Quelle: Marcus Gloger/VCD

Mobilitätsgarantie

Mobilität für alle mit der Mobilitätsgarantie

Mobilität ist eine Grundvoraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe. Eine sozial gerechte Mobilität muss den Menschen in den Mittelpunkt stellen, nicht Fahrzeuge und Straßen. Dafür brauchen wir eine Mobilitätsgarantie.

| ÖPNV Soziale Aspekte der Verkehrswende

Vielen Menschen wird gesellschaftliche Teilhabe verwehrt, weil sie keinen ausreichenden Zugang zu guter und sicherer Mobilität haben. Denn in vielen Regionen gibt es kein oder nur ein unzureichendes Angebot des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Ähnlich ist es um die Radverkehrsinfrastruktur bestellt. Über Jahrzehnte ging die Verkehrspolitik von der Prämisse aus, dass alle Menschen mit ihrem eigenen Auto mobil sein wollen und können. Und das gilt vor allem für den ländlichen Raum aber auch viele städtische Randbezirke leider noch immer. Menschen, die nicht selbst Auto fahren können, wollen oder es sich nicht leisten können, werden damit von Mobilität ausgeschlossen. Das betrifft zum Beispiel Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen.

Damit alle Menschen unabhängig von körperlichen, psychischen, finanziellen und räumlichen Voraussetzungen selbstbestimmt und klimafreundlich mobil sein können, braucht es ein attraktives und barrierefreies Grundangebot öffentlicher Mobilitätsdienstleistungen. Der VCD fordert daher eine bundesweite Mobilitätsgarantie. Diese muss weit über den Minimalanspruch hinausgehen, die Taxikosten erstattet zu bekommen, wenn der Bus ausfällt. Stattdessen ist das Ziel, dass künftig niemand mehr auf ein eigenes Auto angewiesen ist. Die Freiheit selbstbestimmter Mobilität, soziale Gerechtigkeit und der Schutz von Klima und Umwelt können so in Einklang gebracht werden.

Das klassische ÖPNV-Angebot muss dafür ergänzt werden durch flexible Angebote, die den lokalen Gegebenheiten und besonderen Bedürfnissen gerecht werden. Dazu gehören unter anderem barrierefreie Taxis, (Car-)Sharing-Angebote und Pooling-Dienste. Außerdem braucht es ein sicheres und komfortables Rad- und Fußwegenetz auch und gerade auf dem Land.

Gutes Angebot für alle durch Mindeststandards

Damit in Zukunft niemand mehr vom eigenen Auto abhängig ist und alle Menschen klimafreundlich mobil sein können, braucht es bundesweite Standards für die Erschließung und Qualität des Umweltverbundes. Dazu gehören Mindeststandards für die Erreichbarkeit, Taktung, Bedienzeiten und gesicherte Anschlüsse im ÖPNV sowie einheitliche und vereinfachte Tarife.

Standards im ÖPNV

  • In allen Orten ab 200 Einwohner*innen gibt es ein Angebot mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
  • Alle Orte ab 200 Einwohner*innen werden mindestens in einem Ein-Stunden-Takt mit öffentlichen Verkehrsmitteln bis zum nächsten Mittel-/Oberzentrum bedient.
  • In Orten mit weniger als 500 Einwohner*innen sowie in Schwachlastzeiten können auch alternative Bedienformen (z.B. Rufbus oder On-Demand Ridesharing) eingesetzt werden.
  • Mindestens 80 Prozent der Einwohner*innen eines Ortes mit ÖV-Anschluss erreichen im Umkreis von 300 m die nächste Haltestelle.
  • Auf regionalen Hauptachsen im ländlichen Raum bestehen dichtere Takte von mindestens 30 Minuten, in urbanen Räumen von mindestens 10 Minuten.
  • Das Angebot besteht mindestens von 6 bis 22 Uhr, auch am Wochenende und in Ferienzeiten, ergänzt um zusätzliche Nachtfahrten am Wochenende.
  • Zum nächsten Mittel-/Oberzentrum braucht es maximal einen Umstieg mit sicherem Anschluss.
  • Alle Angebote sind mit Echtzeitdaten vernetzt, sodass die Anschlüsse gesichert sind – z.B. von der Regionalbahn in den Rufbus und auch bei ggf. nötigen längeren Umsteigezeiten (aufgrund von Kinderwagen, Gepäck, Rollstuhl o.ä.).
  • Für optimale Umstiegsmöglichkeiten werden alle Regionen in einen Deutschland-Takt integriert.
  • Alle Regionen werden in einem Deutschland-Tarif integriert: Durchgehende Tickets für die komplette Reisekette erleichtern die Ticketbuchung.
  • Die Ausweitung der EU-Fahrgastrechte im Eisenbahnverkehr auf den öffentlichen Nahverkehr garantiert, dass Menschen auch im Falle eines verpassten Anschlusses ihre Ziele erreichen. Dies gilt aber nicht, wenn sie hierfür das 49-Euro-Deutschlandticket, ermäßigte Fahrkarten wie Länder-Tickets, Quer-durchs-Land-Ticket u.ä. genutzt haben.

Standards für den Rad- und Fußverkehr

  • Es gibt ein dichtes und sicheres Radverkehrsnetz u.a. durch die Freigabe von Einbahnstraßen in Gegenrichtung für den Radverkehr, eindeutige Beschilderung und das Einrichten von Fahrradstraßen und Fahrradzonen.
  • Es gibt Radschnellwege auch unabhängig von großen Autostraßen.
  • Auch im ländlichen Raum gibt es eine gute Radinfrastruktur an Kreis-, Land- und Bundesstraßen.
  • Radwege sind bequem und sicher befahrbar, d.h. sie haben eine ebene Oberfläche (keine Wurzelschäden, angehobene Platten etc.) und sind ausreichend breit, sodass gegenseitiges Überholen problemlos möglich ist.
  • Die Fußwege sind breit genug, dass Menschen mit Kinderwagen oder im Rollstuhl bequem aneinander vorbeikommen.
  • Es gibt klare Regelungen für neue Mobilitätsformen wie E-Scooter, E-Fahrräder und Lastenräder, die sicherstellen, dass ihnen ausreichend Platz im öffentlichen Raum zur Verfügung steht, ohne dass sie den Fußverkehr gefährden.

Zugang für alle durch Barrierefreiheit

Selbstbestimmte Mobilität ist eine Grundvoraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe. Damit auch Menschen mit Behinderungen alle Verkehrsmittel nutzen können, müssen diese und die dazugehörige Infrastruktur barrierefrei sein. Die Voraussetzung für weitgehende Barrierefreiheit für eine größtmögliche Vielfalt von Menschen ist die Festlegung eindeutiger Mindeststandards. Diese müssen bundesweit und anbieterunabhängig gelten und alle öffentlichen Verkehrsmittel, private Mobilitätsdienstleistungen und Sharing-Angebote sowie den gesamten Straßenraum umfassen.

Bei den Mindeststandards müssen alle Formen von Behinderungen mitgedacht werden. Es reicht zudem nicht aus, wenn nur ein Teil  barrierefrei ist, etwa wenn der Bus einen Platz für Rollstühle oder Rollatoren hat, der Weg zur Haltestelle aber nicht selbstständig zu bewältigen ist. Fußverkehrsanlagen und Radinfrastruktur sind ebenfalls barrierefrei zu gestalten – das wird auch aufgrund der demografischen Entwicklung immer wichtiger.

Für die Fahrzeuge, die im regulären ÖPNV-Angebot eingesetzt werden, braucht es Mindeststandards für eine barrierefreie Nutzung. Diese müssen aber ebenso für flexible Bedienformen gelten, die ein besonderes Potenzial für mobilitätseingeschränkte Menschen bieten - sofern sie mit barrierefreien Fahrzeugen erbracht werden.

Auch die Beschaffung von Informationen zum Mobilitätsangebot muss barrierefrei sein, damit alle Menschen Zugang zu digitalen Angeboten und Diensten haben. Das umfasst die Buchung, Bestellung und Bezahlung bei allen Formen digitaler bzw. App-vermittelter Beförderungsdienste.

Für Menschen mit Behinderung geht es bei der Umsetzung von Barrierefreiheit um nicht weniger als ein Menschenrecht. Aber auch für alle anderen bedeutet ein Abbau von Barrieren einen besseren Zugang zu Mobilität und mehr Komfort. Konsequente Barrierefreiheit verbessert daher die Lebensqualität für einen Großteil der Gesellschaft erheblich.

Bezahlbar für alle durch soziale Tarife und gerechte Finanzierung

Mobilität als Daseinsvorsorge ist eine wesentliche Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe und muss daher für alle Menschen bezahlbar sein. Von zentraler Bedeutung sind dabei bundesweite Sozialtickets für den ÖPNV, die Umwandlung der Entfernungspauschale in ein einkommensunabhängiges Mobilitätsgeld sowie eine sozial gerechte Ausgestaltung der CO2-Bepreisung.

Mobilität für alle kann nur durch bundesweit erhältliche Sozialtickets gesichert werden. Sie müssen dafür günstiger sein als der für Verkehr vorgesehene Anteil im Regelsatz der Sozialleistungen (im Bürgergeld sind 50,50 EUR [8,97 %] des Regelsatzes für Mobilität vorgesehen). Sie müssen über Verbundgrenzen hinweg und zeitlich unbegrenzt gültig sein und zudem unbürokratisch auch für Menschen erhältlich sein, die keine Sozialleistungen beziehen, aber dennoch an der Armutsgrenze leben.

Die Entfernungspauschale, auch Pendlerpauschale genannt, ist in ihrer jetzigen Ausgestaltung sozial ungerecht. Um die Menschen zu entlasten, die auf das Pendeln angewiesen sind, und gleichzeitig die soziale Schieflage der Pendlerpauschale zu beseitigen, sollte diese in ein Mobilitätsgeld umgewandelt werden. Dabei bekommen alle Pendler*innen den gleichen Betrag pro Pendelkilometer ausbezahlt bzw. von der Steuerlast abgezogen. Der Steuersatz hat damit keinen Einfluss auf die Höhe der Entlastung.

Der Weg zur Mobilitätsgerechtigkeit

Die Mobilitätsgarantie kann nur mit einem klaren Ziel und verbindlichen Etappen vor Augen realisiert werden. Und nur so können auch die Klimaschutzziele im Verkehr eingehalten werden, ohne dass es zu gesellschaftlichen Verwerfungen kommt. Deshalb darf der Ausbau- und Modernisierungspakt von Bund und Ländern für den ÖPNV nicht den stillen Tod sterben. Denn ohne ihn wird es kaum mehr Busse und Bahnen im öffentlichen Nahverkehr geben.

Vor allem aber ist sie ein zentraler Schritt für Mobilitätsgerechtigkeit, für die Freiheit, auch ohne eigenes Auto überall gut mobil zu sein, für mehr Lebensqualität auf unseren Straßen und natürlich auch für den Klimaschutz.

Kontakt

Alexander Kaas Elias

Sprecher für Bahn, ÖPNV und Multimodalität
Fon 030/28 03 51-36

alexander.kaaselias@vcd.org

 

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