fairkehr 3/2024: Straßenverkehrsordnung

StVO-Novelle: Die Fesseln sind gelöst

Der Gesetzgeber hat die Straßenverkehrsordnung novelliert. Was bedeutet das konkret? Das Wichtigste: Jetzt geht mehr für klimafreundliche Mobilität.

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Verkehrspolitik fairkehr-Magazin 03/2024

Man muss es sich noch mal auf der Zunge zergehen lassen, auch wenn es bitter schmeckt: Deutsche Städte durften bisher weder Busspuren noch Radwege aus Gründen des Klimaschutzes einrichten. Gleichzeitig sollen sie in zwanzig Jahren klimaneutral sein. Sprich: Vollsprint, aber mit Fußfesseln.

Die sind jetzt gelöst: Anfang Juli beschloss der Bundesrat eine StVO-Novelle, die den Kommunen deutlich mehr Freiheit bei der Gestaltung des Verkehrs einräumt. Wichtigster Punkt: Der Gesetzgeber erkennt endlich an, dass Verkehr kein Selbstzweck ist. Ziele wie Klimaschutz, Gesundheit und Stadtentwicklung dürfen ab sofort bei der Verkehrsplanung berücksichtigt werden.

Eine Selbstverständlichkeit? Nein. Denn bis dato war die freie Fahrt für Autos der allein bestimmende Zweck unserer Straßenverkehrsgesetze. Diese Tatsache hatte der Gesetzgeber nur dürftig unter den Deckmäntelchen der „Leichtigkeit“ und „Sicherheit“ des Verkehrs versteckt. Wollte die Verwaltung etwas für Räder, Busse oder Fußgänger*innen tun, musste sie dafür aufwendig eine existierende Gefahrenlage nachweisen; juristisch solide konnte die meist nur durch Unfallzahlen begründet werden.

Und was Wunder: Wo kaum jemand zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs war, gab es auch keine Unfallhäufung. Also sprach die Behörde: Zebrastreifen abgelehnt, Radweg nicht genehmigt, Busspur einkassiert. Alles außer Autos: Ausnahme.

Was ändert die neue Rechtslage?

Kommunen können jetzt leichter Flächen für Rad- und Fußwege nutzen, Busspuren einrichten, Zebrastreifen aufmalen und Tempo 30 anordnen. Gerade in Großstädten könnte großflächig Tempo 30 möglich werden. Außerdem bekommen Städte mehr Spielraum bei einer anderen wichtigen Stellschraube: Sie können in Zukunft leichter Anwohnerparkenanordnen und so dafür sorgen, dass weniger Autos ins Quartier einpendeln.

Ob mit der Gesetzesänderung eine echte Wende gelungen ist, muss sich noch zeigen. Das Ministerium für Verkehr muss jetzt die Verwaltungsvorschrift zur StVO anpassen. Und Gerichte werden die neuen Freiheiten juristisch ausbuchstabieren.

Gerade deshalb ist der Druck von der Straße wichtig. Mehr denn je braucht es jetzt VCD-Aktive, die mutige Kommunen unterstützen und den zaghaften, salopp gesagt, Feuer unterm Hintern machen.

Autor

Tim Albrecht ist Redakteur, Berater und Coach für Kommunikation rund um die Themen Nachhaltige Mobilität & Urban Transformation. Er arbeitet bei der fairkehr Agentur in Bonn und schreibt seit 2018 für das VCD-Magazin fairkehr.

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