VCD-Online-Befragung

100 Tage Deutschlandticket: Jetzt müssen Sozialtarife und bessere Angebote folgen

Das Deutschlandticket ist ein Erfolg, doch das Potential noch größer. Damit das Ticket für alle attraktiv wird, braucht es sozial ausgewogene Preise und den Ausbau des Angebots. Das bestätigt die Online-Befragung des VCD mit mehr als 5.000 Teilnehmenden.

| Bahn für Familien Klimafreundliche Mobilität ÖPNV Soziale Aspekte der Verkehrswende

Das Deutschlandticket ist ein großer Fortschritt: Ein Ticket, das bundesweit im Nah- und Regionalverkehr über alle Tarifgrenzen hinweg gilt, lässt die Fahrgastzahlen steigen. Mittlerweile hat das Deutschlandticket mehr als elf Millionen Abonnent*innen, davon hatten eine Million vorher kein Abo. Trotzdem ist das Ticket für viele nicht attraktiv genug. In einer Online-Befragung* haben wir nach den Gründen dafür gefragt. Die Antworten der gut 5.200 Teilnehmenden zeigen eine breite Zustimmung zu unseren Forderungen:

  1. 49 Euro sind für viele zu teuer. Die VCD-Forderung nach einem Sozialticket für maximal 29 Euro wird von 92 Prozent der Teilnehmenden unterstützt. Ein Jugendticket für diesen Preis erhält ebenfalls große Zustimmung (90 Prozent).

  2. Breite Zustimmung findet die Forderung, dass Kinder unter 14 mit Begleitung in Bus und Bahn kostenlos mitfahren dürfen (85 Prozent). Eltern müssten dann zum Beispiel für den Familienausflug keine teuren Extratickets für die Kinder kaufen. Große Zustimmung gibt es auch für einen Vorschlag, der noch einen Schritt weitergeht:  Kostenloser Nah- und Regionalverkehr für alle Kinder unter 14 (73 Prozent).

  3. Das Angebot muss flächendeckend ausgebaut werden! Wenn – wie vielerorts auf dem Land – das Angebot für die täglichen Wege nicht ausreicht, lohnt sich auch das Ticket nicht. Im flächendeckenden Ausbau liegt daher großes Potential für mehr Freiheit bei der Wahl der Verkehrsmittel und für eine ökologische Verkehrswende. Außerdem ist es eine Frage der Gerechtigkeit, dass der ÖPNV bezahlbar wird und von allen überall genutzt werden kann. 

Das ÖPNV-Angebot ist entscheidend

59 Prozent der Teilnehmenden an unserer Befragung haben ein Deutschlandticket-Abo. Der Anteil ist dabei in Großstädten deutlich größer als in Wohnorten mit unter 1.000 Einwohner*innen (dort nur um die 40 Prozent). Dies spiegelt sich auch in den Bundesländern wider: Die Stadtstaaten Hamburg (70 Prozent) und Berlin (68 Prozent) liegen an der Spitze.  Auf der anderen Seite stehen Hessen (45 Prozent) und Niedersachsen (48 Prozent).  

Ein Grund für diese Unterschiede könnte das Bus- und Bahn-Angebot sein: Im ländlichen Raum ist die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel meist schlechter. Viele Teilnehmende bestätigen, das sei ein Grund für sie, das Deutschlandticket nicht zu abonnieren. Sicherlich spielen aber auch die unterschiedlichen konkurrierenden Ticketangebote eine Rolle.

Wenn der Bus nur dreimal am Tag fährt und es keine andere Möglichkeit gibt, mit On-Demand-Verkehr oder Rufbus ans Ziel zu kommen, sind öffentliche Verkehrsmittel und damit auch das Deutschlandticket keine Alternative zum eigenen Auto. Daher fordern wir im Kontext einer Mobilitätsgarantie, dass das Bus- und Bahnnetz weiter ausgebaut werden muss. Dazu gehört auch, dass von allen Orten ab 200 Einwohner*innen mindestens einmal pro Stunde ein (Ruf-)Bus oder die Bahn in die nächstgrößere Stadt fährt.

Zu sehen ist eine Grafik zum Thema: Deutschlandticket-Abos nach Bundesländern. Dargestellt sind die einzelnen Bundesländer und die Prozente von Menschen mit oder ohne Deutschlandticket-Abo in diesem Bundesland. Hamburg ist auf dem ersten Platz mit ca. 70% Menschen mit Deutschlandticket. Dann Berlin, Brandenburg, Saarland, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Nordrhein-Westfalen. Bayern ca. 60 Prozent. Dann Rheinland-Pfalz, Baden Württemberg, Sachsen-Anhalt, Bremen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Ganz unten liegt Hessen mit ca. 45 Prozent. Quelle: Eigene, nicht repräsentative Online-Befragung des VCD. Grafik: vcd.org

Abo-Modell überdenken? 

Neben dem mancherorts unzureichenden Angebot gibt es weitere Gründe, das Deutschlandticket nicht zu abonnieren. Von den Teilnehmenden ohne Deutschlandticket planen 7 Prozent in den nächsten Monaten, ein Abo abzuschließen, und 23 Prozent sind noch unentschlossen. 39 Prozent gaben an, dass sie den ÖPNV nicht oder zu wenig nutzen und 15 Prozent wollen kein Abo abschließen, 16 Prozent gaben andere Gründe an. Die Ergebnisse legen nahe, das reine Abo-Modell des Deutschlandtickets zu überdenken, da dies für viele eine Hürde darstellt. Zahlreiche Befragte haben uns geschrieben, dass sie das Deutschlandticket gelegentlich monatsweise nutzen würden, wenn es nicht ausschließlich als Abo zu haben wäre. Für viele ist das Abo-Modell, auch wenn es monatlich kündbar ist, zu umständlich.

Der Preis als Hürde: Sozialtickets sind nötig 

Für viele Menschen spricht der Preis von 49 Euro gegen die Nutzung des Deutschlandtickets. Eine Ermäßigung für das Ticket bezieht bisher nur eine Minderheit der Befragten. 69 Prozent der Abonnent*innen zahlen den vollen Preis. 27 Prozent beziehen es als Jobticket und nur 4 Prozent geben andere Ermäßigungen an – wie Semesterticket-Upgrades, Ermäßigungen durch ein Ehrenamt, kommunale Sozialticket-Regelungen oder die Bahncard100.

Das Deutschlandticket bedeutet für viele Menschen eine Ersparnis. Trotzdem ist es nicht für alle erschwinglich. Wer wenig Geld hat, muss genau abwägen, wie er seinen Lebensunterhalt finanzieren kann. Damit die Mobilität dabei nicht auf der Strecke bleibt, fordert der VCD ein bundesweit gültiges Sozialticket, das maximal 29 Euro kostet. Denn nur wer mobil ist, kann am gesellschaftlichen Leben teilhaben – dazu gehören die Fahrt zur Familie, zu Freunden, zum Sportverein oder zur Arbeit. Niemand darf davon ausgeschlossen sein, weil der Ticketpreis zu hoch ist.?Dieser Forderung stimmt mit 92 Prozent die große Mehrheit der Befragten zu. Das ist umso wichtiger, weil es einen großen Flickenteppich an kommunalen Lösungen gibt und in weiten Teilen des Landes gar keine sozialen Ermäßigungen angeboten werden. 

Auch die Höhe der Ermäßigung findet Zustimmung: 61 Prozent halten den ermäßigten Preis für Sozial- und Jugendtickets für angemessen, 31 Prozent finden ihn zu hoch oder deutlich zu hoch, nur 8 Prozent für zu niedrig. Damit trägt eine deutliche Mehrheit die Forderung des VCD mit, dass das Sozialticket nicht mehr als 29 Euro kosten darf.

Entlastung für Familien durch kostenlosen ÖPNV für Kinder 

Wenn Kinder eigenständig mobil sein können, stärkt das ihr Selbstvertrauen. Wenn sie allein zum Sport, zu Freunden oder zur Schule gelangen, entlastet das die Eltern und meist auch die Umwelt. Doch drei, vier oder sogar fünf Abonnements des Deutschlandtickets können sich die meisten Familien nicht leisten. Daher braucht es für die eigenständige Mobilität von Kindern neben guten und sicheren Fuß- und Radwegen auch ein bezahlbares Ticket für Bus und Bahn. Oft gibt es diese auch für den lokalen Verkehrsverbund. Das Deutschlandticket bietet jetzt aber die Chance, allen Familien ein gleichgünstiges Angebot zu machen. Ein bundesweit gültiges Jugendticket würde zudem die Familien auch bei Ausflügen und Reisen in ganz Deutschland entlasten.

Unsere Befragung hat gezeigt: Nur 19 Prozent der Kinder, die älter als sechs Jahre sind, haben ein Deutschlandticket. Für die übrigen lohnt es sich zu diesem Preis nicht oder die Familien können es sich nicht leisten. Für 35 Prozent ist das lokale Abo attraktiver, 46 Prozent der Kinder haben gar kein Monatsticket. Wenn es ein Jugendticket-Abo für 29 Euro gäbe, würden es laut unserer Befragung 42 Prozent der Eltern für ihre Kinder abschließen, 25 Prozent sind unentschlossen und 33 Prozent würden es trotzdem nicht kaufen.

Der VCD fordert ein bundesweit gültiges Jugend-/Studierendenticket für maximal 29 Euro im Monat. Das soll für Menschen bis zur Vollendung ihres 21. Lebensjahres gelten und darüber hinaus für für alle in Ausbildung, Studium oder Bundesfreiwilligendienst. Eine große Mehrheit der Befragten stimmt dieser Forderung zu (90 Prozent).

Die VCD-Forderung, dass Kinder unter 14 Jahren kostenlos im Nah- und Regionalverkehr mitfahren können, unterstützen die Teilnehmenden ebenfalls mehrheitlich (85 Prozent). Dies würde unabhängig davon gelten, welche Ticketform die Begleitperson hat, also sowohl für Einzelfahrscheine als auch für Zeitkarten wie Tagestickets und Abos. 73 Prozent unterstützen die weitergehende Forderung nach kostenlosem ÖPNV für Kinder unter 14 Jahren auch ohne mitfahrende Erwachsene.?Dies würde die eigenständige und ökologische Mobilität von Kindern und Jugendlichen in besonderer Weise fördern.

 

Fazit: Das braucht es für ein Deutschlandticket für alle

Das Deutschlandticket ist ein großer Erfolg. Besonders für Pendler*innen und alle, die Bus und Bahn regelmäßig nutzen – auch über lokale Tarifgrenzen hinaus – ist das Ticket eine Erleichterung und spart Kosten. Das führt zu messbaren Verlagerungen.  

Trotzdem hat das Deutschlandticket noch zwei zentrale Gerechtigkeitslücken, die verhindern, dass es sein volles Potential für eine soziale und ökologische Verkehrswende ausschöpft. Hier muss nachgebessert werden: Im Gegensatz zum Fernverkehr und den lokalen Tarifangeboten gibt es keinen Ermäßigungstarif, weswegen es für viele Familien und einkommensschwache Haushalte nicht zu finanzieren ist. Außerdem nützt das Deutschlandticket nichts, wenn Bus und Bahn so selten fahren, dass es im Alltag praktisch ungeeignet ist. 

Wir als VCD setzen uns dafür ein, dass alle ökologisch mobil sein können. Daher gilt unser Einsatz auch einer Weiterentwicklung des Deutschlandtickets und des gesamten öffentlichen Verkehrs:

  • Freie Fahrt für Kinder unter 14 – mindestens aber eine Mitfahrregelung wie im Fernverkehr.
  • Das Deutschlandticket als Jugendticket für maximal 29 Euro für alle unter 21 sowie für Azubis, Studierende und Bundesfreiwilligendienstleistende.
  • Das Deutschlandticket als Sozialticket für maximal 29 Euro.
  • Ausbau des ÖPNV-Angebots insbesondere auf dem Land mit Mindeststandards zu Anbindung und Taktung (siehe dazu das VCD-Konzept der Mobilitätsgarantie).

Unterstützen Sie uns dabei, damit wir uns noch besser für diese und weitere Ziele einsetzen können - damit ökologische Mobilität für alle möglich wird!


* nicht repräsentative Online-Befragung via Lamapoll, Juli 2023 

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Kontakt

Portrait Dominik Fette

Dominik Fette

Sprecher für klima- und sozialverträgliche Mobilität
Fon 030/28 03 51-281
dominik.fette@vcd.org

Alexander Kaas Elias

Sprecher für Bahn, ÖPNV und Multimodalität
Fon 030/28 03 51-36
alexander.kaaselias@vcd.org

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