fairkehr 1/2024: Thema Radpendeln

Fahrradparkhäuser: Schutzräume für's Rad

Viele Kommunen kümmern sich endlich um sichere und attraktive Stellplätze für Fahrräder. Würgt die knappe Haushaltslage den Trend jetzt ab?

| fairkehr-Magazin

Plötzlich steht da ein Turm: Nach dem Jahreswechsel bin ich zum ersten Mal auf dem Weg in die Redaktion, als mir am Bahnhof in Bonn-Beuel ein neues Bauwerk auffällt. Rund zehn Meter hoch, sieht es aus wie ein riesiger holzfarbener Rubiks-Würfel, aufgebockt auf einen Metallsockel mit acht Aufzugtüren. Es dauert einen Moment, bis ich verstehe, was ich da vor mir habe: ein vollautomatisches Fahrradparkhaus für 96 Räder, offenbar noch kurz vor Weihnachten in modularer Leichtbauweise errichtet.

Prima! Das wird gleich ausprobiert. Infotafel lesen, App runterladen, Zahlungsmittel eingeben und los geht's: Der Aufzug surrt, die Tür öffnet sich, und das smarte Türmchen verstaut mein Rennrad in seinem Inneren. Kostenpunkt: 1 Euro pro Tag, 15 Euro pro Monat, 90 Euro pro Jahr.

Sehr praktisch. Zumal ich das nicht ganz billige Rad sonst über die Treppe in den zweiten Stock trage. Gedacht ist das Radparkhaus vor allem für Pendler, die etwa ihr Pedelec sicher und wettergeschützt verstauen und auf die Bahn umsteigen wollen. Und bedient damit genau die Bedürfnisse der Zielgruppe: Denn nur jeder vierte Radpendler hält sein am Bahnhof abgestelltes Rad für sicher vor Diebstahl und Vandalismus; nur jeder Dritte hält den Witterungsschutz für ausreichend. Das zeigen Untersuchungen des Instituts für sozial-ökologische Forschung für den Arbeitskreis „Bahnhof der Zukunft“, in dem der VCD mitwirkt.

Standards für Radparkhäuser steigen

Vor vielen Bahnhöfen sieht es heute aus wie auf dem Schrottplatz: Räder mit geklauten Sätteln und platten Reifen verrosten langsam in Abstellanlagen ohne Überdachung. Doch immer mehr Kommunen verstehen, dass solche Zustände Pendler abschrecken, die mit der Kombi Fahrrad und Bahn zur Arbeit fahren wollen. Zwar gibt es keine gesicherten Zahlen dazu, wie viele Radparkhäuser und verschließbare Radabstellanlagen in den letzten Jahren entstanden sind; aber ihre Zahl wächst.

Ob begehbar, automatisiert oder als abschließbare Box – Spielarten gibt es so viele wie Namen: „Fahrradspeicher“ (Nürnberg), „Rad-Express“ (Tübingen), „Bike+Ride Parkhaus“ (Hamburg) und „Fahrradgarage“ (Eschborn) sind nur einige Varianten. Das größte Radparkhaus in Deutschland mit 3 300 Stellplätzen wurde bereits 1999 in Münster eröffnet.

Über verschiedene Förderprogramme konnten die Kommunen ihre Investitionen in Radabstellanlagen mitfinanzieren lassen. Förderung gab es über die Nationale Klimaschutzinitiative oder das Programm „Stadt und Land“. Auch mit EU-Mitteln und aus Töpfen der Länder konnten Städte und Gemeinden einen Großteil der Kosten abdecken. Selbst die DB beteiligte sich gemeinsam mit dem Umweltministerium an einer „Bike+Ride-Offensive“.

Großer Bedarf für staatliche Förderung

Noch im März 2023 diagnostizierte Verkehrsminister Volker Wissing, an deutschen Bahnhöfen fehlten 1,5 Millionen Radabstellplätze, und kündigte an, 114 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, um diese Lücke zu schließen. „Viele Menschen würden Rad und Bahn häufiger nutzen, wenn sie ihr Fahrrad oder E-Bike am Bahnhof sicher abstellen könnten“, so der Minister damals. Der anschließende Förderaufruf stieß auf enorme Resonanz, die die bereitgestellten Mittel schnell überstieg.

"An unseren Bahnhöfen fehlen 1,5 Millionen Stellplätze für Räder."

Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr

Aber seit im Bund Sparen angesagt ist, hat sich der Ton geändert. Der erste Haushaltsentwurf nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sah vor, das 114-Millionen-Euro-Programm komplett zu streichen. Projekte, die bereits eine Zusage bekommen hatten, wären gefährdet gewesen. Nur dem Druck der „Brancheninitiative Fahrrad & Bahnen“, der auch der VCD angehört, ist es zu verdanken, dass das Schlimmste verhindert werden konnte. In einem Schreiben an die verkehrspolitisch relevanten Parlamentarierinnen und Staatssekretäre im BMDV erinnerte die Initiative die Regierung an ihr im Koalitionsvertrag festgelegtes Ziel, die Verkehrsleistung von Schiene und Rad bis 2030 zu verdoppeln. „Nur mit einer gelungenen Verknüpfung beider Verkehrsmittel sind diese Ziele zu erreichen“, heißt es in dem Schreiben.

Druck des VCD zeigt Wirkung

Der Druck zeigte Wirkung: 37 bereits ausgewählte Projekte sollen von 2024 bis 2027 in Höhe von 55 Millionen Euro umgesetzt werden. Damit wurden die Mittel jedoch immer noch um mehr als die Hälfte gekürzt. Neue Projekte können sich nicht mehr bewerben. Auch das für die Kommunen besonders relevante Förderprogramm „Stadt und Land“ wurde gekürzt. Andere Förderprogramme werden diese Finanzierungslücke nicht ohne Weiteres auffangen können.

Damit ist klar: Die Dynamik im Bereich Radparken droht abgewürgt zu werden, bevor sie überhaupt richtig entfesselt ist. Der Handlungsbedarf bei diesem wichtigen Baustein der Verkehrswende bleibt groß. Aus eigener Kraft werden die Kommunen die 1,5 Millionen Stellplätze nicht bauen können. Und hohe Renditen für Privatinvestoren sind beim Radparken – anders als bei Autoparkhäusern – nicht zu erwarten.

Vielleicht sollte die Versicherungsbranche einspringen? 275 Millionen Euro Schaden jährlich durch geklaute Fahrräder bilanzierten die Versicherer jüngst, Tendenz stark steigend. Das sind mehr Kosten, als durch Autoklau entstehen. Mehr intelligente Türmchen wie das am Beueler Bahnhof würden hier bestimmt Linderung verschaffen.

Autor

Tim Albrecht ist Redakteur, Berater und Coach für Kommunikation rund um die Themen Nachhaltige Mobilität & Urban Transformation. Er arbeitet bei der fairkehr Agentur in Bonn und schreibt seit 2018 für das VCD-Magazin fairkehr.

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