Der VCD Jahresrückblick 2022

2022 war ein Jahr voller Herausforderungen. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine und die daraus resultierende Energiekrise und Inflation haben viele Menschen hart getroffen. Gleichzeitig zeigten sich immer stärker die Folgen der Klimakrise. Mit der Mobilitätsgarantie setzen wir uns dafür ein, dass alle Menschen unabhängig vom Einkommen in der Stadt und auf dem Land barrierefrei und klimafreundlich unterwegs sein können. Vielen Dank an alle, die mitmachen, uns unterstützen und uns vertrauen.

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Die Verkehrswende ist sozial gerecht!

Das Jahr 2022 stand für uns im Zeichen der sozial gerechten Verkehrswende. Mit der Mobilitätsgarantie erarbeiteten wir ein Modell, wie alle Menschen selbstbestimmt und klimaverträglich mobil sein können. Mobilitätsgarantie beruht auf den drei Säulen Angebot, Zugang und Bezahlbarkeit. Gerade in ländlichen Gegenden muss das Angebot an öffentlichem Verkehr ausgebaut werden. Dazu braucht es Mindeststandards für die Erreichbarkeit und kürzere Wege bis zur nächsten Haltestelle. Die Barrierefreiheit in den Öffentlichen und im gesamten Straßenraum muss verbessert werden, damit auch Menschen mit Behinderung ihr Recht auf gesellschaftliche Teilhabe wahrnehmen können. Öffentlicher Verkehr braucht faire Preise, keine umweltschädlichen Anreize: Ein allgemeines einkommensunabhängiges Mobilitätsgeld muss anstelle der Entfernungspauschale eingeführt werden. Mit dem Deutschlandticket wird 2023 ein günstiges, bundesweit gültiges Ticket eingeführt, für einkommensschwache Haushalte liegt der Preis jedoch noch zu hoch. 

Wir haben gefragt: „Wie abhängig sind Sie vom Auto?“ Über 3.000 Menschen aus ganz Deutschland haben bei unserer Online-Aktion mitgemacht und ihren Wohnort auf der Karte markiert. Das Ergebnis: Vor allem auf dem Land sind viele vom Auto abhängig und können ohne eigenen PKW nicht selbstbestimmt mobil sein. Sie wünschen sich mehr und sichere Fahrradwege, bessere Anbindungen an den ÖPNV und eine dichtere Taktung. Auch unkomplizierte Carsharing-Angebote können demnach einen Anreiz setzen, das eigene Auto abzuschaffen.  

Der Verkehrswende-Sommer mit dem 9-Euro-Ticket

Es war das bestimmende verkehrspolitische Thema des Sommers: das 9-Euro-Ticket. Für nur neun Euro im Monat konnten Menschen bundesweit alle ÖPNV- und Regionalzugangebote nutzen. Neben dem günstigen Preis haben Nutzer*innen die Durchgängigkeit des deutschlandweiten Nahverkehrs und den Wegfall aller Tarifgrenzen zwischen Flensburg und Garmisch begrüßt. Das 9-Euro-Ticket ermöglichte vielen Familien und einkommensschwachen Haushalten erstmals längere Reisen und linderte für viele die Auswirkungen der Inflation. Auf der Kehrseite wurden allerdings auch die Schwächen des Bahnnetzes deutlich. Überfüllte und verspäte Züge, überlastetes Personal und mangelhafte Barrierefreiheit machten vielerorts Reisenden das Leben schwer.  

Der große Erfolg des 9-Euro-Tickets und der Druck aus der Zivilgesellschaft auf Bundes- und Landesregierungen ermöglichten die Einführung eines Nachfolgetickets. Ab 2023 soll es mit dem Deutschlandticket für 49 Euro ein bundesweit gültiges Nahverkehrsticket geben. Obwohl dies eine gewaltige Verbesserung zum teuren derzeitigen Tarif-Flickenteppich darstellt, ist der Betrag für einkommensschwache Haushalte noch zu hoch. Wir fordern daher die ergänzende Einführung eines Sozialtickets, damit alle Menschen unabhängig vom Geldbeutel mobil sein können. 

Das Bundesmobilitätsgesetz: Weil Mobilität einen neuen Rahmen braucht

Verkehrsplanung in Deutschland, das heißt zumeist immer noch „Auto first!“ Damit sich das ändert und die verkehrspolitische Planung und Finanzierung verkehrsträgerübergreifend stattfindet, braucht es ein neues Bundesmobilitätsgesetz (BuMoG). Der Verkehr der Zukunft darf sich nicht weiter nur am Verkehrsfluss orientieren, sondern muss auch übergeordneten Zielen wie dem Klimaschutz gerecht werden. In einer Online-Veranstaltung stellten die beiden Verfassungsrechtler Prof. Dr. Georg Hermes von der Universität Frankfurt und Prof. Dr. Urs Kramer von der Universität Passau den von ihnen erarbeiteten Gesetzgebungsvorschlag vor.  

In einer dreiteiligen Debattenreihe gingen wir genauer auf die Vorteile des BuMoGs ein: Wie könnte die Verkehrsfinanzierung der Zukunft aussehen, wie trägt das BuMoG dazu bei, die unterschiedlichen Verhältnisse von Stadt und Land in der Verkehrsplanung zu berücksichtigen und Gestaltungsspielräume besser zu nutzen und wie trägt das BuMoG zur sozial gerechten Verkehrswende bei und sichert eine Mobilitätsgarantie? Diese Fragen diskutierten wir mit Vertreter*innen aus Politik, Wissenschaft, Praxis und Zivilgesellschaft. 

Aktiv für eine neue Mobilität bei der Verkehrswende-Aktionswoche

Mit vielen bunten Aktionen haben VCD-Aktive ihre Forderungen nach einer gerechten Verkehrswende auf die Straße getragen.  Vom 16. bis 23. September haben engagierte Menschen vielerorts an Infoständen über die Verkehrswende aufgeklärt, mit Kidical Mass-Demos für kindgerechten Verkehr protestiert, mit einem PARK(ing) Day auf die fehlende Flächengerechtigkeit in der Stadt aufmerksam gemacht und Gelbe Karten an Falschparkende verteilt, um für gegenseitige Rücksichtnahme im Verkehr zu werben. 

Kidical Mass: Kinder-Radeldemos für die Schwächsten im Verkehr

Auch in diesem Jahr waren wieder tausende Kinder mit der Kidical Mass auf der Straße, um zu zeigen: „Verkehr muss sicher für uns werden!“ Über 90.000 Kinder mit ihren Familien radelten an mehr als 400 Orten bei bunten Fahrraddemos durch die Stadt. Für die kindgerechte Verkehrswende von der Haustür bis ins Klassenzimmer forderten wir an den Demowochenenden 14./15. Mai und am 24./25. September flächendeckend Tempo 30 innerorts, mehr Platz für sichere Fuß- und Radwege und verkehrsberuhigte Bereiche vor Schulen und Kindergärten. 

Wie sieht das Wohnen der Zukunft aus?

Mit der Charta „Intelligent mobil im Wohnquartier“ legte das Bundesweite Netzwerk Wohnen und Mobilität des VCD erstmals ein umfassendes Leitbild für das Wohnen der Zukunft vor. Mobilität im Wohnquartier muss nachhaltig, gesund, sicher, bezahlbar und klimafreundlich sein. Dafür braucht es weniger Autoverkehr zugunsten klimafreundlicher Alternativen, ein fuß- und fahrradfreundliches Wohnumfeld und guten Zugang zu öffentlichem Nahverkehr, E-Mobilität und Sharing-Angeboten. Dazu bekennen sich Vertreter*innen aus Wohnungswirtschaft, Kommunen, Mobilitätsbranche, Planungsbüros, wissenschaftlichen Einrichtungen und Zivilgesellschaft. Gemeinsam fordern wir vom Bund, stadtentwicklungs- und wohnungsbaubezogene Fördermittel und -richtlinien um den Aspekt der nachhaltigen Mobilität zu erweitern. Auch die Länder müssen ihre Landesbauordnungen anpassen:Sie müssen intelligente Mobilitätsmaßnahmen als gleichwertig zum Auto anerkennen und Stellplatzverpflichtungen zugunsten nachhaltiger Mobilitätsangebote reduzieren. 

Repräsentative forsa-Umfrage: Elterntaxis gefährden Schüler*innen

Fast ein Drittel der Grundschullehrer*innen in Deutschland beobachtet mindestens wöchentlich gefährliche Verkehrssituationen vor ihrer Schule, ausgelöst von Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto bringen. Das ergab eine repräsentative forsa-Umfrage, die wir gemeinsam mit dem Verband Bildung und Erziehung (VBE) und dem Deutschen Kinderhilfswerk (DHKW) in Auftrag gegeben haben. Demnach wünschen sich Lehrer*innen sowie Eltern mehr sichere, breitere Fuß- und Radwege, die nicht von Falschparkenden blockiert werden. Auch eine bessere Mobilitätsbildung soll dabei helfen, dass Kinder ihren Schulweg selbstständig und sicher bestreiten können und Eltern keine Angst um sie haben müssen. 

Die Verkehrswende auf 12 m²

12m² - so viel Platz braucht ein Auto, das die meiste Zeit des Tages auf einem Parkplatz herumsteht; so groß ist aber auch ein durchschnittliches Kinderzimmer in Deutschland. Wie viel besser öffentlicher Raum genutzt werden kann, das zeigen wir mit unserem Aktionsformat 12qmKULTUR, mit dem wir auch 2022 in vielen Städten bundesweit unterwegs waren. Dabei sind wir mit zahlreichen Menschen in Kontakt gekommen und haben grauen Straßenraum in einen bunten Ort des Austauschs verwandelt. Bei diesen Straßenfesten und Veranstaltungen haben wir so auf das Thema Flächengerechtigkeit in der Stadt aufmerksam gemacht. 

Experimente für die Verkehrswende

Die Verkehrswende ist ein großes Projekt. Der erste Schritt in die Richtung können Verkehrsversuche sein: Wie können Anwohner*innen ihr Viertel vom Durchgangsverkehr befreien, wie kann vor Ort eine Tempo-30-Zone eingeführt werden, wie kann öffentlicher Raum gerechter verteilt werden, was sind die rechtlichen Grundlagen und wie können alle gehört werden? Diesen Fragen gingen wir mit der fünfteiligen Online-Seminarreihe „Verkehrsexperimente – Ideen für nachhaltige Mobilität in meinem Quartier“ auf den Grund. Mit mehr als 500 Teilnehmenden waren die Veranstaltungen ein voller Erfolg. Das zeigt, wie sehr Menschen sich Veränderung vor ihrer Haustür wünschen. Gefördert wurde die Reihe von PHINEO im Rahmen der Initiative Mobilitätskultur und von der GLS Treuhand. 

Die Verkehrswende selber machen – Do it yourself!

Auch unser Projekt „DIY: Verkehrswende selber machen“ ging 2022 in eine neue Runde. DIY unterstützt Aktivist*innen an Berufs- und Hochschulen, die Verkehrswende vor Ort voranzubringen. Beim ersten VCD-Fahrrad-Kilometer-Sammelwettbewerb haben 877 Teilnehmende 179.405 km erradelt. Bei zwei Mobilitätsforen, einmal in Weimar und einmal digital, vernetzten sich Aktive, tauschten sich über Projektideen aus und informierten sich über vielfältige Aspekte der Verkehrswende. Mit der DIY-Projektförderung unterstützen wir außerdem Verkehrswende-Projekte vor Ort. Dazu gehörten 2022 eine Fahrrad-Selbsthilfewerkstatt an der TU München, eine Meldeplattform für mangelhafte Fahrradwege und Mitfahrbänke im ländlichen Raum.  

Volle Kraft voraus!

Voller Tatendrang blicken wir auf das bevorstehende Jahr. Zur Bewältigung der aktuellen Krisen müssen wir weiter zusammenstehen und uns für die Schwächsten in unserer Gesellschaft einsetzen. Mobilität muss für alle möglich sein – ganz egal ob Arm oder Reich, ob Stadt oder Land. Dafür brauchen wir die sozial gerechte Verkehrswende! Um diesem Ziel auch 2023 näher zu kommen, brauchen wir Ihre Unterstützung. Werden Sie Mitglied oder spenden Sie. 

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Andreas Link

Volontär für Öffentlichkeitsarbeit und Marketingkommunikation 

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