Verkehrssicherheit
20 Jahre Vision Zero: Warum es noch viel zu tun gibt
2004 veröffentlichte der VCD seinen „Masterplan Vision Zero“ mit konkreten Maßnahmen für mehr Verkehrssicherheit. Seitdem machen wir uns mit Aktionen, Materialien, Aufklärungsarbeit und politischer Lobbyarbeit für das Thema stark. Mit Erfolg: Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat übernahm das Konzept als Leitbild und auch die letzten beiden deutschen Regierungen nahmen die Vision Zero als Ziel in ihre Koalitionsverträge auf. Doch noch immer wird das Thema politisch nicht ernst genommen und nur wenige Maßnahmen für weniger Verkehrstote ergriffen. Nach wie vor zählt offenbar die freie Fahrt für’s Auto mehr als ein Menschenleben.
Was ist die Vision Zero?
Der Grundgedanke: Das Problem ist nicht, dass Unfälle passieren, sondern dass sie schwerwiegende oder tödliche Folgen haben. Und: Menschen machen Fehler. Deshalb müssen wir unsere Infrastruktur so bauen, dass sie Fehler verzeiht, und bei Unfällen keine Menschen mehr schwer verletzt werden.
75.000 Gründe für Vision Zero
Von 2004 bis heute sind insgesamt knapp 75.000 Menschen Straßenverkehr ums Leben gekommen. So viele Menschen, wie in die Münchner Allianz Area passen, in der das Eröffnungsspiel der Fußball-Europameisterschaft Deutschland gegen Schottland stattfindet. Das heißt: In den letzten 20 Jahren ist ein komplett gefülltes Fußballstadion auf deutschen Straßen tödlich verunglückt. Im gleichen Zeitraum wurden 7,8 Millionen Menschen im Verkehr verletzt, das sind fast zehn Prozent der deutschen Bevölkerung. Seit 2010 stagnieren die Verletzenzahlen, 2023 wurden knapp 365.000 Menschen im Verkehr verletzt, das sind 1.000 pro Tag. Zwar ist die Zahl der tödlich Verunglückten seit 2004 um fast die Hälfte gesunken, aber auch im letzten Jahr haben 2.830 Menschen auf deutschen Straßen ihr Leben verloren, fast 8 pro Tag.
In keinem anderen Bereich würde man Tote und Verletzte in dieser Größenordnung hinnehmen. Laut einer Untersuchung von „Runter vom Gas“ sind vom Verkehrstod eines Menschen durchschnittlich 113 Menschen betroffen, darunter 11 Familienangehörige, 4 enge Freunde, 56 Freunde und Bekannte sowie 42 Einsatzkräfte. Wer hinter den Zahlen diese Schicksale von Unfallopfer und ihren Angehörigen sieht, kann nur eine akzeptable Zahl an Verkehrsopfern ableiten: Null!
8 to 80's als Maßstab für die Vision Zero
Wir beim VCD setzen uns für den Schutz aller Menschen im Straßenverkehr ein. Dazu müssen die Bedürfnisse von Menschen, die zu Fuß und mit dem Rad unterwegs, die jung oder alt sind und die verschiedenen Mobilitätseinschränkung haben, beachtet werden. Wenn sie sicher sind, sind es alle anderen Verkehrsteilnehmeden auch. Getreu dem kanadischen “8 to 80s”-Ansatz von Guillermo Peñalosa, nach dem es für Menschen jeden Alters gut ist, wenn sich Städte an den Mobilitätsanforderungen eines 8- jährigen und denen, eines 80 jährigen Menschen orientieren. („If everything we do in our cities is great for an 8 year old and an 80 year old, then it will be better for all people.”)
Wichtig sind in diesem Zusammenhang sichere und zusammenhängende Rad- und Fußwegenetze, Tempolimits, fehlerverzeihende Infrastrukur mit Spiel- und Schulstraßen, nachhaltige Mobilitätsbildung von Anfang an und ein Leben lang sowie weniger und kleinere Autos.
Darum braucht die Vision Zero kindgerechten Verkehr
Kinder und Jugendliche brauchen einen Straßenraum, der für Bewegung und Spiel genutzt werden kann, und in dem sie selbständig unterwegs sein können. Dafür muss der Verkehr dringend übersichtlicher und langsamer werden: Kinder müssen sehen können und gesehen werden – auch wenn sie klein sind.
Der VCD setzt sich zudem für die Förderung der selbständigen Mobilität von Kindern bereits ab dem Kita-Alter ein. Die tägliche Übung auf der Straße leistet einen wesentlichen Beitrag zu ihrer Sicherheit. Ohne dieses Training erhöht sich das Risiko, zu verunglücken. Durch tägliches Üben von klein auf an, können Kinder lernen, wie sie unübersichtliche Verkehrsgeschehen bewältigen, und sich so sicher im Verkehr bewegen.
Darum braucht die Vision Zero Tempolimits
Ein zentrales Thema von Vision Zero ist die Absenkung des allgemeinen Geschwindigkeitsniveaus. Es ist anerkannt, dass Unfälle bei niedrigen Geschwindigkeiten seltener passieren und weniger schwer ausfallen; zahlreiche Beispiele aus In- und Ausland belegen das. Wir beim VCD fordern deshalb, Tempolimits festzulegen: Grundsätzlich Tempo 30 innerorts, 80 auf Landstraßen und 120 auf Autobahnen. Die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag zwar die Vision Zero zum Ziel gesetzt, aber im gleichen Text ein generelles Tempolimit ausgeschlossen – dies scheitert am Widerstand der FDP und ihres Verkehrsministers Volker Wissing. Damit bleibt Deutschland das einzige Land in Europa ohne ein Tempolimit auf Autobahnen.
Vision Zero im StVR verankern
Straßenverkehrsgesetz (StVG) und Straßenverkehrsordnung (StVO) regeln, welche Maßnahmen im Verkehr möglich sind. Dies gilt besonders für Kommunen, deren Spielräume sie abstecken. Viele Kommunen wollten bereits Maßnahmen für mehr Verkehrssicherheit umsetzen und wurden dabei vom Straßenverkehrsrecht begrenzt, das bisher nur den fließenden Autoverkehr im Fokus hatte. Maßnahmen wie flächendeckende Tempo-30-Bereiche, Pop-up-Radwege oder Verkehrsberuhigung mussten bislang aufwendig begründet werden.
Die neu beschlossene Reform des Straßenverkehrsgesetzes ermöglicht es Städten und Gemeinden die Verkehrsplanung auch am Klima- und Umweltschutz, der Gesundheit und der Verkehrssicherheit auszurichten.
Der VCD begrüßt, dass die Reform nach langem Hin und Her endlich beschlossen wurde, denn sie ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber es ist noch mehr nötig: Damit die Vision Zero nicht nur ein Lippenbekenntnis bleibt, muss auch sie gesetzlich im Straßenverkehrsrecht verankert werden.
Mit Ihrer Spende machen Sie sich stark für eine Mobilität für Menschen. Sie unterstützen damit unsere Arbeit für lebenswerte Städte und Dörfer, mehr Platz und Sicherheit für Fußgängerinnen und Fahrradfahrer, saubere Luft und weniger Lärm, komfortablen, sicheren und bezahlbaren Öffentlichen Verkehr. Ihre Spende wird dort eingesetzt, wo sie am dringendsten gebraucht wird.
Kontakt

Anika Meenken
Sprecherin für Radverkehr und Mobilitätsbildung
Fon 030/28 03 51-403

Michael Müller-Görnert
Verkehrspolitischer Sprecher, Klima, Luft, Auto
Fon 030/28 03 51-19
michael.mueller-goernert@vcd.org