Koalition bremst Klimaschutz und Verkehrswende aus

Mit ihren faulen Kompromissen im Koalitionsausschuss haben die Spitzen von SPD, Grünen und FDP die Verkehrswende auf die lange Bank geschoben. Gleichzeitig brüskiert die Bundesregierung Europa, nur um Verbrenner mit E-Fuels durchzusetzen.

| Klimafreundliche Mobilität Verkehrspolitik

Vor dem Koalitionsausschuss Ende März ist die Stimmung in der Regierung alles andere als harmonisch: In der Ampel-Koalition knirscht es schon lange. Streitobjekt ist vor allem die Verkehrspolitik. Dabei waren SPD, Grüne und FDP Ende 2021 mit dem Versprechen angetreten, als Fortschrittskoalition für eine nachhaltige Mobilität zu sorgen. Davon bisher keine Spur: Das von der FDP geführte Verkehrsministerium ist weder die versprochene Reform des Straßenverkehrsrechts angegangen, noch hat es das Ruder beim Klimaschutz herumgerissen oder der Schiene Vorrang gegeben. Vielmehr setzt Minister Wissing auf ein Weiter-so, hebelt Gesetze aus und will den Ausbau von Autobahnen beschleunigen.

Damit verliert der Verkehr immer weiter den Anschluss beim Klimaschutz, und der notwendigen Antriebswende zieht der Minister wortwörtlich den Stecker. Statt die Elektrifizierung bei Pkw und Lkw voranzutreiben, blockiert er in einem unglaublichen Vorgang sogar einen bereits abgestimmten Gesetzentwurf der EU zu den Flottengrenzwerten für Pkw. Warum? Nur weil er auch nach 2035 noch Autos mit Verbrennungsmotoren zulassen will (sofern diese mit E-Fuels betrieben werden). Damit hat die Regierung einen Präzedenzfall geschaffen und der Glaubwürdigkeit Deutschlands in Europa großen Schaden zugefügt. 

Ergebnis des Koalitionsausschusses: Klimaschutz-Sektorziele werden gestrichen

Um die Konflikte bei der Planungsbeschleunigung und beim Klimaschutz zu lösen, haben SPD, Grüne und FDP in einem Verhandlungsmarathon über drei Tage verhandelt und diskutiert. Das Ergebnis ist aus Sicht des VCD schockierend. Besonders fatal: Jetzt schleift die SPD selbst ihre größte Errungenschaft aus der Vorgängerkoalition mit der Union – das Klimaschutzgesetz. Weil der Verkehr jedes Jahr in Folge seine Vorgaben reißt, werden die Sektorziele gestrichen. Das entlässt Verkehrsminister Wissing aus der Haftung, stattdessen müssen nun alle anderen Sektoren zusätzliche Emissionen einsparen. Dabei ist jedem klar: Ohne Reduktionen im Verkehr sind die Klimaziele insgesamt auf Dauer nicht zu erreichen.

Autobahnausbau wird beschleunigt

So kann Minister Wissing weiter munter Autobahnen bauen und Umweltbelange mit dem Segen des Koalitionsausschusses hintenanstellen. Bis zu 144 Autobahnprojekte mit einer Gesamtlänge von rund 1.000 Kilometern sollen in den kommenden Jahren beschleunigt ausgebaut werden, damit Verbrenner ohne Tempolimit weiter freie Fahrt haben. Den Bedarf begründet Wissing mit ersten Ergebnissen einer Verkehrsprognose, die sein Ministerium jüngst vorgelegt hat – sie prophezeit wachsenden Autoverkehr. Dass er selbst es in der Hand hätte, dieses Wachstum zu stoppen, indem er die Schiene ausbaut und Anreize für den Umstieg schafft, das ignoriert der Minister geflissentlich.  

Maßnahmen zum Klimaschutz reichen nicht

Bewegung gibt es in Sachen sektorübergreifendem Klimaschutz-Sofortprogramm, das die Regierung bereits bis Ende 2022 beschließen wollte. Die Koalitionäre haben sich auf mehrere Maßnahmen zur Emissionsminderung im Verkehr verständigt. Viele davon sind allerdings nicht neu, und die damit erreichbare Emissionsreduktion bleibt insgesamt weit hinter den Erfordernissen zurück.

Zuallererst sollte der Bahnausbau beschleunigt und die Digitalisierung der Schiene vorangetrieben werden. Dafür soll auch Geld aus der Lkw-Maut verwendet werden können, die ab 2024 auf alle Lkw ab 3,5 Tonnen ausgeweitet und um einen CO2-Zuschlag ergänzt wird. Damit stehen der Schiene jährlich rund fünf bis sechs Mrd. Euro zusätzlich zur Verfügung. Angesichts des enormen Sanierungsstaus ist das aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Hinzu kommt: Es fehlt an Personal bei Planungs- und Genehmigungsbehörden, um all die Infrastrukturvorhaben überhaupt in Angriff nehmen zu können. Statt alles beschleunigen zu wollen, müsste die Regierung dem Bahnausbau den Vorrang geben! Denn sonst beschleunigt sie gar nichts.

Das haben wir auch in unserem Mailing an die SPD-Spitze gefordert. Mit den jetzigen Beschlüssen werden die im Koalitionsvertrag verankerten Verlagerungsziele für den Personen- und Güterverkehr auf der Schiene nicht erreicht.

E-Fuels gefährden E-Mobilität

Da Verbrenner mit E-Fuels nun auch nach 2035 noch neu auf die Straße kommen dürfen, soll jetzt auch die Produktion des vermeintlichen Wunderkraftstoffs beschleunigt werden. Rechtliche Hürden will die Regierung beseitigen und einen Fahrplan für den Hochlauf erarbeiten – und im vorauseilenden Gehorsam will sie E-Fuels und sogenannte „fortschrittliche“ Biokraftstoffe künftig durch Steuerprivilegien begünstigen.

Damit wird die Illusion erweckt: Strom- und Biokraftstoffe werden es schon richten, ihr müsst keine E-Autos kaufen! Das ist eine Illusion und gefährlich. E-Fuels bleiben absehbar rar und teuer und werden nicht nur in der Grundstoffindustrie benötigt, sondern auch in den Verkehrsbereichen, die nicht elektrifiziert werden können – bei Flugzeugen und Schiffen. Da bleibt für den Straßenverkehr kein Tropfen übrig. Zudem gefährdet die Förderung von E-Fuels den Erfolg der Elektromobilität und damit die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Auto-Industrie. Denn das nochmals bekräftigte Ziel von 15 Mio. vollelektrischen Fahrzeuge bis 2030 lässt sich nur erreichen, wenn künftig fast nur noch E-Autos zugelassen werden.

Was jetzt wichtig ist: Abbau von umweltschädliche Subventionen

Keine Rede ist in dem Papier vom Abbau klimaschädlicher Subventionen. So entgehen dem Staat jährlich fast 30 Mrd. Euro durch Steuerprivilegien zugunsten des Auto- und Flugverkehrs. Geld, das viel besser im Ausbau von Schiene und Radwegen und in zusätzliche Angebote bei Bus und Bahn angelegt wäre. Darum fordert der VCD, das Dienstwagenprivileg, den vergünstigten Energiesteuersatz auf Diesel und die Entfernungspauschale zu beenden bzw. ökologisch und sozialverträglich umzubauen sowie Kerosin und internationale Flugtickets endlich zu besteuern. Denn von diesen Privilegien profitieren im Wesentlichen Gut- und Besserverdienende.

Verkehrswende vor Ort beschleunigen und den Verkehr sicherer machen

Knapp 600 Städte und Gemeinden deutschlandweit haben sich mittlerweile der kommunalen Initiative „Lebenswerte Städte durch angepasste Geschwindigkeiten“ angeschlossen, die sich für mehr Handlungsspielraum für die Verkehrswende vor Ort einsetzt. Die Kommunen fordern großräumig Tempo 30 für mehr Verkehrssicherheit sowie ein effektives Parkraum-Management. Der VCD unterstützt diese Initiative und setzt sich zusammen mit weiteren Verbänden für die überfällige Reform des Straßenverkehrsrechts ein. Ein erster Erfolg: Die Verkehrsminister*innen der Länder haben auf der letzten Verkehrsministerkonferenz Mitte März einstimmig das Bundesverkehrsministerium aufgefordert, endlich einen Gesetzentwurf vorzulegen.

Die Verkehrswende vor Ort ist gerade für die Verletzlichsten, unsere Kinder, unverzichtbar. Sie benötigen sichere Wege zu Kita, Schule, Sport und Spaß. Dies gelingt nur, wenn ausreichend Platz fürs Laufen und Radfahren vorhanden ist und weder fahrende noch parkende Autos eine Gefahr darstellen. Die VCD-Forderung: Straßenraum fair verteilen.

Gemeinsam für Klimaschutz und Verkehrswende

In den kommenden Wochen werden wir uns dem Verkehrsministerium kraftvoll entgegenstellen und Herrn Wissing klarmachen, dass die Verkehrswende nicht verhandelbar ist. Und wir prüfen rechtliche Schritte gegen die Aufweichung der Sektorziele – wir werden die Bundesregierung und vor allem die FDP nicht aus ihrer Verantwortung entlassen!

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Kontakt

Michael Müller-Görnert
Verkehrspolitischer Sprecher, Klima, Luft, Auto
Fon 030/28 03 51-19
michael.mueller-goernert@vcd.org
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