Verkehrspolitik

Ein Deutschlandticket macht noch keine Verkehrswende – Halbzeitbilanz der Ampel

Die Ampel-Koalition ist vor zwei Jahren mit dem Ziel angetreten, „die 2020er Jahre zu einem Aufbruch in der Mobilitätspolitik zu nutzen und eine nachhaltige, effiziente, barrierefreie, intelligente, innovative und für alle bezahlbare Mobilität zu ermöglichen”, wie es im Koalitionsvertrag von 2021 heißt. Wie weit ist sie diesem Ziel gekommen? Nach zwei Jahren Ampel-Regierung zieht der ökologische Verkehrsclub VCD eine Zwischenbilanz und gibt einen Ausblick.

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Klimaschutz auf den Weg bringen

Deutschland kommt beim Klimaschutz im Verkehr weiter nicht voran. Statt die Verantwortlichkeiten zu schärfen und effektive Maßnahmen auf den Weg zu bringen, wird kurzerhand das Sektorziel gestrichen – und der Klimaschutz somit quasi abgeschafft.

Klimaschädliche Subventionen abbauen

Nach wie vor wird klimaschädlicher Verkehr stark gefördert – vor allem die FDP steht den nötigen Reformen zum Abbau klimaschädlicher Subventionen und Steuerprivilegien im Weg.

Antriebswende beschleunigen

Die FDP verkauft es als Technologie-Offenheit – dabei ist das sture Festhalten am Auslaufmodell Verbrennungsmotor (in Form von Plug-In-Hybriden oder E-Fuels) nur eine weitere Blockade der nötigen Verkehrswende. Dennoch stehen mit dem Verbrenner-Aus ab 2035 sowie der CO2-Maut für Lkw die Zeichen nun auf Antriebswende.

ÖPNV stärken

Im ÖPNV hat die Ampel einen klaren Erfolg zu verbuchen – das Deutschlandticket. Doch das reicht nicht aus, um den ÖPNV zukunftsfähig zu machen. Für den Ausbau braucht es deutlich mehr Geld und verbindliche Vorgaben.

Bahnnetz ausbauen und Deutschlandtakt voranbringen

Die Weichen für die Schiene sind gestellt. Es soll mehr Geld in die Schiene als in die Straße investiert, die Sanierung des Streckennetzes vorangetrieben werden. Kleine und mittlere Maßnahmen sollen ebenfalls beschleunigt werden – wenn die Novelle des Bundesschienenausbaugesetztes (BSWAG) vom Bundestag beschlossen wird – und mit der InfraGO wurde eine neue Infrastruktursparte gegründet. Jetzt kommt es darauf an, dass die Mittel für die Schiene langfristig abgesichert werden, der Ausbau der Schiene tatsächlich vorankommt und die InfraGO ihren Zielen gerecht wird.

Straßenverkehrsrecht reformieren

Die geplanten Änderungen im Straßenverkehrsrecht wären ein erster, wichtiger Schritt gewesen, da sie Kommunen künftig mehr Handlungsspielraum zugunsten der Verkehrssicherheit und der Verkehrswende gegeben hätten – doch die Novelle ist im Bundesrat gescheitert. Jetzt ist offen, wie es weitergeht. Viel mehr wäre allerdings nötig. Die Einführung von Tempolimits auf Autobahnen, Landstraßen sowie Tempo 30 innerorts als Regelgeschwindigkeit scheitern nach wie vor am Widerstand der FDP.

Rad- und Fußverkehr ausbauen

Damit mehr Menschen auf das Rad umsteigen und sich zu Fuß sicher bewegen können, braucht es sichtbare Verbesserungen bei der Infrastruktur. Ein verlässlicher Finanzierungsrahmen ist dafür unabdingbar. Ein Kürzen der Mittel ist kontraproduktiv. 

Infrastruktur und Bundesverkehrswegeplan

Auch wenn sich die Prioritäten etwas Richtung Schiene verschoben haben, schafft die Ampel weiter Fakten zugunsten der Straße. Das ist nicht zukunftsfähig. Jetzt kommt es darauf an, die Bundesverkehrswege- und Mobilitätsplanung am Ziel der Nachhaltigkeit auszurichten und sich von anachronistischen Straßenbauprojekten zu verabschieden.

Gesamtbilanz


Die verkehrspolitische Halbzeitbilanz weist Licht und Schatten auf – insgesamt ist sie aber mehr als durchwachsen. Von gemeinsamem Handeln kann nur selten die Rede sein. Auf der Habenseite stehen das Deutschlandticket, mehr Geld für die Schiene und eine ambitionierte Lkw-Maut; die Reform des Straßenverkehrsrechts ist noch ungewiss. Beim Klimaschutz, dem Abbau klimaschädlicher Subventionen, bei der Verkehrssicherheit sowie beim Rad- und Fußverkehr hingegen bleibt die Regierung effektive Maßnahmen schuldig. Zu wenig für eine nachhaltige Verkehrswende.

Ausblick: Unsere Forderungen für die kommenden zwei Jahre Ampel-Regierung


Künftig muss die Ampel vor allem eins tun: geschlossen und mutig die Herausforderungen angehen. Denn diese werden nicht kleiner. Vor allem die FDP muss endlich ihre Oppositionsrolle in der Regierung aufgeben und darf bei wichtigen verkehrs- und klimapolitischen Maßnahmen nicht länger auf der Bremse stehen. Bisher blockiert sie fast alle sinnvollen Maßnahmen im Namen eines ideologisierten Freiheitsbegriffs – und riskiert damit, dass wir unsere Freiheit langfristig verlieren.

In den kommenden zwei Jahren muss die Ampel den Deutschlandtakt auf das richtige Gleis setzen, beschleunigen und vor allem jene kleineren Ausbaumaßnahmen rasch umsetzen, mit denen sich die Kapazität der Schiene erhöhen lassen, um die Verlagerungsziele zu erreichen.

Gleichzeitig muss ein Ausbau- und Modernisierungspakt die Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs neu regeln, verbindliche Kriterien (Stichwort: Mobilitätsgarantie) für das Angebot müssen die ÖPNV-Versorgung auch auf dem Land deutlich verbessern. Der finanzielle Spielraum dafür ist durch den Abbau umwelt- und klimaschädlicher Subventionen zu schaffen, außerdem durch den Verzicht auf Autobahnaus- und -neubau.

Ersteres hatte sich die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen. Dienstwagen- und Dieselprivileg dürfen nicht länger tabu sein. Zwei Jahre hat die Ampel jetzt noch Zeit, den richtigen Kurs einzuschlagen. Klimaschutz muss endlich Vorrang bekommen, ebenso wie bezahlbare Mobilität für alle und soziale Gerechtigkeit.

Unsere Forderungen im Einzelnen:

  • Klimaschutz im Verkehr stärken und zur Chefsachen machen: Sektorziele nicht abschaffen, im Klimaschutzprogramm verbindlich wirksame Maßnahmen verankern.
  • Deutschlandticket dauerhaft sichern und als Jugend- und Sozialticket für maximal 29 Euro anbieten.
  • Ausbau- und Modernisierungspakt abschließen und Mobilitätsgarantie mit verbindlichen Qualitäts- und Erreichbarkeitskriterien verankern.
  • Klimaschädliche Subventionen und Steuerprivilegien im Verkehr abbauen und das freiwerdende Geld in nachhaltige Mobilität investieren.
  • Kfz-Steuer reformieren und um CO2-abhängige Bonus-Malus-Komponente ergänzen.
  • Mittel für den Radverkehr wieder aufstocken, um das geforderte Niveau von 1 Milliarde Euro jährlich zu erreichen.
  • Eine nationale Fußverkehrsstrategie auf- und umsetzen, die eine sichere und attraktive Fuß-Infrastruktur für alle anstrebt.
  • Die neue Infrastruktursparte der Bahn, InfraGo, transparent aufstellen und an den Zielen des Deutschlandtakts ausrichten.
  • Den Kommunen in der Straßenverkehrsordnung mehr Handlungsspielraum geben und Tempo 30 innerorts als Regelgeschwindigkeit ermöglichen.
  • Tempolimits von 120 auf Autobahnen und 80 auf Landstraßen einführen.
  • Autobahn- und Bundesstraßenprojekte bei der Bedarfsplanüberprüfung einem Klimacheck unterziehen und priorisieren.
  • Länder und Kommunen bei der Verkehrswende unterstützen durch einen passenden Rechtsrahmen – dem VCD-Vorschlag für ein Bundesmobilitätsgesetz
     

Kontakt

Michael Müller-Görnert

Verkehrspolitischer Sprecher, Klima, Luft, Auto
Fon 030/28 03 51-19
michael.mueller-goernert@vcd.org

Michael Müller-Görnert auf Twitter folgen

Sofie Kreusch

Trainee politische Kommunikation & klimafreundliche Verkehrspolitik
Fon 030/28 03 51-11
sofie.kreusch@vcd.org

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