Kilian Vieth-Ditlmann leitet das Policy-Team bei der NGO AlgorithmWatch.
Interview| VCD-Magazin 2/2025
„Wir brauchen Klimaziele für KI“
Es gibt aktuell einen großen Hype um KI. Beobachten Sie das auch in Ihrer politischen Arbeit?
Kilian Vieth-Ditlmann: Mir begegnet in der Politik regelmäßig eine fast schon mythische Überhöhung von KI. Sie kann auf einmal alles machen. Da steht oft ein großes Unverständnis der Technologie dahinter. Deshalb fragen wir: Was genau soll automatisiert werden? Nur dann können wir Chancen und Risiken einschätzen. KI ist eine ganz normale Technologie, wir sollten nüchtern mit ihr umgehen.
Die Politik erhofft sich von KI Effizienzgewinne, auch in Sachen Ressourcen. Zu Recht?
Aus unserer Sicht wird das Potenzial oft überschätzt. In der Praxis sind die Effizienzgewinne meist marginal, auch wenn die Tech-Unternehmen sich natürlich gern als Klimaschützer verkaufen. Letztlich muss man sich die einzelne Anwendung anschauen. Gemeinsam mit dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) haben wir das mal für autonom fahrende Busse auf dem Land versucht.
Und wie sieht die Ökobilanz aus?
Man muss ganz klar sagen: Wir wissen es nicht. Derzeit laufen in Deutschland allein 16 Pilotprojekte zum Einsatz von autonomen Kleinbussen im ländlichen Raum. Diese werden gern als umweltschonende Hoffnungsträger für die Mobilitätswende auf dem Land verkauft. Aber nur eines dieser Projekte untersucht die Potenziale zur Reduzierung des Pkw-Verkehrs. Nachhaltigkeitskriterien für die Entwicklung der erforderlichen KI-Systeme werden gar nicht berücksichtigt.
Woran liegt das?
Wir haben oft die falsche Vorstellung, dass alles, was mit Digitalisierung oder Daten zu tun habe, immateriell sei. Aber autonomes Fahren funktioniert nur über den Einsatz vieler Sensoren und Algorithmen, die durchaus rechen- und ressourcenintensiv sind. Darüber hinaus ist offen, ob und wann das autonome Fahren flächendeckend kommt, gerade auf dem Land, wo erst mal die entsprechende Infrastruktur gebaut werden muss. Deshalb sollte man immer fragen: Gibt es nicht einfachere Methoden, um die Mobilitätswende im ländlichen Raum voranzubringen?
Sie setzen sich für mehr Nachhaltigkeit im Umgang mit KI ein. Was fordern Sie konkret?
Wir sprechen uns zum Beispiel dafür aus, dass der Zubau an Rechenleistung mit einem Zuwachs an erneuerbaren Energien einhergehen muss. Dafür brauchen wir regulatorische Lösungen. Aktuell sehen wir nämlich, dass viele Länder Gaskraftwerke bauen, um Rechenzentren zu betreiben. Das soll mit der neuen Regierung in Deutschland womöglich auch kommen. So wird KI zu einer richtig dreckigen Technologie, wenn sie quasi die Energiewende verlangsamt oder sogar zu einem fossilen Backlash führt.
Anwendungen wie ChatGPT haben einen hohen Energieverbrauch. Sollten umweltbewusste Nutzer*innen die Finger davon lassen?
Ich möchte den Verbraucher*innen da keine Tipps geben, das wäre genau die falsche Richtung. Wir sollten daraus keine Frage der persönlichen Lebensführung machen. Wir brauchen politische Regulierung und Transparenz. Heute wird KI ja in alle möglichen Anwendungen eingebaut, und die Nutzer*innen werden gar nicht gefragt oder haben keine andere Wahlmöglichkeit. In anderen Sektoren haben wir Klimaschutzvorgaben. Für KI brauchen wir das auch.
Interview: Tim Albrecht