Bundesmobilitätsgesetz

Mobilität sicher machen

Die Vision Zero, das Ziel von null Verkehrstoten, ist eigentlich Konsens. Eigentlich, denn rechtlich verbindlich wird es erst durch das Bundesmobilitätsgesetz (BuMoG).

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Es gibt wohl keine Radfahrerin, keinen Radfahrer, der es nicht kennt: Auf dem Weg zur Arbeit wird man mit 30 cm Seitenabstand von einem SUV überholt. Den Radkasten auf Kopfhöhe, blickt man schon am frühen Morgen gefühlt dem Tod ins Auge. Selbst Eltern mit Kind im Anhänger wird von so mancher Autofahrerin, manchem Autofahrer nicht viel mehr Platz zugestanden.

Zugegeben, Verkehrsunfälle durch zu geringen Seitenabstand sind deutlich seltener als solche durch unachtsames Rechtsabbiegen oder Öffnen der Autotür ohne Schulterblick. Die subjektive Einschätzung der Gefahren ist dennoch wichtig und in der Verkehrsplanung zu berücksichtigen. Denn wird ein Verkehrsmittel subjektiv als unsicherer erachtet, als es objektiv ist, bleibt das Potenzial unausgeschöpft. Befragungen bestätigen immer wieder: Viele würden gerne aufs Rad umsteigen, fühlen sich im Straßenverkehr aber zu unsicher. Eine ängstliche Person zieht das Auto dem Fahrrad vor – unabhängig einer objektiven Abwägung von Vor- und Nachteilen. Und Diskrepanz zwischen subjektiver und objektiver Gefahrenlage hin oder her, eines ist sowieso unstrittig: Es gibt zu viele Verkehrstote in Deutschland. 

Erste Schritte, mehr nicht

Die Bundesregierung hat bereits 2011 in ihrem Verkehrssicherheitsprogramm das Ziel ausgegeben, die Anzahl der Verkehrstoten bis 2020 um 40 Prozent zu senken. Im Koalitionsvertrag von 2018 haben Union und SPD gar formuliert, dass sie sich der mittelfristigen Senkung der Anzahl der Verkehrstoten auf null verpflichtet sehe. Doch bis 2019 sank die Zahl der im Straßenverkehr Getöteten nur um 24 Prozent. Ein stärkerer Rückgang 2020 ist lediglich der Coronapandemie zu verdanken. 

Damit hat die aktuelle Regierung die selbst gesetzten Ziele klar verfehlt, und es ist bei weitem nicht genug, wenn sie Anfang Juni 2021 einfach ein neues Verkehrssicherheitsprogramm auf den Weg bringt und damit ein weiteres Mal nichts weiter als unverbindliche Ziele formuliert. Daran ändert auch der neue Name „Pakt für Verkehrssicherheit“ nichts.

Es reicht nicht aus, schöne Ziele zu formulieren, ohne sie rechtlich zu hinterlegen. Bereits bei der Planung von Verkehrsinfrastruktur muss die „Vision Zero“, für die sich der VCD schon seit Jahren einsetzt, als Richtschnur dienen. Rechtlich verankert werden kann das Ziel von null Verkehrstoten im neuen Bundesmobilitätsgesetz (BuMoG). Mit dem BuMoG will der VCD einen neuen, übergeordneten Rechtsrahmen schaffen, der langfristige und verbindliche Ziele setzt und dem sich alle politischen Maßnahmen unterwerfen müssen. Damit bekäme die Vision Zero endlich die Verbindlichkeit, die der Sache gerecht werden würde.

Das BuMoG geht einen Schritt weiter

Doch Vision Zero geht noch weiter und macht nicht bei Verkehrsunfällen Halt. Geht es nach dem VCD, bedeutet Vision Zero auch, dass niemand durch verkehrsbedingte Luftschadstoffe oder verkehrsbedingte Lärmbelastung sein Leben verliert oder in seiner Gesundheit beeinträchtigt wird. Wir nennen das „Vision Zero II“.

Vision Zero in diese Richtung weiterzudenken, ist nötiger denn je. Denn der Verkehr hat in Deutschland vielerorts Ausmaße angenommen, die der Allgemeinheit erhebliche gesundheitliche Schäden zufügen. Nach überschlägigen Berechnungen des Umweltbundesamtes ist etwa die Hälfte der Deutschen einem Mittelungspegel von mindestens 55 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts ausgesetzt – verursacht durch Verkehrslärm. Werte, bei denen mit Beeinträchtigungen des psychischen und sozialen Wohlbefindens zu rechnen ist. Diese Lärmbelästigungen sind einfach nicht mehr zu ertragen und machen krank. Nicht umsonst werden Nachtflugverbote erteilt oder Autobahnen mit Einhausungen versehen. Umweltzonen und Dieselfahrverbote in Städten sind auch nichts anderes als Maßnahmen, um die gesundheitsschädlichen Gefahren durch den Schadstoffausstoß des Verkehrs zumindest ein wenig zu reduzieren. 

Versäumnisse nachholen

Schon im Januar 2020 wurde ein Bundestagsbeschluss verabschiedet, mit der Aufforderung an die Bundesregierung, die Vision Zero als Leitgedanken in die Straßenverkehrsordnung aufzunehmen. Geschafft hat sie es seitdem gerade einmal in eine Verwaltungsvorschrift. Das ist zu wenig. Ein Bundesmobilitätsgesetz, in dem nicht nur Vision Zero, sondern auch Vision Zero II rechtlich verankert werden sollte, kann diese Versäumnisse korrigieren. Das BuMoG stellt die Menschen und ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt und nicht den motorisierten Individualverkehr. Vor allem jenen Verkehrsteilnehmer*innen, die auf Grund ihres Alters oder ihrer körperlichen oder geistigen Kondition besonders gefährdet sind, sollte man dabei besonderes Augenmerk schenken. Denn sie sind als schwächstes Glied in der Kette besonders schutzbedürftig.

 

Kontakt

Michael Müller-Görnert
Verkehrspolitischer Sprecher, Klima, Luft, Auto
Fon 030/28 03 51-19
michael.mueller-goernert@vcd.org
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