fairkehr 1/2024: Kolumne

Das Klimaschutz-Küchen-Paradox

Designerküche ja, Wärmepumpe nein? fairkehr-Kolumnist Martin Unfried wundert sich über unsere emotionalen Blockaden beim Klimaschutz.

| fairkehr-Magazin

Heute geht es um Klimaschutz, Küchen- und Autopreise. Ich versuche nämlich in diesen Tagen, meine alte Theorie der Ausredengesellschaft weiter zu untermauern. Die besagt: neben echten sozioökonomischen Problemen beim Klimaschutz gibt es immer noch eine Menge emotionaler Blockaden. Die haben vor allem mit den merkwürdigen Gesetzen der Konsumgesellschaft zu tun. Viele könnten sich nämlich trotz Krisengeschrei viel mehr Klimaschutz-Konsum leisten, wollen es aber nicht. Ich lese leider ab und zu deutsche Zeitungen, und man hat den Eindruck, die Situation sei schlimmer als nach dem Börsencrash von 1929. Das erwartete Wachstum für 2024 ist nur 0,2 Prozent! Das Land am Boden, das Ausland lacht (BILD) und die Massen sind schon lange verelendet.

Aber: Ungeachtet deutlich gestiegener Küchenpreise investieren die deutschen Verbraucher immer mehr in ihre neue Einbauküche. Im Schnitt über 10 000 Euro im Jahr 2023. Der Trend geht zu teuren, hochwertigen Küchen. 20 000 Euro sind dafür im Neubau nicht ungewöhnlich. Begüterte Hausbesitzer investieren schon mal 40 000 und mehr für eine Design-Luxusküche. Erfolgreiches Küchendeutschland. Das ist dort, wo die Gegner des Gebäudeenergiegesetzes 2023 behauptet haben, dass die meisten Hausbesitzer finanziell komplett ruiniert seien, wenn sie anstatt einer neuen Erdgasheizung (ohne Subvention) eine subventionierte Wärmepumpe einbauen müssten. Zur Erinnerung: Der Staat übernimmt 40 bis 50 Prozent der Kosten, bei Bedürftigen bis zu 70 Prozent.

Konsumgesellschaft und Klimaschutzgefühl

Jetzt kommt das Problem: Anders als eine Designer-Küche hat eine Wärmepumpen- Heizung einen positiven Überbau. Sie hilft nämlich beim Sparen fossiler Brennstoffe und mildert die Klimakatastrophe. Sie hilft mittelfristig sogar, Geld beim Heizen zu sparen, aber das Argument ging in der Hysterie sowieso unter. Der Klimaschutzvorteil ist also schlecht, so meine These, denn ein positives Klimaschutzgefühl ist in der Konsumgesellschaft bis heute nicht wirklich hilfreich. Und schon gar nicht, wenn der Staat einen dazu verpflichten will und die Grünen das auch noch gut finden. Da hilft auch keine Förderung!

Für Designer-Küchen gibt es übrigens keine Förderung. Das ist sehr vorteilhaft, denn auch die Förderung macht verdächtig. Noch besser: Kein Grüner fordert den Einbau von Designer-Küchen! Die ist in erster Linie zum Angeben da, was als Motivation unschlagbar ist. Heizen muss jeder, aber man kann eine sehr teure Küche auch nur angucken! Beweis: In der WELT habe ich gelesen, dass nur noch 42 Prozent der Deutschen selbst kochen. Für etwas, das man eigentlich nicht braucht, viel Geld auszugeben: Das ist der Schlüssel zum Glück.

Positive Vibrations, negative Folgen

Und damit sind wir wieder bei den Autos. Elektroautos: können sich nur Reiche leisten. Schweinerei. Viele hassen sie vor allem, weil zum Heizen eine Wärmepumpe verbaut ist. Das soziale Argument ist besonders merkwürdig, da die Deutschen heute ja noch vorwiegend teure Verbrenner kaufen. Mehr als 80 Prozent aller Neuwagen sind immer noch Diesel und Benziner, und die kosten im Schnitt so um die 40 000 Euro – ohne jeden positiven Klimaschutznutzen. Der bei Neuwagenkäufern sehr beliebte Volkswagen Tiguan verbraucht im Schnitt 8,73 Liter Benzin auf 100 Kilometer. Was anscheinend sehr positive Vibrations auslöst. Die horrenden Spritkosten muss man sich nämlich leisten können.

Autor

Gezeichnets Porträt eines Mannes um die 59 mit halblangen Haaren und Brille.

Martin Unfried forscht an der Uni Maastricht zu europäischer Politik in Grenzregionen. Er liebt Wärmepumpen, dynamische Strompreise, Nachtbusreisen, S-Pedelecs und seine Heimat, die Europäische Union.

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