Foto: Ein Mann fährt mit einem gewerblichen Lastenrad und transportiert schwere Pakete und Sperrgut ganz flexibel und ohne Auto. Ohne Stau kommt Tischlermeister Dirk Schmidt immer gut gelaunt beim Kunden an.

Feinmobilität | VCD-Magazin 1/2025

Kleine Fahrzeuge fürs Gewerbe: Die leise Revolution

Fahrzeuge, die gerade so groß sind wie wirklich nötig – das würde unsere Städte ruhiger machen, die Mobilität effizient und dem Klima guttun. Eine feine Sache, diese Feinmobilität!

| fairkehr-Magazin 01/2025 Klimafreundliche Mobilität

"Haben Sie Ihren Führerschein verloren?“ Kommentare wie dieser sind die absolute Ausnahme im Arbeitsalltag von Dirk Schmidt. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle erntet Schmidt Anerkennung und Lob, wenn er mit seinem Lastenrad beim Kunden vorfährt. Schmidt ist Tischlermeister in Düsseldorf. Und er erledigt einen großen Teil seiner Arbeitswege mit dem Lastenrad.

Lastenräder und andere kleine Verkehrsmittel sind ideal, um sich in Großstädten wie Düsseldorf durch dichten Stadtverkehr zu schlängeln und um sich in kleineren Städten durch enge Gassen zu schlagen. Feinmobilität heißt das Zauberwort. Fein…, was? 

Was ist Feinmobilität?

Feinmobilität ist ein noch junger Begriff in der Mobilitätsbranche. Darunter subsumiert man kleine und wendige Verkehrsmittel wie E-Scooter, Lastenräder, kompakte E-Fahrzeuge und elektrische Leichtfahrzeuge – und jede Menge innovative Spezialfahrzeuge, die man nur schwer in herkömmliche Fahrzeugkategorien einordnen kann. Unter Feinmobilität fällt alles, was mehr ist als zwei Füße und weniger als ein herkömmlicher Kleinwagen. 

Aufgrund dieser Bandbreite wird die Feinmobilität in Fahrzeugklassen unterteilt: Sie reicht von der Klasse XXS (z. B. E-Scooter) über die Klasse XS (z. B. Lastenräder) bis hin zur Klasse S (z. B. elektrische Leichtfahrzeuge). Alleiniges Kriterium für die Zuordnung zu einer der Klassen und damit zur Feinmobilität sind die Maße des Fahrzeuges. „Wir schauen, wie viel öffentlichen Raum ein Verkehrsmittel einnimmt, und definieren die Feinmobilität nach Höhe, Breite und Länge des Fahrzeuges“, erklärt Konrad Otto-Zimmermann. Er leitete die Arbeitsgruppen des VCD und des Stadtplanerverbandes SRL, die das Konzept der Feinmobilität entwickelt haben. 

Immer größere Autos führen dazu, dass Kraftfahrzeuge vor allem in unseren Städten immer mehr öffentlichen Raum einnehmen. Das führt unter anderem zum „SUV-Bashing“. „Um die Diskussionen zu versachlichen, mussten wir Größenordnungen benennbar machen“, sagt Otto-Zimmermann. „Wir brauchten einen fachlichen Standard, der allgemein anerkannt wird“, beschreibt er die Idee hinter der Feinmobilität. Man wolle eine ideologiefreie Diskussion ermöglichen – mit dem Ziel, das Fahrzeug immer nur so groß zu wählen, wie es gerade so nötig ist: so klein und fein wie möglich.

Feinmobilität punktet dort, wo der ÖPNV es nicht kann, weil er nicht individuell genug ist; wo die Distanz zwar kurz, für die Füße aber doch zu weit ist; wo die Last für zwei Schultern zu schwer ist. Und dort, wo herkömmliche Autos größer als nötig sind und damit mehr Raum einnehmen als gerechtfertigt. Und das ist unter anderem im Handwerk und Gewerbe sehr oft der Fall.

Gerade für sie bietet Feinmobilität echte Chancen: Sie kann nicht nur helfen, städtische Mobilitätsprobleme zu entschärfen, sondern auch Zeit und Geld sparen. Schmidt erzählt, wie seine Lastenräder ihm deutliche wirtschaftliche Vorteile verschaffen: „Ich spare Zeit, weil ich schneller beim Kunden bin als mit dem Auto. Und Zeit ist Geld. Dazu kommen viel geringere Wartungskosten als bei einem Auto und der eingesparte Sprit. Außerdem kann ich direkt vor der Haustür des Kunden parken und muss meine Werkzeuge nicht noch durch die Gegend tragen, weil kein Parkplatz in unmittelbarer Nähe zu bekommen war. Und mein Auszubildender, der keinen Führerschein hat, kann mit dem Lastenrad auch mal allein unterwegs sein.“ Und der Umweltaspekt? Ach ja, der Umweltaspekt sei auch nett, aber der falle für Schmidt so nebenbei ab, sagt er.

Das klingt eigentlich überzeugend – und so, als ob Feinmobilität gerade in einer Welt, die zunehmend auf Effizienz und Nachhaltigkeit setzt, zum Spielmacher einer erfolgreichen Verkehrswende werden könnte. Doch die Marktdurchdringung ist relativ gering.

Alternativen zu großen Autos sind im Alltag wenig sichtbar

Laut einer aktuellen Befragung des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) haben nur zwei Prozent aller Handwerksbetriebe ein Lastenrad. Weitere sechs Prozent können sich den Einsatz eines Lastenrades in Zukunft vorstellen. Bei Betrieben in Innenstadtlage sind die Zahlen – vermutlich unter dem zunehmenden Park- und Verkehrsdruck und vor dem Hintergrund kürzerer Wege – etwas höher, aber auch hier definitiv ausbaufähig.

Zum Thema Feinmobilität gibt man sich beim ZDH vorsichtig optimistisch: „Leichtfahrzeuge können nicht alles im Handwerk – aber potenziell viel“, sagt ZDH-Mobilitätsexperte Dr. Carsten Benke. „Sie können eine sinnvolle Ergänzung des bestehenden Fuhrparks sein – allerdings nicht für alle Branchen.“ Grenzen für alternative Verkehrsmittel sieht Benke vor allem da, wo die Wege zu lang sind: „Wenn unsere Handwerksbetriebe weiter aus den Innenstädten verdrängt werden, brauchen wir uns über Lastenräder keine Gedanken mehr zu machen.“ Und natürlich dort, wo die Lasten zu schwer und zu groß für die kleinen und leichten Fahrzeuge sind. Auch außerhalb der Städte gibt es zum Teil spezielle Anforderungen.

Neben diesen Grenzen gibt es aber noch eine weitere, ganz wesentliche: die Sichtbarkeit alternativer Fahrzeuge. Dass es ausgerechnet Lastenfahrräder in die Befragung des ZDH und als Praxisbeispiel in diesen Artikel geschafft haben, ist kein Zufall: Sie sind als Standardverkehrsmittel in der Gesellschaft angekommen. Sie sind sichtbar im öffentlichen Raum, sie sind verfügbar im Handel und sie sind bekannt im Umgang. 

Ganz anders sieht das bei den Fahrzeugen der Feinmobilitätsklasse S aus. Hier ist der Markt stark zergliedert und undurchsichtig. Man weiß nicht einmal, wonach man googeln muss, um Informationen über Modelle oder gar einen Händler zu finden. Manche Hersteller kommen aus der Kfz-Branche, andere aus der Fahrradbranche und wieder andere aus dem Fahrzeugbau, der Eisenwaren-, der Gesundheits- oder der Spielwarenbranche. Das macht es für den Verbraucher nicht einfach.

Auch hier kann die Klassifizierung als Feinmobilität helfen: indem sie diesem breiten Fahrzeugspektrum eine gemeinsame Klammer gibt. Denn allen gemeinsam ist das Ziel, Mobilität agil, platzsparend und CO2-neutral zu gestalten. Mit Feinmobilen können Strecken bis zu 40 Kilometer effizient zurückgelegt werden. Die kleinen Fahrzeuge punkten dort, wo große Fahrzeuge scheitern oder schlichtweg überdimensioniert sind. Und wenn man Tischlermeister Schmidt und seine Gesellen fragt, macht Feinmobilität auch noch gute Laune und reduziert den Stress. 

Mehr zum Thema

Sie wollen mehr über Feinmobilität wissen? Alles Wichtige steht im Standardwerk von Konrad-Otto Zimmermann, Carsten Sommer u.a. kostenfrei verfügbar unter oekom.de

Wer Feinmobile ausprobieren möchte, findet Hersteller und ihre Produkte auf der Cyclingworld Europe (28.–30.3.2025, Düsseldorf), auf der Internationalen Spezialradmesse SPEZI (26.–27.4.2025, Lauchringen) sowie auf der Ecomobility im Rahmen der Euro­bike (25.–29.6.2025, Frankfurt am Main).

Handwerksbetriebe können sich bei diversen Handwerkskammern beraten lassen.
 

Autorin

Katharina Garus ist Redakteurin bei der fairkehr-Agentur in Bonn und schreibt seit 2021 für das VCD-Magazin fairkehr. Sie ist Expertin für alle Themen rund ums Fahrrad und nachhaltige Reisen.

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