierungssicherheit für Infrastrukturprojekte. Bemerkenswert: in der Schweiz finanziert auch der Autoverkehr den Bahnausbau aus Teilen der Mineralölsteuer und der Lkw-Maut mit. In Deutschland hingegen gilt nach wie vor der Grundsatz: Straße finanziert Straße.
Jan Werner, Geschäftsführer von kcw und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des VCD, stimmte Kellerhals zu und kritisierte: „Wir haben in Deutschland im Regelfall keine Finanzierungssicherheit bei der Umsetzung der (Verkehrs-)Pläne des Bundes.“ Das Bundesmobilitätsgesetz sehe daher einen Bundesmobilitätsplan vor, für dessen Pläne und Projekte ein festes Budget in Form eines Fonds zur Verfügung stehe. Damit könnten Projekte langfristig abgeschert werden. Entscheidend bei der Förderung von Maßnahmen sei, dass sich die Verkehrsplanung an den gesellschaftlichen Zielen des Gesetzes wie Umweltschutz und Verkehrssicherheit orientiere. „Wenn diese Ziele eingehalten werden, wird gefördert.“ Werner sprach auch das Problem an, dass die Energiesteuereinnahmen auf Benzin und Diesel in den kommenden Jahren durch die Elektrifizierung stark zurückgehen werden. Dafür brauche es alternative Finanzierungsformen. An der Einführung von Infrastrukturnutzungsgebühren für Pkw komme man nicht herum. Der Rahmen dafür sei im Bundesmobilitätsgesetz angelegt.
Status Quo ist keine Option
In der anschließenden Podiumsdiskussion mit Matthias Gastel, bahnpolitischer Sprecher der Grünen, Kerstin Haarmann, Bundesvorsitzende des VCD, und den drei Vorrednern Runkel, Kellerhals und Werner, gab es allgemeine Kritik an der fehlenden Planungssicherheit im deutschen Verkehrssektor. Matthias Gastel führte aus: „Wir haben das Problem bei Ausbau, Neubau und Digitalisierung der Schienenwege, dass wir von jährlichen Haushaltsplanungen abhängig sind. (…) Die Deutsche Bahn und Bauwirtschaft weiß bis dato nicht, wie viel Mittel im Jahr 2023 zur Verfügung stehen.“ Auch er schlug daher einen Infrastrukturfonds vor. Das sei aber nur ein Teil des Problems. Der andere stecke in der fehlenden Bereitschaft, die bestehenden Haushaltsmittel umzuschichten und klimafreundliche Verkehrsträger stärker zu priorisieren. „Wir brauchen einen verlässlichen Mittelaufwuchs für ökologisch verträglich und sinnvolle Verkehrsträger“, so Gastel. Kerstin Haarmann pflichtete ihm bei und forderte eine Erhöhung der Investitionsbeträge für die Schiene. „Wir brauchen einen grundlegenden Wandel in der Verkehrspolitik (…). Die Rahmenbedingungen müssen geändert werden.“ Mit dem Bundesmobilitätsgesetz liege dafür ein Vorschlag auf dem Tisch. Damit werde nicht nur eine integrierte Planung der Bundesverkehrswege möglich, sondern auch die Autozentriertheit, die sich durch den gesamten aktuellen Rechtsrahmen ziehe, abgeschafft.
Die Diskussion zeigte, wie dringend die Probleme im Verkehrssektor angegangen werden müssen und wie wichtig dafür die richtigen Finanzierungsinstrumenten sind, um den Sanierungsstau auf der eine Seite aufzulösen und den Ausbaubedarf auf der anderen zügig anzugehen. Denn, das machte Michael Müller-Görnert in seiner Schlussrede nochmal deutlich, „alles funktioniert nur wenn wir Geld haben“ und dafür brauche es den Mut der Politik, die Mittel richtig zu verteilen.
Weiterführende Informationen
Verkehrsfinanzierung auf dem Weg zur postfossilen Mobilität
Präsentation von Matthias Runkel, FÖS (PDF)
Finanzierung der Straßen- und Bahninfrastruktur in der Schweiz
Präsentation von Christian Kellerhals, Bundesamt für Straßen in der Schweiz (PDF)
Ansätze des Bundesmobilitätsgesetzes für eine nachhaltige Verkehrsfinanzierung
Präsentation von Jan Werner, kcw (PDF)
Michael Müller-Görnert
Verkehrspolitischer Sprecher des VCD
Fon 030/28 03 51-19
michael.mueller-goernert@vcd.org
Michael Müller-Görnert auf Twitter