Das Deutschlandticket – ein wichtiger Erfolg auf dem Weg zur ÖPNV-Revolution

Seit dem 01. Mai gilt das Deutschlandticket – ein Ticket für den gesamten Nah- und Regionalverkehr. Die Kleinstaaterei von über 60 Verkehrsverbünden und Regionen ohne Verkehrsverbünde ist beendet und teure und komplizierte Fahrten über die Verbundgrenzen hinaus sind endlich Geschichte. Doch es gibt einige Anlaufschwierigkeiten und offene Fragen. Der VCD macht Vorschläge, wie die Probleme gelöst werden können.

Die Nachfrage nach dem Deutschlandticket ist groß: Zehn Millionen Menschen haben es bereits abonniert – darunter sind 4,3 Millionen neue Abonnent*innen. Umfragen zufolge will ein Drittel aller Bürger*innen das Ticket erwerben und zahlreiche Unternehmen wollen es subventionieren und als Jobticket anbieten. Das ist ein Erfolg, auf dem wir aufbauen wollen.

Etwa die Hälfte der Deutschlandticket-Abos wurde bisher digital erworben, die andere Hälfte als Chipkarte. Denn nicht jede*r kann oder will das rein digitale Abo per App nutzen. Wenn wir alle Menschen mitnehmen wollen, braucht es dauerhaft beide Angebote. Aufgrund eines aktuellen Chipkartenmangels müssen jedoch viele Verkehrsbetriebe das Ticket vorübergehend in Papierform ausgeben. Angesichts der kurzen Zeit, die zwischen dem endgültigen Beschluss und dem Start des Deutschlandtickets vergingen, ist das gerade bei kleineren Verkehrsbetrieben nachvollziehbar. Laut dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) sollen bis Jahresende alle Papiertickets durch Chipkarten ersetzt werden. Außerdem müssen die Chipkarten deutschlandweit funktionieren. Da die Verkehrsverbünde unterschiedliche Systeme zur Ticketkontrolle nutzen, kommt es beim Auslesen der Tickets immer wieder zu Problemen. Die entsprechende Infrastruktur muss von den Verkehrsbetrieben bereitgestellt werden, damit die Chipkarten deutschlandweit problemlos gelesen werden können.

Eine App für alles – inklusive Deutschlandticket

Eine weitere Hürde ist die mangelnde Einbindung des Tickets in verschiedene Mobilitäts-Apps. So lässt sich das Deutschlandticket nicht in den DB-Navigator oder in die Apps diverser Verkehrsverbünde integrieren, wenn es nicht über diese Anbieter gekauft wurde. Damit die Nutzung möglichst praktisch ist, sollten alle Bahn- und ÖPNV-Anbieter das Ticket in ihre Apps einbinden. Der VCD geht noch einen Schritt weiter und fordert: eine App für alles – und zwar für das komplette öffentliche Verkehrs-Angebot in Deutschland. Mit einer einzigen App oder einem Portal könnten bequem alle Fahrten aufgerufen und die beste Verbindung ausgewählt werden. Das würde das Bus- und Bahnfahren noch attraktiver machen.

Alle Verkehrsbetriebe und -verbünde bieten das Deutschlandticket an, doch die meisten Tickets werden in Metropolen wie Berlin, Hamburg oder München verkauft. Wenn die Abonnent*innen dann im Sommer z.B. an die Ostsee fahren und dort unterwegs sind, haben die Verkehrsbetriebe zwar mehr Fahrgäste, aber keine zusätzlichen Einnahmen. Um das auszugleichen, braucht es eine Regelung, wie die Einnahmen entsprechend der Nutzung sinnvoll aufgeteilt werden. Das ist entscheidend, damit gerade die kleineren Betriebe ihre Kosten decken können und ein Anreiz besteht, attraktive Angebote anzubieten.

Soziale Schieflage

Für viele macht das Deutschlandticket Bus und Bahn günstiger. Wer regelmäßig Verbundgrenzen überquert, spart viel Geld. So kostete das Monatsticket zwischen Bremen und Hamburg bisher 229,30 Euro, das zwischen Hannover und Göttingen 226,90. Mit dem Deutschlandticket werden monatlich etwa 180 Euro gespart.

Doch für Menschen mit wenig Geld sind 49 Euro immer noch zu viel und nur in wenigen Kommunen gibt es Sozialtickets – und in ländlichen Regionen gibt es sie oft gar nicht.  Menschen mit geringem Einkommen können oder wollen sich meist kein eigenes Auto leisten, und büßen dafür in vielen Fällen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ein, weil sie kaum von A nach B kommen. Manchmal fehlt sogar das Geld für die Fahrt zur Arztpraxis, wenn überhaupt ein Bus oder eine Bahn fährt.

Auch Jugendliche, junge Erwachsene und Studierende haben in der Regel kein hohes Einkommen, und nicht überall gibt es günstige Jugend-, Azubi- oder Semestertickets. Die Verkehrsminister*innenkonferenz hat im März 2023 in Aachen beschlossen, dass ein bundesweites Solidarmodell für ein Semesterticket auf Basis des Deutschlandtickets erarbeitet werden soll. Das Ziel, es bereits zum Start des Deutschlandtickets einzuführen, wurde nicht erreicht. Einige Länder wie Berlin bieten zum 01. Juni 2023 Apps an, in denen die bisherigen Semestertickets (gegen einen Aufpreis, in Berlin z.B. 13,95 Euro pro Monat) in das Deutschlandticket integriert werden. Damit muss das Deutschlandticket nicht mehr zusätzlich abonniert werden. Das ist aber noch nicht das rabattierte Semester-/Studienticket, das die Studierenden brauchen. Denn etwa 40 Prozent von ihnen sind armutsgefährdet und brauchen günstigere Tickets, um mobil sein zu können.

Nicht mehr als 29 Euro

Es braucht daher zügig eine bundesweite Regelung, um die Semestertickets in das Deutschlandticket zu integrieren. Ebenso fordert der VCD ein Jugendticket, das auch von Auszubildenden genutzt werden kann und setzt sich außerdem für Jugend-, Studierenden- und Sozialtickets, die bundesweit gelten und maximal 29 Euro im Monat kosten.

Auch für Familien ist Mobilität oft eine Kostenfrage, besonders für diejenigen mit wenig Geld. Selbst die ermäßigten Tickets in die nähere Umgebung sprengen schnell das Budget. Ein Ticket von Hamburg zum Timmendorfer Strand und zurück kostet im Normalpreis 41,80 Euro, für zwei Kinder kommen noch mal 50,20 Euro dazu. Damit alle Familien mit Bus und Bahn uneingeschränkt mobil sein können, fordert der VCD, dass Kinder bis 14 Jahren kostenlos mitfahren. Was bisher im Fernverkehr gilt, muss auf den gesamten öffentlichen Nah- und Regionalverkehr ausgeweitet werden – unabhängig davon mit welchem Ticket die erwachsene Person unterwegs ist.

Beim Deutschlandticket nicht stehenbleiben

Im aktuellen Koalitionsvertrag wurde bereits vor dem Neun-Euro-Ticket vereinbart, dass die Bundesmittel erhöht werden sollen, damit die Länder mehr Busse und Bahnen einsetzen und dichtere Takte anbieten können. Wer bis 2030 die Fahrgastzahlen verdoppeln will, darf beim Deutschlandticket nicht stehenbleiben. Wir müssen klotzen, nicht kleckern, um das Ziel überhaupt noch zu erreichen. Für den VCD ist das im öffentlichen Interesse – anders als der Autobahnbau mit dem Milliarden Euro fehlinvestiert werden.

Auch um die Klimaziele zu erreichen, muss das ÖPNV-Angebot in Stadt und Land ausgebaut werden. Jederzeit müssen verlässliche Verbindungen bereitstehen. Denn dort, wo weder Bus noch Bahn fahren, wird auch das Deutschlandticket wenig nützen. Deshalb fordert der VCD die Mobilitätsgarantie: So sollen von allen Orten ab 200 Einwohner*innen mindestens im Ein-Stunden-Takt Bus oder Bahn ins nächste Mittel- oder Oberzentrum fahren.

Der Verkehr reißt weiter seine Klimaziele; seit 1990 hat er nicht zum Klimaschutz beigetragen. Wer jetzt abwartet, wird nicht nur mit einer immer dramatischeren Klimakrise bestraft, sondern wird spätestens ab 2027 für jede ausgestoßene Tonne CO2 zahlen müssen. Dann wird nämlich der EU-Emissionshandel über den Flugverkehr hinaus auf alle Verkehrsarten ausgedehnt. Reißen wir wie bisher die Ziele, wird es teuer. Auch das ist ein Grund jetzt umzusteuern und Bus und Bahn massiv auszubauen – damit wirklich alle vom Deutschlandticket profitieren.

Kontakt

Alexander Kaas Elias

Sprecher für Bahn, ÖPNV und Multimodalität
Fon 030/28 03 51-36
alexander.kaaselias@vcd.org

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