Schaut man sich das neue vollelektrische Auto an, mit dem die Ford-Werke Köln gerade in die Krise schlittern, möchte man dem Hersteller am liebsten wünschen, dass er darauf sitzen bleibt. Der Ford Explorer ist ein massiger SUV, über zwei Tonnen schwer, viereinhalb Meter lang, zwei Meter breit und fast genauso hoch. Auf Straßen und Plätzen beansprucht das Auto richtig viel Platz. Bei Ford Köln rollt kein leichtes Fahrzeug mehr vom Band, seit man den kleinen Fiesta 2023 ohne Nachfolger hat auslaufen lassen. Schwer in Mode ist, wie auch bei den Verbrennern, ein Luxus-Geländewagen – aber natürlich nicht fürs Gelände, sondern für Stadt und Autobahn.
Schon klar, es geht um Arbeitsplätze, auch bei den Zulieferern. Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten so viele Autos produziert und weltweit verkauft, dass der Wirtschaftskreislauf hierzulande schlecht auf diesen Motor verzichten kann. Aber müssen es diese Modelle sein? „Es wurde versäumt, erschwingliche und ressourcensparende E-Fahrzeuge auf den Markt zu bringen“, heißt es in der aktuellen Pressemitteilung des „Bündnisses sozialverträgliche Mobilitätswende“ zum Thema Zukunft der Automobilindustrie. Dem Bündnis gehören der VCD, viele Umwelt- und Sozialverbände, die Gewerkschaften von IG Metall, ver.di bis DGB und auch die Evangelische Kirche in Deutschland an.
Lange zu träge und am Antriebswechsel vom Verbrennermotor zur Batterie wenig interessiert, müssen sich die deutschen Hersteller jetzt gegen die asiatische Konkurrenz behaupten. Und drohen zu scheitern, jedenfalls im Moment. Der Ford Explorer kostet in der Basisversion 42.000 Euro. Nicht viel anders sieht es bei VW aus. Der Wolfsburger Konzern hat die Produktion des kleinen E-up eingestellt und stattdessen kürzlich noch den großen Verbrenner-SUV Tayron herausgebracht. Erst 2026 wird das elektrische Polo-Pendant VW ID.2 auf den Markt kommen, zu Preisen ab etwa 25.000 Euro. Ford kündigt für dieses Jahr ein kleines Modell Puma für 36.900 Euro an. Auch BMW hat kein Auto unter 20.000 Euro wie die Chinesen.
Auf den internationalen Märkten sind die Deutschen ebenfalls in Schwierigkeiten geraten. China hat auf Elektro umgestellt, und chinesische Hersteller erreichen auf ihrem stark subventionierten Heimatmarkt gigantische Verkaufszahlen. Auch global gewinnen die Chinesen Marktanteile. Ihre Unternehmen haben fast alle Rohstoffe und die Produktion selbst in der Hand. Auch die Akkus sind in China deutlich billiger als im Rest der Welt. Zur gleichen Zeit werden VW und Co. ihre Luxusautos, die noch mit Diesel und Benzin fahren, nicht mehr los. Auch die europäische Konkurrenz ist weiter: Die französischen Hersteller bauen kleine E-Autos, die man bei deutschen Herstellern vergeblich sucht.
Weniger und kleinere Autos für mehr Klimaschutz

2021 hatte der VCD auf der internationalen Automobilmesse IAA in München protestiert – gegen Autozentriertheit, den verschleppten Ausbau von Bus und Bahn und die auf das Auto fokussierte Verkehrspolitik der Bundesregierung. Der VCD forderte die Autokonzerne auf, mit ihren Produkten zu einer sozial- und klimagerechten Transformation der Mobilität beizutragen.
Was ist seitdem passiert? Nach drei Jahren FDP-geführtem Verkehrsministerium sind immer noch zu viele Menschen, besonders auf dem Land, ohne Auto abgehängt, weil keine Busse und Bahnen fahren. Streckensperrungen, Baustellen und ausfallende Züge lassen viele Menschen zusätzlich am Auto festhalten – aber eben am Verbrenner.
„Zum dritten Mal in Folge reißt der Verkehr das Sektorziel im Klimaschutzgesetz. Damit gefährdet der Verkehr das Erreichen der deutschen Klimaziele für 2030 insgesamt und verfehlt die EU-Klimavorgaben. Das könnte die Steuerzahler*innen künftig mehrere Milliarden Euro kosten, die zum Ausgleich für den Kauf von Emissionszertifikaten notwendig sind“, klagt Michael Müller-Görnert die Verantwortlichen an. Der verkehrspolitische Sprecher des VCD fordert die künftige Bundesregierung auf, den Verkehr endlich auf Klimakurs zu bringen: „Wir brauchen einen klaren Push für die Elektromobilität“, sagt der VCD-Sprecher.
Dass der Antriebswechsel in Deutschland bisher so schleppend vorangeht, hat viel mit der Politik zu tun. Sie sendet diffuse Signale an die Bürger*innen. Die fortwährende Diskussion über ein Aufweichen des in der EU beschlossenen Aus für Verbrenner – angefeuert von der CDU – ist kontraproduktiv. Völlig ins Nichts führt die unsinnige Hoffnung auf E-Fuels, die weder bezahlbar noch ausreichend verfügbar sein werden. Bei der FDP läuft das unter dem Schlagwort Technologieoffenheit. Die Debatten gefährden die Planungssicherheit der Automobilindustrie und führen sie immer tiefer in die Krise.
Seit Dezember 2024 fördert der Staat den Kauf von E-Autos nicht mehr, nachdem das grüne Wirtschaftsministerium die Prämie infolge des Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts abschaffen musste. Auch geplante Sonderabschreibungen für vollelektrische Dienstwagen kamen nicht mehr zustande. Über die künftige Förderpolitik herrscht Unsicherheit. Potenzielle Käufer*innen warten ab und spekulieren auf sinkende Preise.
EU-Grenzwerte einhalten
Erschwerend kommt hinzu, dass die Autoindustrie und ihre Verbündeten für eine Abschwächung der europäischen CO2-Flottengrenzwerte kämpfen. Der Wert soll ab 2025 von durchschnittlich 115,1 Gramm CO2 pro Kilometer und Pkw auf 93,6 Gramm sinken. 2030 sollen es nur noch 49,5 Gramm sein. Bei Nichteinhaltung würden Milliardenstrafen fällig. Jetzt ist zu hören, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen der Autobranche entgegenkommen will. Damit riskiert sie, dass VW, Mercedes und Co. ihre Bemühungen in Richtung CO2-Neutralität noch weiter runterfahren. Der notwendige Hochlauf der E-Mobilität sei nicht zu schaffen, tönt es aus der Autolobby.
Der VCD hat dafür wenig Verständnis: Die Grenzwerte seien seit 2019 bekannt und etliche Hersteller hätten ihre Modellpolitik daraufhin umgestellt. Dass jetzt ausgerechnet VW und Ford Verbrenner aus Lagerbeständen abverkaufen wollten und die Preise für Elektroautos hochhielten, sei unredlich. „Die Politik muss den Unternehmen den Weg in die Zukunft weisen und darf nicht den Rückwärtsgang einlegen“, sagt Kerstin Haarmann, die VCD-Bundesvorsitzende, und betont: „Alleine, um die deutschen Klimaziele einzuhalten, dürften aus Sicht des VCD bereits ab 2030 keine neuen Verbrenner mehr zugelassen werden.“
"Die Politik muss den Unternehmen den Weg in die Zukunft weisen."
Kerstin Haarmann, VCD-Bundesvorsitzende
Europäische Nachbarländer deutlich weiter
Länder wie Dänemark, die Niederlande, Norwegen oder Schweden zeigen, wie es geht. Sie verfolgen die Antriebswende konsequent und ohne große Diskussionen: Ein Bonus für E-Autos finanziert sich allein aus den höheren Abgaben für Verbrenner. Im Gegensatz zu Deutschland ist dort im vergangenen Jahr die Zahl der Neuzulassungen bei E-Autos gestiegen. In Norwegen liegt ihr Anteil bei 89 Prozent, in Dänemark bei 50, in den Niederlanden und Schweden fährt bereits jeder dritte Neuwagen rein elektrisch. „Deutschland sollte die erfolgreichen Maßnahmen auch hierzulande umsetzen. Dazu gehört eine Reform der Kfz-Steuer, die eine zusätzliche CO2-Komponente im Jahr der Erstzulassung vorsieht“, fordert der VCD – und einen Plan für eine flächendeckende Ladeinfrastruktur.
Außerdem unterstützt der VCD eine Idee, die Frankreich bereits umgesetzt hat: ein soziales Leasingprogramm. Das Angebot richtet sich an Menschen mit geringem Einkommen. Sie sollen kleine Elektroautos europäischer Hersteller besonders preiswert leasen können. Auch einige Sozialpolitiker aus SPD und CDU begrüßen den Vorschlag.
Antriebswende und Spurwechsel in der Industrie
Für eine echte Verkehrswende reicht es allerdings nicht, Verbrenner durch E-Autos auszutauschen. Es hilft nicht gegen Stau, Verkehrsunfälle und Flächenfraß. Neben dem dringend notwendigen Ausbau des öffentlichen Verkehrs in Stadt und Land fordert der VCD deutlich kleinere, aber auch – Vorsicht, Schockmeldung – deutlich weniger Autos auf den Straßen. Dieser Spurwechsel gefällt der kriselnden Autobranche natürlich nicht.
Die Arbeitnehmer*innen müssten aber nicht auf der Straße stehen, denn der Fachkräftemangel ist riesengroß. Den Untergangsszenarien der Automobilbranche stellt der VCD einen Richtungswechsel entgegen, frei nach dem Motto: Wer Bleche für Autos biegen kann, kann auch Busse bauen. „Metall-Fachkräfte werden beim Schienenfahrzeug- und Busbau dringend benötigt“, sagt VCD-Bundesvorsitzender Matthias Kurzeck. Auch die Unternehmen des öffentlichen Verkehrs suchen händeringend nach Personal. Wegen des höheren Lohnniveaus in der Automobilbranche müsste die Politik diesen Richtungswechsel allerdings zu ihrer Aufgabe machen. Auch die Gewerkschaften müssten mit am Tisch sitzen, etwa auf einem Auto- und ÖV-Gipfel. Für alle Beteiligten wäre es ein großer Schritt in die Zukunft, aber Kurzeck glaubt daran: „Dieser notwendige Strukturwandel wurde beim Bergbau im Ruhrgebiet schließlich auch geschafft.“
Utopie zum Weiterlesen
26 Autor*innen aus Wissenschaft, Produktion und Politik – unter ihnen ein VCD-Mitbegründer und ein ehemaliges VCD-Vorstandsmitglied – bringen eine weitere Dimension zur Zukunft der Automobilindustrie ein. Sie fordern die Vergesellschaftung des VW-Konzerns und wollen aus VolksWagen ein VerkehrsWende-Unternehmen machen. Sie denken soziale und ökologische Fragen neu: Nur mit Radwegen sei die Klimakatastrophe nicht aufzuhalten, schreiben sie, stattdessen gehöre die Umwandlung der Produktion auf die Tagesordung.
VW steht für Verkehrswende: Konversion & Vergesellschaftung zwischen Theorie und Praxis
Autorin

Uta Linnert ist Redakteurin des VCD-Magazins fairkehr. Seit vielen Jahren schreibt sie über die nachhaltige Verkehrswende. Sie arbeitet bei der fairkehr Agentur in Bonn.