Herr Löhner, wie sind Sie dazu gekommen, Personal für den Fahrdienst im Ausland zu rekrutieren?
Stefan Löhner: Privat beschäftigt mich dieses Thema bereits seit 1994. Ich war in der Mainzer Fußballszene aktiv – dort und auch im handwerklichen Betrieb meiner Eltern war es schon immer gang und gäbe, Menschen aus dem Ausland ins Team zu holen. Das war dann auch meine Motivation, mir seit 1994 ein nebenberufliches Standbein aufzubauen, um Unternehmen hierbei zu unterstützen. Auch bei der MVG merkten wir schon Mitte der 2000er, dass wir Personalprobleme bekommen. Als die EU 2008 die Arbeitnehmerfreizügigkeit zunächst unter anderem für Tschechien sowie die Slowakei ermöglichte, bin ich direkt nach Tschechien gefahren und habe unsere ersten zehn Mitarbeiter angeworben. Von dort war es auch nur ein kurzer Sprung in die Slowakei, und mit der EU-Erweiterung auf den Balkan im Juli 2014 kamen weitere Länder wie Kroatien dazu.
Wie finden Sie die Bewerber*innen in diesen Ländern?
Stefan Löhner: Der erste Versuch war mittels Zeitungsannoncen, das hat nicht gut funktioniert. Dann bin ich zu den sehr gut organisierten Busbahnhöfen vor Ort gegangen und habe Aushänge gemacht, in der lokalen Sprache natürlich. Das hat gut funktioniert. Und wenn Sie die ersten Leute haben, spricht sich das schnell rum. Inzwischen arbeiten wir auch mit Berufsschulen zusammen. Entscheidend ist, dass Sie selbst vor Ort sind und die Menschen kennenlernen. Zwischenzeitlich sind wir ein Team von rund 20 Personen, welches immer wieder temporär zusammenarbeitet, je nach Zielland und Aufgabe.
Warum ist das persönliche Kennenlernen so wichtig?
Stefan Löhner: Man muss eine Beziehung zu den neuen Angestellten aufbauen und sie gut begleiten, und zwar bereits lange vor eigentlichem Arbeitsbeginn in Deutschland. Wir haben gerade fünf neue Fahrer aus der Türkei angestellt. Wenn die ankommen, hole ich sie vom Flughafen ab. Am nächsten Tag werden sie von den Chefs begrüßt, und am dritten Tag begleiten wir sie zum Bürgeramt, zur Bank, zur Krankenkasse, damit sie komplett angemeldet sind. Wir kümmern uns darum, dass Wohnungen bereitstehen, und helfen beim Familiennachzug. Und wir versuchen, schon im Vorfeld etwas über ihre Hobbys zu erfahren, um sie möglichst in einem Sportverein unterzubringen. Das ist enorm wichtig. Die müssen ja nicht nur in den Betrieb integriert werden, sondern auch in die Stadt, die Region und sich dort wohlfühlen, damit sie bleiben.

Klingt nach viel Aufwand für Sie und das Unternehmen. Warum machen Sie das?
Stefan Löhner: Das stimmt, es ist nicht der bequemste Weg der Rekrutierung. Firmen müssen das wirklich wollen – aber eigentlich haben sie keine andere Wahl. Bei der MVG müssen wir bis 2033 die Hälfte unserer 560 Fahrer ersetzen, weil sie in Rente gehen. Das ist nichts Apokalyptisches, darauf können Sie sich vorbereiten. Aber sich nur auf die Arbeitskräfte aus der Region zu verlassen, funktioniert nicht. Das merken wir seit Jahren, so wie viele andere Branchen auch. Und trotzdem hat ein Großteil der Verkehrsunternehmen noch nie im Ausland Personal rekrutiert.
Wie werden die ausländischen Mitarbeiter von ihren deutschen Kollegen aufgenommen?
Stefan Löhner: Da haben wir den Vorteil, dass der Fahrbetrieb an sich sehr international aufgestellt ist. Der war schon immer bunt gemischt. Wir holen auch regelmäßig den Betriebsrat und die Arbeitnehmervertretung mit ins Boot.
Welche bürokratischen Hürden müssen Sie überwinden, wenn Sie Personal aus dem Ausland einstellen wollen?
Stefan Löhner: Die Hürden sind immer nur so hoch, wie ich sie mir mache. Es ist immer der gleiche Ablauf. Den muss ich einmal durchspielen, und einmal die Kontakte mit den Ämtern knüpfen. Da muss man durch! Ich habe noch kein Amt erlebt, das dann nicht hilfsbereit ist.
Macht es einen Unterschied, ob Sie jemanden aus der EU oder jemanden aus einem Drittstaat einstellen wollen?
Stefan Löhner: Nein, nicht wenn die Personen eine anerkannte Berufsqualifikation haben. Dafür sorgt das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Kann sein, dass die Bearbeitung mal zwei Wochen länger dauert, aber im Prinzip ist der Ablauf immer gleich.
Das klingt sehr positiv. Hätten Sie einen Wunsch, was noch einfacher oder besser laufen könnte?
Stefan Löhner: Die Anerkennung von ausländischen Busführerscheinen. Das ist in Deutschland sehr kompliziert, auch im Vergleich zu anderen EU-Ländern. Wenn es dafür eine unkomplizierte Lösung gäbe, würde das vieles erleichtern.
Autorin

Katharina Baum schreibt als Redakteurin über nachhaltige Mobilität und begleitet verschiedenste Projekte, von Internetauftritten über Kommunikationskampagnen bis zu Nachhaltigkeitsberichten. Sie schreibt seit 2020 für das VCD-Magazin fairkehr und arbeitet bei der fairkehr Agentur in Bonn.