Entlastungspaket der Bundesregierung

Kurzfristige Entlastungen ohne Mut zur Zukunftsgestaltung

Im zweiten Entlastungspaket der Bundesregierung wurden leider keine transformativen Impulse für eine klimaschonende und sozial gerechte Verkehrswende gesetzt. Wir verdeutlichen, worauf es jetzt ankommt.

| Bundesmobilitätsgesetz Soziale Aspekte der Verkehrswende

Das zweite Entlastungspaket der Koalition vom 23. März 2022 setzt für die Mobilität keine transformativen Impulse, die eine Verkehrswende hin zu einer Mobilität für alle, Klimaschutz und Unabhängigkeit vom Öl voranbringen. Damit die Milliarden nicht innerhalb von drei Monaten verpuffen, muss jetzt nachgelegt werden.

Anders als bei Energiegeld und Heizkostenzuschüssen wurde bei der Mobilität auf eine soziale Ausgestaltung verzichtet. Die FDP hat sich mit ihrem Tankrabatt durchgesetzt – als Absenkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe für 3 Monate. Dies kostet zwar rund 3,5 Milliarden Euro, entlastet die durchschnittlichen Autofahrenden aber kaum. Menschen mit hohem Einkommen, die weiterhin ungehemmt mit ihren spritfressenden Autos fahren, profitieren am meisten.

Hiermit wird die soziale Schieflage fortgesetzt, die bereits im ersten Entlastungspaket mit der Erhöhung der Pendlerpauschale ab dem 21. Kilometer enthalten war. Von der Pendlerpauschale profitieren hohe Einkommen überproportional, niedrige Einkommen unterhalb des Steuerfreibetrages gar nicht.

Damit ist der Vorschlag des VCD und anderer Verbände vom Tisch, vor allem die Menschen von den höheren Spritkosten zu entlasten, die besonders davon betroffen sind. Umso mehr muss die Regierung jetzt schnell ein Konzept zur Umstellung der Pendlerpauschale in ein einkommensunabhängiges Mobilitätsgeld vorantreiben. Außerdem würde ein sofort und ohne Kosten umsetzbares Tempolimit dauerhaft Benzin und Diesel einsparen.

Der VCD begrüßt, dass der ÖPNV als „eine notwendige, leistungsfähige und kostengünstige Alternative zum eigenen Pkw und gleichzeitig das umweltfreundlichste Verkehrsmittel neben dem Fahrrad“ anerkannt wird. Die Einführung eines 9 Euro-Monatstickets für den ÖPNV klingt dabei auf den ersten Blick bestechend. Damit sollen die Menschen entlastet werden, die klimaschonend mit Bus und Bahn statt dem Auto unterwegs sind. Bisherige Autofahrer*innen werden zudem animiert, in Busse und Bahnen umzusteigen. Allerdings braucht es für den Umstieg vom Auto auch das entsprechende Angebot. Vielerorts fehlen aber attraktive Bus- und Bahnverbindungen – das kann durch günstige Tickets nicht ersetzt werden. Völlig unklar ist noch, wie das 9-Euro-Ticket ausgestaltet und zwischen Verkehrsunternehmen, Kommunen, Ländern und Bund koordiniert und refinanziert wird. Der Verwaltungsaufwand wird immens.

Was aber passiert nach drei Monaten, wenn die günstigen ÖPNV-Tickets und die Vergünstigung des Sprits ausläuft? Die Bundesregierung ist jetzt gefordert, kurzfristig und dauerhaft die Regionalisierungsmittel für den Schienennahverkehr massiv zu erhöhen und durch einen Nahverkehrsbeitrag kommunale Verkehre und Mobilität auf dem Land auszubauen. Bundesweit muss es ab August 2022 erschwingliche Sozialtickets geben. Es darf nach den drei Monaten keinen Rückfall in ein Weiter-so geben!

Mittelfristig wird nur eine bundesweite Mobilitätsgarantie dafür sorgen, dass alle Menschen klimaschonend mobil sein können. Dies ist die Voraussetzung für ein effizientes, ökologisches Verkehrssystem, das Deutschland unabhängig von Ölimporten macht. Eine Mobilitätsgarantie würde durch bundesweite Standards barrierefreie und bezahlbare Mobilitätsangebote für alle schaffen und die für die Umsetzung notwendigen Mittel bereitstellen.

Es ist bedauerlich, dass die Ampelkoalition die Gelegenheit und die Milliarden Euro eines solchen Maßnahmenpakets nicht für eine sozial und ökologisch wirklich durchdachte Perspektive genutzt hat. Dieses zweite Entlastungspaket gleicht einem roten-gelb-grünen Flickenteppich, bei dem offensichtlich ist, welche Zugeständnisse sich die Parteien jeweils gemacht haben, um das eigene Steckenpferd nach vorne zu stellen.

In den nächsten Monaten muss sich die Koalition jetzt die Zeit nehmen, um endlich die Weichen für eine echte Verkehrswende zu stellen und die sozialen, ökologischen und ökonomischen Aspekte integriert zusammen und nicht gegeneinander zu denken. Der VCD hat dafür mit dem Bundesmobilitätsgesetz eine konkrete und gute Grundlage vorgelegt.

Zentrale Passagen aus dem Maßnahmenpaket zur Mobilität (Zitate)1

Soziale Maßnahmen / Maßnahmen mit sozialer Ausgestaltung

Heizkostenzuschuss für Empfängerinnen und Empfänger von Wohngeld, BAföG, Bundesausbildungshilfe oder Ausbildungsgeld auf den Weg gebracht.

Die Pauschale unterliegt der Einkommensteuer. Selbständige erhalten einen Vorschuss über eine einmalige Senkung ihrer Einkommensteuer-Vorauszahlung. Um in Zukunft einen einfachen und unbürokratischen Weg für Direktzahlungen an die Bürgerinnen und Bürger zu ermöglichen, wird die Bundesregierung möglichst noch in diesem Jahr einen Auszahlungsweg über die Steuer-ID für das Klimageld entwickeln.

… ergänzend zum Kindergeld einen Einmalbonus in Höhe von 100 Euro über die Familienkassen.

Absenkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe für 3 Monate

Die Kraftstoffpreise haben sich in den vergangenen Monaten stark erhöht. Die Bestrebungen, uns schnellstmöglich unabhängig von russischem Erdöl zu machen, kann diese Entwicklung verstärken. Daher wollen wir die Belastung der Bürgerinnen und Bürger sowie der Wirtschaft, insbesondere im Handwerk und in der Logistikbranche, reduzieren. Wir werden daher befristet für drei Monate die Energiesteuer auf Kraftstoffe auf das europäische Mindestmaß absenken. Wir stellen sicher, dass die Absenkung an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben wird.

9 Euro/Monat für 90 Tage ÖPNV

Der ÖPNV ist gerade in der aktuellen Situation für viele Bürgerinnen und Bürger eine notwendige, leistungsfähige und kostengünstige Alternative zum eigenen Pkw und gleichzeitig das umweltfreundlichste Verkehrsmittel neben dem Fahrrad. Deshalb führen wir für 90 Tage ein Ticket für 9 Euro/Monat („9 für 90“) ein und werden die Regionalisierungsmittel so erhöhen, dass die Länder dies organisieren können.

[1] Ergebnis des Koalitionsausschusses vom 23. März 2022: Maßnahmenpaket des Bundes zum Umgang mit den hohen Energiekosten, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Energie/massnahmenpaket-des-bundes-zum-umgang-mit-den-hohen-energiekosten.pdf?__blob=publicationFile&amp, 23.03.2022

Dominik Fette

Sprecher für klima- und sozialverträgliche Mobilität
Fon 030/28 03 51-281
dominik.fette@vcd.org

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